Auf der Schulbank erobert sich der Mensch idealerweise die Freiheit. Schon Sokrates wusste, dass Unterrichten etwas mit dem Befördern eigener Gedanken zu tun hat. Er verglich das Vermitteln von Philosophie mit der Hebammenkunst: Unterrichten war für ihn die Kunst, Gedanken zur Welt zu bringen. Neugier ist dabei eine Kardinaltugend des Lernenden, das betonte der Pädagoge und Philosoph Montaigne später. Gaston Bachelard erkannte, dass es allein das Fehlen von Fragen ist, das den Menschen im Irrtum gefangen hält. Die Schule hat also die Aufgabe, Wahrheiten erkennen zu lassen – mit dem Erlernen von Schreiben, Lesen und Rechnen und der Entdeckung von Literatur und Philosophie. Der Philosophieunterricht – in Frankreich fester Bestandteil des Lehrplans für die Abiturklasse – bietet den Schülern die einmalige Gelegenheit, über ihr Menschsein nachzudenken und zu begreifen, dass die Conditio humana ein gemeinsames Los ist. Aber wie kann man die Schüler in der Kollektivität zum individuellen Denken anregen, ohne sie dabei zu
langweilen? Oder ist Langeweile gerade die Voraussetzung dafür, dass ein Kind anfängt, selbstständig zu denken? Schopenhauer oder Blaise Pascale waren genau dieser Ansicht und definierten die Langeweile deshalb im positiven Sinne als Zerstreuung. Da sie im Idealfall die Befreiung des Bewusstseins fördern, sind der Unterricht und auch die Persönlichkeit des Lehrers von entscheidender Bedeutung. Erwähnung findet deshalb Vladimir Jankélévich, der Philosophie an verschiedenen französischen Universitäten lehrte und ein wunderbarer Lehrer war. Beim Unterrichten hielt er die Improvisation und das bildhafte Verfahren für unabdinglich. Carole Diamant, als Philosophielehrerin in der Oberstufe eines Gymnasiums im Pariser Vorort Saint-Ouen reich an Erfahrung, lüftet in der heutigen Sendung gemeinsam mit Raphaël Enthoven das Geheimnis um die Kunst des guten Unterrichtens. Diamant ist außerdem Autorin des Buches „Schule als vermintes Gelände“ („École, terrain miné“). Darin nimmt sie es mit jeder Hürde und Gefahr im Klassenzimmer auf. (Text: arte)