„The First“: Sean Penns Reise zum Mars entpuppt sich als Mogelpackung – Review
Prestigeprojekt bleibt oberflächlich, uninspiriert und zähflüssig
Rezension von Marcus Kirzynowski – 25.09.2018, 17:30 Uhr
Das Fazit vorweg: „The First“ ist die größte Mogelpackung der Seriensaison. Was die Marketingabteilung des US-Streamingdienstes Hulu getrieben hat, die Eigenproduktion als Science-Fiction-Serie anzupreisen, ist zumindest nach Ansehen der ersten drei Folgen fast genauso unklar wie die Frage, was den Menschen auf dem Mars erwartet. „The First folgt der ersten bemannten Mission zum Mars“, so lautete die Ankündigung. Wie sich jetzt, wo die komplette Debütstaffel auf einen Schlag vorliegt, herausstellt, ist damit jedoch keineswegs gemeint, dass wir die Astronauten darin auch wirklich auf ihrem Weg durchs Weltall zum Roten Planeten begleiten. Vielmehr geht es lediglich um den Weg bis zum Start. Und der gestaltet sich dermaßen langsam, dass die acht Folgen für die meisten Zuschauer zur Geduldsprobe werden dürften.
Dabei beginnt die Auftaktfolge noch vielversprechend: Es steht nämlich tatsächlich der Start der ersten Mars-Mission Providence 1 unmittelbar bevor. Tom Hagerty (Weltstar Sean Penn, „Mystic River“), ein erfahrener Astronaut und Veteran einer Mondlandemission, muss den Raketenlaunch auf dem heimischen Fernseher verfolgen. Ursprünglich war er als Kommandant auserkoren, aus Gründen, die zunächst ungenannt bleiben, wurde er aber ausgebootet. Immerhin gesteht man ihm zu, kurz vor dem Start per Funk den bereits in Position gebrachten ehemaligen Crewkollegen Mut zuzusprechen. Doch dann geschieht das Unvorstellbare: Wenige Sekunden nach dem Abheben explodiert die Rakete wie dereinst die Challenger. Die fünf Astronauten sind tot, der Traum der Raumfahrtcommunity vom Vorstoßen in Bereiche, die noch nie ein Mensch zuvor betreten hat, scheint für längere Zeit zerplatzt.
Ganz so lange dauert es dann zwar doch nicht, bis eine neue Mission geplant wird, zunächst einmal ist aber Krisenbewältigung angesagt. So schwingt der bis eben noch verbitterte Hagerty seinen Hintern von der Couch und eilt zum Weltraumbahnhof, wo eigentlich die Unternehmensleitung um Laz Ingram (Natascha McElhone, „Californication“), Vorstandschefin des kommerziellen Raumfahrtkonzerns Vista, mit den Angehörigen der Astronauten den geglückten Start feiern wollte. Professionell und sensibel zugleich übernimmt der Überlebende das Ruder, tröstet die am Boden zerstörten Lebenspartner und Verwandten seiner Kollegen, während Ingram sich schwer tut, den richtigen Ton zu treffen. Einmal mehr bewährt er sich damit als echte Führungspersönlichkeit. Die zweite Episode beschäftigt sich vor allem mit der Ursachenforschung der Katastrophe sowie den politischen Bemühungen, US-Kongress und Öffentlichkeit von der Sinnhaftigkeit einer Nachfolgemission zu überzeugen. Daneben geraten die privaten Probleme Hagertys stärker in den Fokus, repräsentiert vor allem durch seine schon erwachsene Tochter Denise (Anna Jacoby-Heron, „Finding Carter“), die nach längerer Zeit plötzlich wieder vor seiner Haustür steht und einziehen will.
Was für ein verschenktes Potential. Statt kühner Reisen zu fernen Planeten, wie im Vorfeld versprochen, servieren uns die Autoren quälend langatmige und furchtbar unispirierte Dialoge über zurückliegende Drogenprobleme und längst verstorbene Ehefrauen. Die Figuren bleiben dabei so blass, dass auch ein Spitzenschauspieler wie Sean Penn mit seinem inzwischen reichlich verknautschten Gesicht dem Helden keine Individualität verleihen kann. Natascha McElhone darf einmal mehr die kühle Blonde geben, die hier mehr an ihrem persönlichen Erfolg interessiert scheint als an der körperlichen Unversehrtheit ihrer Untergebenen. So wie sich Willimon bei „House of Cards“ nicht besonders für Politik interessierte, dient ihm auch das Raumfahrtthema letztlich nur als Aufhänger für ein Charakterdrama, das aber leider weder faszinierende oder wenigstens zur Identifikation einladende Charaktere noch Dramatik zu bieten hat.
Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten drei Episoden der Serie „The First“.
Marcus Kirzynowski
© Alle Bilder: Hulu/Paul Schrimaldi
Der amerikanische Streamingdienst Hulu hat die achtteilige erste Staffel von „The First“ in den USA am 14. September 2018 veröffentlicht, in Großbritannien wird Channel 4 die Serie ausstrahlen. Ein deutsche Senderheimat ist noch nicht bekannt.
Über den Autor
Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit „Ein Colt für alle Fälle“, „Dallas“ und „L.A. Law“ auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für fernsehserien.de und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.
Lieblingsserien: Six Feet Under, Emergency Room, The West Wing
Kommentare zu dieser Newsmeldung
Romplayer (geb. 1988) am
Interessant. In dieser Kritik wird kein einziges gutes Wort zur Serie gesagt, außer dass der Anfang gelungen ist.
Und dann stehen am Ende... 2,5 von 5 Sternen.
Also die Bewertung hätte ich gerne noch erklärt bekommen vom Autor! Wenn man nichts an der Serie gut findet (oder zumindest nichts davon in seine Kritik schreibt), dann sollte man nicht mehr als 2 Sterne geben.