WDR-Rundfunkrat zeigt sich unzufrieden mit ARD-Programmreform
Talkshow-Flut, fehlende Spielfilmplätze, mangelhafte Nachwuchsförderung
Michael Brandes – 20.12.2010

Die neue Programmstruktur der ARD, die im Herbst 2011 in Kraft treten wird (fernsehserien.de berichtete), stößt nicht nur außerhalb des Senders auf wenig Gegenliebe. Die Kritik hält auch hausintern an. Bemängelt wird vor allem die Streichung des Doku-Sendeplatzes in der Primetime und die künftige Talkshow-Flut.
Position bezogen hat nun auch der WDR-Rundfunkrat. In einer ausführlichen Stellungnahme zu den Beschlüssen der Intendanten wird der einheitliche Beginn der „Tagesthemen“ um 22:15 Uhr ausdrücklich begrüßt. Dann jedoch folgt eine Reihe von Kritikpunkten. Zwar stehe die journalistische Qualität der fünf vorgesehenen Talkshow-Moderatoren außer Frage, jedoch bleibe der Rundfunkrat „bei seiner kritischen Haltung gegenüber fünf Gesprächsformaten“. Es sei zu bedauern, „dass die bis Herbst nächsten Jahres vorhandene Zeit nicht dafür genutzt wurde, grundsätzlich und ergebnisoffen über die Programmstruktur im Ersten zu diskutieren und dabei auch darüber nachzudenken, wie die Qualitäten der genannten Moderatorinnen und Moderatoren anders und möglicherweise besser eingesetzt werden können, ohne den Zuschauerinnen und Zuschauern an fünf Tagen in der Woche Talk, wenn auch in unterschiedlicher Form, anzubieten.“ Durch vorschnelle Entscheidungen sei hier eine Chance vertan worden. Nun gelte es, für die fünf Talkshows unterscheidbare Profile zu entwickeln und regelmäßige Absprachen zu treffen, um Themendoppelungen zu vermeiden und eine Vielfalt in der Gästeauswahl zu gewährleisten. Das neue Sendeschema solle „nach spätestens einem Jahr einer kritischen Überprüfung“ unterzogen werden.
Begrüßt wird der durch die Verlegung von „Hart aber fair“ auf den Montag eingeführte „Info“-Abend, der aus Natur-Reportage, Polittalk, „Tagesthemen“ und Spätabend-Doku bestehen wird. Jedoch bekräftigte der Rundfunkrat seine Auffassung, „dass auch zukünftig Platz im Ersten sein muss, für längere Dokumentationen, die sich nicht zwangsläufig in ein 45-Minuten-Format zwängen lassen.“ Ausgestrahlt werden sollten die zugesagten zwölf 90-Minuten-Dokus pro Jahr nach Ansicht des Rundfunkrats in der „talk-freien“ Zeit im Anschluss an die „Tagesthemen“, wodurch sie 45 Minuten früher als bisher im Programm platziert würden. Zudem „wäre wünschenswert, den Montagssendeplatz um 21:00 Uhr in den Sendepausen von ‚Hart aber fair‘ für anspruchsvolle Features und Dokumentationen zu nutzen.“
Bedauert wird, dass die neue Programmstruktur nicht genutzt wurde, um „einen eigenen, ständigen (Kino-)Spielfilmplatz neben dem Film-Mittwoch im Ersten zu etablieren. Gerade unter dem Gesichtspunkt der Programmverjüngung, wäre es ein gutes Signal gewesen, hier ein verlässlicheres Angebot zu schaffen.“ Vorgeschlagen wird, in den Sendepausen von „Hart aber fair“ die Sendestrecke ab 20:15 Uhr nicht nur für Dokumentationen, sondern auch für Spielfilme zu öffnen. Für Spielfilme ohne passende FSK-Freigabe müsse ein weiterer Sendeplatz gefunden werden, „ohne solche Filme in die Nachtstrecken zu ‚verbannen‘.“
Eine Verjüngung des Publikums solle auch in den Talkshows angestrebt werden. Hinsichtlich der Gästeauswahl gelte es, „auch jüngere Protagonisten einzubeziehen, um so auch den Belangen und Sichtweisen einer jüngeren Zielgruppe in den Gesprächssendungen eine Plattform zu bieten.“ Die Stellungnahme endet mit einem kleinen Seitenhieb auf die seit Jahren weitgehend ausbleibende Förderung junger Moderationstalente im eigenen Haus. So bittet der Rundfunkrat „vor dem Hintergrund der Verpflichtungen von Protagonisten der privaten Konkurrenz dringend darum, verstärkt eigene Nachwuchsförderung sowohl im Bereich der Unterhaltung, wie auch bei den journalistischen Formaten zu betreiben.“
Kritik kam zuvor schon von den Rundfunkräten des BR und des MDR: „Der künftige einheitliche Sendetermin der ‚Tagesthemen‘ ist zwar zu begrüßen, nicht widerspruchslos hingenommen werden können jedoch die Ballung von Gesprächssendungen sowie die Aufgabe des bisherigen Sendeplatzes für Dokumentationen am Montag um 21:00 Uhr“, hieß es in gleichlautenden Erklärungen (fernsehserien.de berichtete).