„Succession“: HBO gelingt pointiertes Familiendrama in der Welt des Big-Business – Review

Gut aufgelegtes Ensemble kämpft um die Macht über einen Medien-Megakonzern

Marcus Kirzynowski
Rezension von Marcus Kirzynowski – 14.06.2018, 17:30 Uhr

Die Familie Roy in „Succession“: (v.l) der zweitälteste Sohn Kendall (Jeremy Strong), „Sohn drei“ Roman (Kieran Culkin), Patriarch Logan (Brian Cox), „Nesthäckchen“ Shiv (Sarah Snook) und der außen stehende Erstgeborene Connor (Alan Ruck) – Bild: HBO
Die Familie Roy in „Succession“: (v.l) der zweitälteste Sohn Kendall (Jeremy Strong), „Sohn drei“ Roman (Kieran Culkin), Patriarch Logan (Brian Cox), „Nesthäckchen“ Shiv (Sarah Snook) und der außen stehende Erstgeborene Connor (Alan Ruck)

Familiengeführte Medienkonzerne sind ein faszinierender Fall für sich. Erinnert sich noch jemand an Konstantin Neven DuMont? Der zerstritt sich vor einigen Jahren durch öffentlich geäußerte Kritik am eigenen Unternehmen mit seinem Vater und wurde aus der Leitung des Kölner Verlagshauses DuMont Schauberg abberufen. Spätestens, wenn es um die eher früher als später anstehende Nachfolge des Patriarchen geht, können familiäre Bande manchmal sogar konfliktfördernd sein. Davon erzählt die neue HBO-Dramaserie „Succession“ (auf Deutsch: Nachfolge), die allerdings nicht in Köln spielt, sondern im ungleich mondäneren New York.

Im Mittelpunkt steht die Familie Roy, die einen der größten Medien- und Unterhaltungskonzerne der Welt führt, zu dem neben Zeitungen und Fernsehsendern auch Freizeitparks gehören (Disney lässt grüßen). Eigentlich war schon alles weitgehend geregelt: Logan Roy (Brian Cox), der Gründer und Patriarch, wollte das Zepter an seinen zweitältesten Sohn Kendall (Jeremy Strong) weiterreichen und sich in den (Vor-)Ruhestand verabschieden. Doch ausgerechnet an seinem 80. Geburtstag teilt das knurrige Familienoberhaupt seinem Sprössling mit, dass er die Machtübergabe auf unbestimmte Zeit verschieben und erst mal selbst an der Spitze bleiben will. Von seinem ehrgeizigen Sohn scheint er nicht allzu viel zu halten, ist der doch trockener Alkoholiker und wirkt in den Augen des Vaters zu weich und schwach für die Leitung eines solch wichtigen Unternehmens. Ganz anders als er selbst, der permanent den harten, emotionslosen Hund gibt, allerdings seine besten Zeiten schon längst hinter sich hat. So scheinen sich erste Anzeichen von Demenz zu zeigen, manchmal redet Logan auch einfach mit sich selbst.

Kendall, der die Zurücksetzung nicht einfach so hinnehmen will, versucht nun, den Alten seinerseits abzuservieren. Dabei fallen ihm aber seine jüngeren Geschwister in den Rücken, die ebenfalls ihre eigenen Agenden verfolgen. Der jüngere Bruder Roman (Kieran Culkin) sieht im Grunde sich selbst als idealen Nachfolger, obwohl er wenig bis gar keine Leitungserfahrung hat, genießt es aber vor allem, seinen Bruder zu triezen. Und Shiv (Sarah Snook), die einzige Tochter, weiß wohl selbst nicht so genau, was sie will, außer ihren Teil vom Kuchen abzubekommen. Welche Rolle die Mutter, Logans Ehefrau Marcy (Hiam Abbass), bei all dem spielen möchte, bleibt vorerst noch unklar. Die Konflikte eskalieren, als Logan am Ende der Pilotfolge im Hubschrauber kollabiert und die Nachfolgefrage dadurch plötzlich akut wird.

Mann der alten Schule: Familienpatriarch Logan Roy (Brian Cox)
Mit „Succession“ bleibt sich Premiumsender HBO treu und präsentiert nach dem bei Zuschauern und Kritik weitgehend durchgefallenen „Here and Now“ bereits das zweite neue Familiendrama innerhalb weniger Monate. Und auch die Roys sind natürlich wieder herrlich dysfunktional, sonst würde es ja – für die Zuschauer – viel weniger Spaß machen. Dabei handelt es sich formal natürlich um eine Dramaserie, durch die übertrieben wirkenden Sticheleien zwischen den verschiedenen Familienmitgliedern kann man sich aber des Öfteren ein Schmunzeln nicht verkneifen. Ein bisschen lösen diese ebenso reichen wie unglücklichen Roys das gleiche Gefühl aus wie die Ewings in „Dallas“: Hinter all dem Glanz und Glitter sind es im Grunde arme Witzfiguren, mit denen man als Zuschauer auf keinen Fall tauschen möchte. Aber ihnen bei ihren Intrigen zuzusehen ist gerade deshalb höchst vergnüglich. Die Kehrseite dieses soapigen Ansatzes ist, dass die Figuren noch wenig ausdifferenziert sind, eher Chiffren mit jeweils ein bis zwei Eigenschaften (der sture Vater, der ambitionierte, aber ängstliche ältere Sohn, der unbeschwerte jüngere, etc.) als vielschichtige Charaktere. Das sollte sich schon noch ändern, wenn die Serie dauerhaft fesseln will.

Was von Anfang an schon stimmt, ist das Tempo. Anders als in vielen anderen HBO-Dramen ist das hier nicht getragen, sondern geht gleich in die Vollen: So reißt die Spannung bis zum Ende der jeweils rund einstündigen Folgen nicht ab. Dass sie sich auf pointierte Dialoge verstehen, haben Serienschöpfer Jesse Armstrong, der den Piloten geschrieben hat, und Tony Roche, von dem Folge 2 stammt, wiederholt bewiesen. Beide gehörten zum Autorenteam der britischen Politsatire „The Thick of It“, letzterer auch zu dem des US-Pendants „Veep“. Auch Pilot-Regisseur und Executive Producer Adam McKay kommt aus dem Comedyfach, war Chefautor beim Sketchshow-Klassiker „Saturday Night Live“ und arbeitete oft mit Comedian Will Ferrell zusammen, der auch hier als Produzent an Bord ist. Interessant ist das schon, wie ein Team von Comedyautoren eine Dramaserie an den Start bringt. Ganz fachfremd ist aber zumindest McKay nicht, der sich dem Thema Big Business und dessen Verwerfungen bereits in seinem Kinofilm „The Big Short“ über die Finanzkrise angenommen und dafür einen Drehbuchoscar bekommen hat. Auch die Schauspieler überzeugen durchgehend. Aus dem Ensemble stechen besonders der Schotte Brian Cox und Jeremy Strong als eigentlicher Hauptdarsteller hervor.
Drei „Königs-„Kinder: Der Erstgeborene Connor Roy (Alan Ruck) hat mit dem Familienimperium eigentlich nichts am Hut, philosophiert mit seinen Halbgeschwistern Roman (Kieran Culkin) und Shiv (Sarah Snook)
Was die beiden Auftaktfolgen zusätzlich interessant macht, ist der dramaturgische Aufbau. Beide Episoden sind zeitlich und räumlich stark verdichtet: Während der Pilot sich rund um die Geburtstagsfeier abspielt, beschränkt sich Folge 2 auf die Nacht danach und verlässt das Krankenhaus nur für die Szenen, in denen ein Außenseiter der Familie in Logans Stadtwohnung geschickt wird, um Puschen und Papiere zu holen – was sich komplizierter gestaltet, als es sich anhört. Denn dieser zufällig in das ganze Chaos gestolperte Cousin Greg (Nicholas Braun) ist quasi der comic relief der ohnehin schon recht witzigen Serie, da er sich als großer Pechvogel entpuppt. Er ist der Großneffe des Patriarchen und passt als ebenso mittel- wie argloser entfernter Verwandter überhaupt nicht in diese Welt des großen Geldes und der kleinen Intrigen. Durch seine Augen nehmen wir als Zuschauer diese Gesellschaftschicht noch deutlicher als das wahr, was sie ist: faszinierend, aber im Grunde bizarr. Kein schlechtes Setting für eine Serie, die das Genre (Upper-Class-)Familiendrama nicht neu erfindet, aber handwerklich makellos und höchst unterhaltsam variiert.

Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten zwei Episoden der Serie „Succession“.

Meine Wertung: 4/​5


Marcus Kirzynowski
© Alle Bilder: HBO


„Succession“ wird seit dem 4. Juni 2018 in den USA durch HBO ausgestrahlt. In Deutschland ist die Serie parallel zur US-Premiere zunächst im Originalton über die digitalen Verbreitungswege von Sky – Sky on Demand, Sky Go und Sky Ticket – zu sehen. Ab dem 27. Juli 2018 folgt die lineare Ausstrahlung bei Sky Atlantic HD. Dann wird auch parallel die deutsche Synchronfassung über die genannten digitalen Verbreitungswege verfügbar. Zusätzlich zur zehnteiligen Auftaktstaffel hat HBO bereits eine zweite Staffel beauftragt.

Über den Autor

Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit „Ein Colt für alle Fälle“, „Dallas“ und „L.A. Law“ auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für fernsehserien.de und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Emergency Room, The West Wing

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • (geb. 1967) am

    Klasse Serie!
    • (geb. 1967) am

      Sone Serie mit Spannung..??? Ok, dann ist das Ding ja mal einen Blick wert!

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