„The Mandalorian“ trifft mit dem ersten Schuss – Review

„Star Wars“-Serie von Disney+ mit inhaltlich überzeugendem und fesselndem Auftakt

Bernd Krannich
Rezension von Bernd Krannich – 12.11.2019, 16:00 Uhr

„The Mandalorian“ – Bild: Disney+
„The Mandalorian“

Mit „The Mandalorian“ ist am Dienstag die erste Real-Serie zu „Star Wars“ an den Start gegangen, Disney+ in den Vereinigten Staaten hat die Serie beauftragt. Der Schritt kommt auch, nachdem die einzelnstehenden „A Star Wars Story“-Filme des Franchises – „Rogue One“ und „Solo“ – nicht den gewünschten Erfolg an den Kinokassen hatten. Die Leitung der neuen Serie wurde dem Ausnahme-Nerd und Marvel-Regisseur Jon Favreau übertragen, der mit dem ersten „Iron Man“-Film das Marvel Cinematic Universe auf die Beine stellen half. Auch mit der Auftaktfolge von „The Mandalorian“ weiß er zu gefallen und kann mit hohem Nostalgie-Faktor zahlreiche Altfans abholen.

Als vorweggenommenes Fazit kann man unumwunden festhalten, dass es Favreau einerseits gelingt, Altfans mit zahllosen nahtlos eingebauten Callbacks zufriedenzustellen sowie andererseits Neu- und Gelegenheitszuschauern genau das Wissen über die Charaktere und ihre Umgebung zu vermitteln, was zum Verständnis der Serie und ihrer Figuren notwendig ist. Zudem werden auch diejenigen, die die vorab veröffentlichten Trailer aufs Genaueste durchleuchtet haben, mit ein bis zwei größeren Enthüllungen überrascht. Die Auftaktfolge von „The Mandalorian“ weiß zu unterhalten und den Zuschauer spätestens mit dem Finale an den Haken zu bekommen. Von Vorteil dabei ist, dass „The Mandalorian“ sehr „seriell“ ist und sich etwa in der Pilotepisode nicht damit aufhalten muss, alle bereits vorab benannten Hauptfiguren einzuführen.

„The Mandalorian“ ist in einer Periode und Gegend der „Star Wars“-Galaxie angesiedelt, über die der Nur-Filme-Gucker vermutlich nicht allzuviel weiß – nach dem Fall des Galaktischen Imperiums von Imperator Palpatine und im Outer Rim, einer schlecht entwickelten und eher dünn besiedelten Region. Doch mit wenigen, gut gesetzten Szenen und Dialogen weiß Favreau die Zuschauer einzuführen in das Setting und seine Besonderheiten – und zu vermitteln, um was es für die Protagonisten geht. Fans, die auch Bücher und Comics zum „Star Wars“-Universum lesen, erkennen zwar weitere Hintergründe dargestellt, aber für den Seriengenuss dürften diese unwichtig sein: Wir befinden uns im Wilden Westen des Weltraums, die Staatsgewalt ist hier nicht präsent und Intelligenzen, die vor Gewalt – oder dem Gesetz – geflohen sind, haben sich hier versammelt.

Favreau hat die Szene in der Cantina aus „Star Wars: Episode IV – Eine neue Hoffnung“ als sein Leben prägendes Filmerlebnis bezeichnet – und so beginnt die Serie gleich mit zwei Versionen, bei denen sich Aliens in Kaschemmen tummeln.

In der ersten dieser beiden Szenen wird der Mandalorian eingeführt – der von Pedro Pascal gespielte, einstweilen namenlose Kopfgeldjäger in der klassischen (Kampf-)Rüstung seines Volkes, die durch die Figur Boba Fett in „Das Imperium schlägt zurück“ eingeführt wurde. Dessen Arbeit hat ihn auf einen eisigen Planeten geführt. Zunächst legt er sich in klassischer Western- und Revolverheld-Manier in der örtlichen Bar mit drei Mördern an, die gerade ausführlich dargelegt hatten, wie sie einen unschuldigen Barbesucher in seine – wertvollen – Körperteile zerlegen wollen. Nun sind die Möchtegern-Mörder tot. Während der Gerettete dem Mandalorian noch dankbar ist, enthüllt der, dass auf ihn ein Kopfgeld ausgesetzt ist – und dem Mandalorian egal ist, ob er ihn nun tot oder lebendig einfängt. Weiterer Informationsbrocken: Die klassischen Mandalorianer-Rüstungen bestehen aus mandalorischem Beskar-Stahl – der so wertvoll ist, dass mancher nur „gefälschte“ Rüstungen aus minderwertigem Material trägt. Der Wert von Beskar besteht unter anderem darin, dass eine Rüstung „kugelsicher“ gegen Blasterschüsse ist.

Der weitere Umgang des Mando mit seiner geschwätzigen Beute beleuchtet den Protagonisten als nicht gerade reichen Mann mit deutlichem Ehrenkodex – Droiden mag er nicht, und im Umgang mit der Beute ist er nicht unnötig brutal, aber auch nicht zimperlich. Daneben zeichnet ihn ein enormes Selbstbewusstsein und Vertrauen in seine Fähigkeiten aus.

Carl Weathers als Greef Carga, der Vorsteher der „örtlichen“ Kopfgeldjäger-Gilde.


Beim Abliefern der Beute an den Vorsteher seiner „Gilde“, Greef Carga (Carl Weathers), wird der nächste Brocken Exposition auf den Zuschauer losgelassen: Die Arbeit der Kopfgeldjäger ist aktuell nicht sonderlich einträglich. Das Imperium ist zwar gefallen, aber seine Zahlungsmittel werden immer noch akzeptiert – wenn auch der Mandalorian sich erneut als Sturrkopf erweist und lieber auf seine halbe Entlohnung verzichtet, als Imperiale Credits anzunehmen.

Im Kontrast dazu steht die kommende Szene, in der ein ungenannter Auftraggeber einen reichen Kopfgeld-Kontrakt außerhalb der üblichen Kanäle anbietet: Hierbei handelt es sich augenscheinlich um einen Ex-Imperialen (Werner Herzog), dessen Gang aus früheren Sturmtrupplern besteht. Der Klient macht dem Mandalorian ein Angebot, das dieser bei allem Hass auf das Imperium nicht ablehnen kann: Bezahlung in Beskar. Beskar, das ein Imperiales Logo trägt, also von den früheren Machthabern während der Besetzung von Mandalor geraubt wurde.

Der Klient (Werner Herzog) trägt stolz Insignien des gefallenen Imperialen Imperiums zur Schau.


Die erste große Überraschung liefert die Serie im Anschluss: Sie enthüllt, dass der Mandalorian keinesfalls der einsame Revolverheld ist, als den ihn die Trailer zur Serie darstellten. Zwar ist er eine Waise, gehört aber einer kleinen Enklave von Flüchtlingen seines Volkes auf diesem Planeten an und ordnet sich der dortigen – ebenfalls in Mandalorian-Rüstung herumlaufenden – Führerin mit großem Selbstverständnis unter. So liefert er etwa den von der Gilde erhaltenen Lohn ebenso ab, wie den Beskar-Vorschuss. Immerhin erhält er den größten Teil des Metalls als frisch geschmiedetes Schultersegment zurück, das fortan einen deutlichen Kontrast zu seiner ansonsten ramponierten Rüstung liefert.

Die Suche nach der Zielperson des Klienten formt die Charakterzüge des Mandalorian weiter aus, der sich auch gegenüber hilfreichen Fremden als rechtschaffener Zeitgenosse verhält. Gleiches gilt für den Kopfgeldjäger IG-11, der zeitgleich mit dem Mandalorian am Ziel auftaucht, um ebenfalls das Kopfgeld zu kassieren – obwohl der einer von diesen verhassten Droiden ist, einigt man sich auf gemeinsames Vorgehen: geteiltes Kopfgeld. Das Finale schließlich bringt in der Enthüllung der Person, auf die das Kopfgeld ausgesetzt ist, einen Cliffhanger, der für die meisten „Star Wars“-Kenner einen deutlichen Wow-Effekt bringt – und dafür sorgen dürfte, dass der Zuschauer auch in der nächsten Episode dran bleibt …

Die Schulter auf der linken Seite ist in ein brandneues Rüstungsstück aus Beskar gehüllt, der Rest ist noch recht verbeult.


Drei große Stilmittel prägen die Auftaktfolge von „The Mandalorian“ erfolgreich. Zunächst ist da das Western-Thema. Die Weite des unbewohnten Raums auf unterschiedlichen Planeten ebenso wie die Siedlungen und die zentralen Saloons, die Schießereien, das Vorherrschen des Rechts des Stärkeren bis hin zum Auftauchen einer Gatling-Gun erinnern an diverse Western.

Mehr als einmal wird der Mandalorian (Pedro Pascal) in ein Feuergefecht verwickelt.


Daneben versteht es das Drehbuch von Favreau, in den Dialogen enorm dicht die jeweilige Situation und Denkweise der Figuren zu transportieren und Informationsbrocken zu vermitteln, die nach und nach auch für den Neuling ein dichtes Bild ergeben – etwa indem Leute, die dem Mandalorian begegnen, äußern, dass diese gerüchteweise nie ihre Helme abnehmen oder dass es sich um ein Volk von Kriegern handelt (dem zugetraut wird, einen kleineren Grundbesitz im Alleingang zu erobern). Favreau betreibt bestes World-Building, also den Aufbau einer fiktiven Welt, bei der die Zuschauer aber die „Gesetzmäßigkeiten“ kennen lernen und wissen, was darin „normales“ Verhalten ist, und was ungewöhnlich ist, ein Bruch der Konventionen.

Und schließlich versteht es Favreau, seine Serie unaufdringlich mit vertrauten Elementen aus der Hochzeit von „Star Wars“ zu würzen, also der ersten Trilogie von „Eine neue Hoffnung“ bis „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“. Hier ein R2-Astromech, da ein Landspeeder, hier eine Reminiszenz an C-3POs Ankunft an Jabbas Palast und dort ein Bratenspieß, auf dem sich ein Kowakian monkey-lizard (die Spezies von Jabbas damaliges Haustier) dreht. „The Mandalorian“ setzt dabei auch eher auf „Masken“ denn CGI, um Aliens zu zeigen und setzt damit den Trend der neuen Trilogie fort, den J.J. Abrams mit „Star Wars: Das Erwachen der Macht“ begonnen hat. In Sachen „Nostalgie-Faktor“ erhöht Fareau den Einsatz sogar noch, da er eben stark auf etablierte Aliens setzt und diese gekonnt mit nur einer Prise neuer Spezies würzt.

IG-11 (gesprochen von Regisseur Taika Waititi, der etwa die „Thor“-Filme im MCU dreht.)


Insgesamt versteht die Auftaktepisode von „The Mandalorian“, Hardcore- und Gelegenheitsfans gleichermaßen gerecht zu werden – und das ist im „Star Wars“-Universum mit seiner mehr als 40-jährigen Geschichte alles andere als leicht. Auch komplette Neueinsteiger werden mit einer modernen Geschichte im Gesetzlosen-Milieu abgeholt, die Spannung, Humor und komplexe Charaktere in moralischen Grauzonen liefert. Dabei kann nicht genug gelobt werden, mit wie minimalistischen Methoden es Favreau gelungen ist, die über Jahrzehnte aufgebauten Strukturen, Geschehnisse und Klischees von „Star Wars“ zu nehmen und den Zuschauern das zu vermitteln, was sie davon für diese Geschichte und dieses Setting verstehen müssen.

„Konzipiert uns einen Alien, dem Nick Nolte die Stimme leihen wird!“


Bei allem Lob soll nicht verschwiegen werden, dass an der einen oder anderen Stelle kritisch nachgefragt werden kann, wie diese oder jene Situation nun zustande kommt (bedenkt man etwa die Mühen des Mandalorian auf dem Weg zu seiner Beute – wieso konnte IG-11 dort „einfach“ auftauchen?). Aber das gehört ja auch zu „Star Wars“.

Daneben gibt es im Seriengeschäft keine „eierlegende Wollmilch-Sau“: Der Serienpilot von „The Mandalorian“ unterhält und macht spätestens mit dem Cliffhanger Lust auf „sofort mehr davon“. Aber andere Serienpiloten entfesseln von Anfang an ein Feuerwerk – und erst in Folge zwei wird durchgeatmet. „The Mandalorian“ gehört also nicht zu den mitreißendsten Serienpiloten aller Zeiten – aber er legt ein grundsolides Fundament für eine spannende Staffel.

Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten Episode der Serie „The Mandalorian“.

Meine Wertung: 4,5/​5

Bernd Krannich
© Alle Bilder: Lucasfilm Ltd.

Die achtteilige Auftaktstaffel von „The Mandalorian“ wird ab dem 12. November in den USA bei Disney+ veröffentlicht. Eine zweite Staffel ist bereits in Arbeit. Der Streaming-Dienst startet in Deutschland am 31. März 2020.

Über den Autor

Bernd Krannich ist Jahrgang 1974 und erhielt die Liebe zu Fernsehserien quasi in die Wiege gelegt. Sein Vater war Fan früher Actionserien und technikbegeistert, Bernd verfiel den Serien spätestens mit Akte X, Das nächste Jahrhundert und Buffy. Mittlerweile verfolgt er das ganzes Serienspektrum von „The Americans“ über „Arrow“ bis „The Big Bang Theory“. Seit 2007 schreibt Bernd beruflich über vornehmlich amerikanische Fernsehserien, seit 2014 in der Newsredaktion von fernsehserien.de.

Lieblingsserien: Buffy – Im Bann der Dämonen, Frasier, Star Trek – Deep Space Nine

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • (geb. 1970) am

    Ich hoffe bald die Serie in Deutschland zu sehen.


    Rogue One und Solo ( schon mal den Fan Film auf YT gesehen? Mehr Ähnlichkeit mit dem Original) waren recht gut.


    SW7, 8 und 9 hoffe ich bald zu sehen. Das was D. da bisher abgeliefert hat, waren die schlechtesten Konzepte, meiner Meinung nach.


    Schade, das George Lucas nicht mehr selber was dazu gemacht hat, sondern an D. verkauft hat.


    Die Stimmung des "Star Wars" ist hin!
    Etwas hilft zwar Rogue One und Solo, etwas.


    The Mandalorian hat Potenzial, wenn es von einem wirklich Star Wars-Interessierten inszeniert wird!


    Ein paar Truppies oder Yoda-Puppe machen noch lang keinen Star Wars-Film, oder Oldies, die mal drin auftauchen.


    Leider ist man erst hinterher schlauer.
    • (geb. 1987) am

      Disney hat sich in letzter Zeit als ziemlich radikalpolitische Sekte entpuppt, die Freigeister ohne Warnung feuert und ächtet (Kurt Sutter, Roseanne, James Gunn [Guardians of the Galaxy], Benioff&Weiss [Star Wars] usw.). Insofern erwarte ich eine weichgespülte Serie, die denn Eiertanz wagen wird, junge Zuschauer durch billigen Humor zu erreichen und gleichzeitig den Trend zum Ernst in Erwachsenenserien zu bedienen.
      Obwohl ich nicht glaube, dass das lange gut geht, war ich doch über die beiden ersten Folgen überrascht. Keine Offenbarung - aber auch nicht schlecht.
      Schöne Bilder, gute Atmosphäre, einigermaßen spannende Story, passable Animationen.
      Die Musik versucht science-fictionhaft zu erscheinen und wirkt wie eine lachhafte Mischung aus Planet der Affen und Rocky. Ansonsten ist die Serie erstmal zu empfehlen.
      Disney hat also noch Zeit, das Ganze durch Politik mal wieder zu verbocken.
      • am

        Wir hatten gestern Gelegenheit die Pilotepisode zu sichten. Schlecht ist der Pilot nicht gewesen, obwohl es Szenen gab, die ohne die musikalische Untermalung nicht die gewünschte Stimmung transportieren konnten. Das lag sowohl an den Schauspielern, und den teils holprigen Dialogen, als auch an der fehlenden Mimik des Mandalorians, der seinen Helm ja nicht abgelegt hat und man einfach nichts sieht.


        Die CGI empfand ich nicht als State of the Art, aber da kann man bei einer Serie darüber hinwegsehen. Hätte Disney da ein bisschen mehr Geld ausgegeben, wäre das aber ein Plus gewesen.


        Insgesamt fand ich den Piloten ordentlich, aber keinesfalls so packend, dass ich die Serie nun unbedingt sehen MUSS. Ein Grund deswegen Disney+ zu buchen, ist sie jedenfalls nicht. Und da ich von Star Wars bis auf die animierten Sachen alles schon gesehen habe und bei den Familienfilmen von Disney das große Kotzen kriege, habe ich dazu erst Recht keinen Grund. Die interessanten Marvel-Serien wurden eingestellt (Netflix) und die "Agents of Shield" kann man anderweitig sehen. Die Marvel-Filme sind inszenatorisch eh alle auf 3D-Effekte ausgelegt, weshalb man die besser im Kino sieht, also gibt es auch hierfür keinen Grund den Streaming-Dienst zu buchen.


        Ich gebe dem Piloten wohlwollend trotzdem 7/10, wobei ich der Serie einen Vertrauensvorschuss gewähre, weil die Piloten sehr oft noch nicht das Niveau der nachfolgenden Episoden haben. Das muss sich in der Produktion alles erst einpendeln.
        • (geb. 1970) am

          7/10 sieht ziemlich überbewertet aus, nach dem ich den Beitrag gelesen habe.


          3D-Modelle und Truppies machen halt noch keinen Star Wars Film.



          Sieht halt, Disney-Like halt nach versuchten schnell verdienten Geld aus. Was mir schon bei SWE7 und 8 auffliel, gefolgt jetzt von Episode 9.
          Beispiel: Thema Macht. Da k... jeder Rollenspieler!
          Egal, Filme müssen ja nichts mit der Literatur zu tun habe.
          Kennt man ja auch aus Buchverfilmungen. ;-)



          Werds wohl auch schauen, als Science-FictionFilm mit zufälligen Elementen aus SW.
          Falls das mal in Deutschland gezeigt wird.
      • am

        8/10 ist ja Mal eine Hausnummer! Da bin ich Mal gespannt, ob und wo ich die Serie sehen kann. Die Iron Man Filme fand ich allerdings allesamt grottenschlecht...

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