Spirituelle Räume Folge 4: Moderne Sakralarchitektur – Tradition und Moderne
Folge 4
4. Moderne Sakralarchitektur – Tradition und Moderne
Folge 4
Religionen und Kirchen leben von Traditionen, sie abzuschaffen ist also unmöglich. Wohl aber kann man sie so erneuern, dass sie den Menschen in seinen Befindlichkeiten, Ängsten und Erfahrungen ansprechen. Gerade diese Spannung zwischen Tradition und Erneuerung bietet den heutigen Architekten ein experimentelles Betätigungsfeld. Ja, man kann mit einigem Recht sagen, dass moderne Architektur im Sakralbau ein zukunftsweisendes Paradigma finden kann. Zwei Beispiele werden in diesem Beitrag vorgestellt: Die neue Synagoge in Dresden (Architektenteam Wandel, Hoefer, Lorch und Hirsch) nimmt bewusst Traditionen in ihre Konzeption auf: die jüngste deutsche Geschichte. Errichtet neben dem Platz der ehemaligen von den Nazis zerstörten Synagoge stellt sie außen einen massiven Kubus dar, der sich in einer sehnsuchtsvollen Windung gleich einer Schraubendrehung gen Osten
wendet. Im Inneren entsteht hingegen der Eindruck von Zartheit und Vertrautheit. Das von oben herabströmende Licht erzeugt Spiritualität, eine Art von Vergeistigung, welche die steinerne Massivität außen überwindet. Das Diktat der Geschichte soll hier offensichtlich gebrochen werden, aber im Bewusstsein der Geschichte sollen die alten jüdischen Traditionen eine Renaissance erleben. Der Bau der Jubiläumskirche in Rom gründete auf anderen Absichten. Einer der bedeutendsten Architekturwettbewerbe im Jubiläumsjahr 2000 galt dieser Stadtkirche in Rom. Der Gewinner des Wettbewerbs, Richard Meier, hat der steinernen Übermacht der vielen Kirchen in Rom den fast ganz in Weiß gehaltenen Bau entgegengesetzt. Auch hier inszeniert der Architekt ein Zusammenspiel aus Materie, Licht, Beton und Glas, die einen Dialog mit dem Firmament führen. (Text: arte)