‚Und das ist gut so‘

Schwule US-Autoren – smarte Serien

Jutta Zniva – 14.05.2005

Amerikanische Fernsehkritiker notieren zur Zeit zwei spannende Phänomene in der TV-Landschaft: Erstens freut man sich angesichts smarter Unterhaltung wie in „Six Feet Under“ oder „Desperate Housewives“ über so viel Qualität wie schon lange nicht mehr. Zweitens stammen nicht wenige Produktionen, die das anspruchsvolle Serien-Fernsehen aktuell zu großer Blüte treiben, aus der Feder einer Handvoll schwuler Autoren.

Der Journalist Steven Johnson vertritt in seinem jüngst erschienenen Buch „Everything Bad is Good For You“ die – gut nachvollziehbare – These, dass gerade die neuen Unterhaltungsserien in den USA sehr komplexe Handlungsstrukturen aufweisen und ihre Zuseher geistig herausfordern. Beispiel: Um etwa eine Folge der Serie „24“ zu verstehen, müsse man schon sehr aufmerksam sein, kombinieren, Schlüsse ziehen (und verwerfen) und sich anstrengen, den sich ständig verändernden Beziehungen der Figuren zu folgen. Das ist mehr als seichte Berieselung und das Gegenteil von Verdummung des Couch Potatoes durch Junk-TV. Das ist – auf gut Deutsch – auch etwas anderes als „GZSZ“ und „Verliebt in Berlin“, oder?

Dass die außerordentlich erfolgreichen und smarten Serien wie „Nip/​Tuck“, „Six Feet Under“ und „Desperate Housewives“ von (bekennend) homosexuellen Drehbuchautoren stammen, fällt Nina Rehfeld im Kölner Stadtanzeiger als erstaunliche Entwicklung auf. Gründet sich doch der Erfolg und das Faszinierende dieser Serien ausgerechnet auf die scharfsinnige Porträtierung ideeller heterosexueller Lebenswelten: „In allen drei Serien“, schreibt Rehfeld, „werden die Protagonisten mit ihren Neurosen und anderen Unzulänglichkeiten ganz und gar ernst genommen. Sie sind weder strahlende Helden noch traurige Clowns, sondern in einer komplizierten Welt um Respekt ringende Menschen. Gerade das macht die Serien so irritierend anziehend: Gleich unter der Oberfläche flotter Unterhaltung graben sie nach wahren Zustandsbeschreibungen der amerikanischen Gesellschaft.“

Homosexuelle Autoren haben durch eigenen Erfahrungen einen geschärften Blick für so manche Leiche im Keller der heterosexuellen Welt: „Wenn man schwul aufwächst“, sagte Alan Ball (Erfinder von „Six Feet Under“, Oscar für „American Beauty“) „schluckt man die Mythen der Popkultur nicht einfach, weil man weiß, dass sie für einen selbst nicht stimmen.“ ABC-Programmchef Steve McPherson reagierte angesichts des unglaublichen Erfolgs von „Desperate Housewives“ (Drehbuchautor Marc Cherry, bekennend schwul) clever und souverän: „Wenn Homosexualität solches Talent verleiht, dann werde ich schwul.“

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am via tvforen.de

    Sie hören die Ansage:

    Ich wünsche mir dass mehr Kraftsportler Serien schreiben, die dann verfilmt werden. Der Vorteil läge auf der nervigen Hand: Serien mit Schmackes und Hauruck.
    • am via tvforen.de

      Aber eigentlich waren ja schon von Anbeginn der Zeit immer fast alle großen Autoren auch ein bißchen schwul, oder (auch wenn man nicht immer offen damit umgegangen ist)? So gesehen ist die neue Erkenntnis nichts weiter als die, dass dies auch und immernoch für Serien-Schriftsteller gilt - es ist IMHO also kein Trend oder gar Zeiterscheinung sondern es ist - ähm - einfach so!
      • am via tvforen.de

        Ich würde noch etwas weiter gehen und einfach mal behaupten, dass ein guter Autor auch immer irgendwie ein Ausseiter sein muss, der (vielleicht auch unfreiwillig) seine Mitmenschen mit etwas Abstand sieht und deren kleine und große Macken in aller Deutlichkeit erkennt. Der gefeierte Sportheld oder die begehrte Schönheit an der Schule haben mit sich selbst genug zu tun - wie sollen sie also über andere schreiben? Warum sollten sie überhaupt schreiben, wenn sie stattdessen Karriere als Selbstdarsteller machen können? Wie sähe die Vorstellung eines Top-Managers von zwischenmenschlichen Beziehungen aus? Wer würde das gern lesen oder als Serie anschauen?

        Interessant finde ich auch schreibende Shooting-Stars, die schon mit dem ersten Roman in den Himmel ge-hype-t werden, plötzlich Geld und Fans und Aufmerksamkeit haben - und prompt schriftstellerisch gar nichts mehr gebacken bekommen. Nee, spannende Geschichten kann man nur erdenken, wenn man ein Kauz ist und das irgendwie auch bleibt...

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