„Friends: The Reunion“: Fanservice und Freudentränen – Review

Das Treffen der Sitcom-Stars macht gute Laune – echte Neuigkeiten gibt’s aber nicht

Gian-Philip Andreas
Rezension von Gian-Philip Andreas – 28.05.2021, 14:00 Uhr

Da sind sie wieder, die Friends: 17 Jahre nach der letzten Klappe. – Bild: Sky
Da sind sie wieder, die Friends: 17 Jahre nach der letzten Klappe.

Anderthalb Jahre mussten die Fans warten, aber jetzt ist sie da: die lange angekündigte, wegen Corona zweimal verschobene Reunion der „Friends“-Stars. 17 Jahre nach der letzten Folge der epochemachenden Sitcom kommen Jennifer Aniston, Courteney Cox, Lisa Kudrow, Matt LeBlanc, Matthew Perry und David Schwimmer, heute allesamt Ü50, in den alten Studiokulissen zusammen, um in Erinnerungen an damals zu schwelgen. Das kommt nicht ohne Tränen der Rührung aus, funktioniert als Fanservice ideal und unterhält blendend. Wirklich Neues fördert das retroselige Special allerdings nicht zutage.

Man hatte ja durchaus Grund, skeptisch zu sein. Die „Reunion“ wurde schließlich im November 2019 angekündigt, also kurz nachdem bekannt geworden war, dass die nach wie vor ungebrochen erfolgreichen „Friends“-Episoden in den USA die Plattform wechseln würden – von Netflix zu HBO Max. Sollte das Special also vor allem als Starthilfe für den brandneuen Streamingdienst dienen und „Friends“-Fans zum Abschluss eines Abos animieren? Der Verdacht liegt nahe, auch wenn’s den alten und neuen Fans der Serie herzlich egal sein dürfte. Problematischer dagegen: Im Jahr 2020, während die „Friends“-Reunion pandemiebedingt auf Eis lag, sind vergleichbare Cast-Zusammenkünfte zum äußerst häufigen Vergnügen geworden. Kaum eine Kultserie (von „Frasier“ bis „Friday Night Lights“), kaum ein Kultfilm (von „Ferris macht blau“ bis „High School Musical“), deren mehr oder weniger gealterte Stars sich nicht via Zoom aus ihren Shutdown-Wohnungen meldeten, um mit ihren Ex-Kollegen launig zu plauschen. Reunion-Routine also, vielleicht sogar Überdruss?

Zwei Dinge stehen dem entgegen. Erstens ist „Friends“ eben „Friends“, also die Zeitgeist-Sitcom der Bill-Clinton-Ära, an der kaum jemand, der heute etwa Mitte dreißig bis Mitte vierzig ist, zu jener Zeit vorbeikommen konnte (was selbst für jene gilt, die vorgaben, rein gar nichts mit der Serie anfangen zu können). 236 Folgen in zehn Staffeln zwischen 1994 und 2004, dafür gab’s 62 Emmy-Nominierungen, der Titelsong von den Rembrandts – I’ll Be There for You – sorgt bis heute im Radio für Mitpfeiflaune. Keine Serienfolge der Nullerjahre hatte mehr Zuschauer als das „Friends“-Finale, schon allein, weil alle wissen wollten, ob Ross und Rachel nach ihrem dekadenlangen Will-they-won’t-they-Theater doch noch zueinanderfinden würden. Vor allem aber war „Friends“ keine um einen zugkräftigen Star herumgebastelte Comedy, sondern ein tatsächliches Ensemble-Projekt, in dem alle sechs Hauptdarsteller gleiches Gewicht hatten. Das war damals tatsächlich neu.

Vor dem berühmten Springbrunnen: Jennifer Aniston, Courteney Cox, Matthew Perry, Lisa Kudrow, David Schwimmer und Matt LeBlanc. Sky

Zweitens scheint man bei HBO Max entschlossen zu sein, solche Zusammentreffen tatsächlich zu Events von eigenem Wert zu machen. Die „Friends“-Reunion dauert dementsprechend ganze 104 Minuten und besteht zum Glück nicht nur aus fröhlichem Skype-Geplauder aus unterschiedlich geschmackvoll eingerichteten Wohnzimmern heraus. Regisseur Ben Winston („Carpool Karaoke“) kompilierte einen flott montierten, sich nirgends allzu lang aufhaltenden Mix aus Talkshow, Doku, Promi-Einspielern und Blooper Reel. In die analytische Tiefe geht es so gut wie gar nicht, doch was von Anfang an deutlich wird, ist die innige Verbundenheit der sechs Stars miteinander – und die Bedeutung, die diese zehn Sitcom-Jahre für ihr Leben hatten. Was an „Friends“ ja immer am meisten gelobt wurde, waren das starke komödiantische Timing von Aniston & Co. sowie die spürbare Chemie der sechs Stars miteinander. So glaubt man es ihnen gern, wenn sie nun bekräftigen, dass sich ihre tiefe Freundschaft auch nach der „Friends“-Zeit erhalten habe.

Ein Zusammentreffen am Ort des Geschehens, der „Stage 24“ auf dem Gelände der Warner-Bros.-Studios in Burbank, Kalifornien, steht im Mittelpunkt der „Reunion“. Zu Beginn trudeln die Schauspieler nacheinander in den originalgetreu wieder hergerichteten Kulissen der Serie ein, zuerst David Schwimmer, zum Schluss Matthew Perry. Die ersten Tränen fließen da bereits, Anekdoten fliegen hin und her, und es ist frappierend, wie sehr die Stars, denen immer noch jährlich 20 Millionen Dollar Tantiemen pro Person aufs Konto fließen, sofort ans Wesen ihrer damaligen Figuren anknüpfen: Der sympathisch in die Breite gegangene Matt LeBlanc witzelt albern herum wie weiland Joey, Matthew Perry neigt immer noch zum sarkastischem Witz von Chandler (an seinen frisch gebleachten Zähnen könnten die Kameraleute übrigens den Weißabgleich vornehmen) – und so weiter. Man erahnt, wie sehr die Autoren die Persönlichkeit der sechs Schauspieler damals nach und nach in die Figuren haben einfließen lassen. Halb ehrfürchtig, halb nostalgisch gestimmt durchwandern die Friends ihr altes Set, und fast erschrickt man, wenn die Kamera die vierte Wand durchbricht und aus der Guckkastenbühne heraus auch den Rest des Studios in den Blick nimmt. Die Szenen, in denen der Cast einfach nur auf dem Sofa des „Central Perk“-Cafés oder in Monicas Apartment sitzt und miteinander quatscht, sind die schönsten dieses Specials, erst recht, wenn sie dann am alten Ort eine Neuauflage des folgenschweren Quiz’ aus der Folge „The One With The Embryos“ (Staffel 4) beginnen oder alte Hinter-den-Kulissen-Szenen vorgespielt bekommen – etwa von einem folgenschweren Unfall, den sich LeBlanc einmal im Wohnzimmer-Set zuzog.

Quizshow im Wohnzimmer: David Schwimmer moderiert, Matt LeBlanc ertastet Joeys Hand-Double. Sky

Den größten Teil des Specials nimmt eine pandemiegerecht aufgezogene Outdoor-Talkshow ein – mit James Corden als Moderator. Bejubelt von einem (COVID-getesteten) Live-Publikum nehmen die Stars vor dem ikonischen Springbrunnen aus der „Friends“-Titelsequenz Platz, es gibt ein bisschen Smalltalk, dessen größte „Enthüllung“ eigentlich nicht gespoilert werden kann. Denn dass sich David Schwimmer und Jennifer Aniston, wie ihre Figuren Ross und Rachel, vor allem zu Beginn der Serie stark zueinander hingezogen fühlten, blieb nicht nur ihren Co-Stars kaum verborgen. Weil beide aber immer gerade dann liiert waren, wenn der andere es nicht war, kam es nie zu einer romantischen Beziehung – vielleicht war das ideal für die Serie.

Über deren Entstehungsgeschichte geben die drei treibenden Kräfte hinter „Friends“ Auskunft: die Serienerfinder Marta Kauffman und David Crane sowie Produzent und Regisseur Kevin S. Bright sprechen über die Genese ihrer Sitcom, über den schwierigen Casting-Prozess (Perry und Aniston mussten aus anderen Produktionen herausgelotst werden), den plötzlichen Erfolg oder über die Gags, die die Autoren während des Drehs immer wieder spontan änderten, wenn das Live-Publikum nicht wie gewünscht lachte. Diese Passagen präsentiert das Special in einem typischen Doku-Stil, mit der in solchen Produktionen etablierten Werbespot-Dudelmusik im Hintergrund. Eine weitere Ebene des Specials ist da wesentlich interessanter: Die älter gewordenen Stars finden sich zu sogenannten table reads (Leseproben) zusammen, um ein paar zentrale Szenen der Serie gemeinsam zu lesen – wobei die aktuelle Lesung mit den Sequenzen aus der Serie geschickt zusammenmontiert wird. Wie engagiert Lisa Kudrow etwa in den unvergesslichen Moment aus „The One Where Everybody Finds Out“ (Staffel 5) einsteigt, in dem Phoebe entgeistert beobachtet, wie sich Monica und Chandler miteinander vergnügen – das ist unglaublich komisch und ein guter Beleg dafür, wie sehr die Serienfiguren auch heute noch in ihren Darstellern stecken.

Ü50, aber noch immer auf Monicas Sofa: fünf der sechs Freunde (nur David Schwimmer ist nicht im Bild). Sky

Daneben streut das Special immer wieder Auftritte von Nebendarstellern der Serie ein. Tom Selleck (der mal Monicas Liebhaber spielte) schaut zum Beispiel ebenso vorbei wie Elliott Gould und Christina Pickles (als Monicas und Ross’ Eltern) oder Maggie Wheeler (Chandlers Ex-Freundin Janice mit ihrem meckernden Lachen). James Michael Tyler (der Café-Barista Gunther) lässt sich per Video zuschalten, auch Reese Witherspoon (die in zwei Episoden Rachels Schwester spielte) äußert sich. So schön das ist, so enttäuschend ist dann aber doch die Kürze dieser Auftritte: Viele von ihnen sind den Machern kaum mehr als einen Cameo-Moment wert. Wenn dann am Ende in einer Modenschau niemand Geringeres als Cindy Crawford, Cara Delevingne und Justin Bieber die skurrilsten Outfits der Serie präsentieren, ganz und gar wortlos, dann ist das vor allem ein leicht seltsames Gimmick.

Noch merkwürdiger ist nur die Riege der Promis, die in vorproduzierten Einspielern ihre Begeisterung für die Serie kundtun. Die Palette reicht da von David Beckham über die K-Popper von BTS bis Malala Yousafzai und wirkt vor allem sehr wahllos; fast geht dabei unter, dass auch Nicht-Prominente in aller Welt kurz darüber sprechen dürfen, wie wichtig die Serie für ihr Leben war. Dieser Blick in Länder wie Indien oder Ghana wirkt allerdings auch ein bisschen wie ein Ablenkungsmanöver, denn auf einen Vorwurf, der der Serie vor allem retrospektiv häufig gemacht worden ist, geht das Special ansonsten nicht ein: dass „Friends“ so undivers und heteronormativ sei, wie heute, ein Vierteljahrhundert später, keine Sitcom mehr konzipiert werden könnte. Toll ist allerdings der Auftritt von Lady Gaga, die mit Lisa Kudrow zusammen den Serien-Hit „Smelly Cat“ schmettert und der Schauspielerin danach dafür dankt, dass sie mit der Figur der Phoebe Buffay ein positives Rollenmodell geschaffen habe – für alle Nineties-Kids und Nachgeborenen, die sich irgendwie anders fühl(t)en als die anderen.

Einmal meckernd lachen: Moderator James Corden (l.) empfängt auch Janice-Darstellerin Maggie Wheeler (2.v.l.). Sky

Insgesamt präsentiert sich „Friends: The Reunion“ also als temporeich arrangierter Gemischtwarenladen, der trotz seiner Spielfilmlänge vieles nur kurz anreißt und vor allem immer dann, wenn er bloß alte Ausschnitte und lustige Outtakes aneinanderreiht, kaum größeren Erkenntnisgewinn bringt als ähnlich gelagerte Inhalte auf YouTube oder im Blu-ray-Bonusprogramm. Dennoch: Das Special macht gute Laune und wird eingefleischte Fans der Serie fraglos genau dort abholen, wo sie sich sowieso längst befinden. Vor lauter Wiedersehensfreude und gegenseitigen Wertschätzungsbekundungen wird da kein Auge trocken bleiben.

Wir waren damals wie eine Familie ist ein Spruch, den man schon von vielen langjährigen Serien-Casts gehört hat, der aber kaum je so viel Gültigkeit besessen haben dürfte wie im Fall von „Friends“. Die Serie handelt davon, wie unter Twenty-/​Thirtysomethings in der Großstadt der Freundeskreis die Kernfamilie ersetzt, und sie ist so konzipiert, dass sich die Zuschauer selbst so fühlen können, als stünden sie in einem freundschaftlichen Verhältnis zu den Protagonisten. Deren Darsteller aber spielen diese gegenseitige Zuneigung nicht nur, sie empfinden sie, so scheint es, tatsächlich. Dieses Tröstliche durchdringt auch die Reunion: They’ll Be There for You.

Meine Wertung: 3,5/​5

„Friends: The Reunion“ ist in der Originalfassung auf Sky Ticket und über Sky Q auf Abruf verfügbar. Am 29. Mai erfolgt um 20:15 Uhr die lineare Erstausstrahlung auf Sky One.

Über den Autor

Gian-Philip Andreas hat Kommunikationswissenschaft studiert und viel Zeit auf diversen Theaterbühnen verbracht. Seit 1997 schreibt er für Print und online vor allem über Film, Theater und Musik. Daneben arbeitet er als Sprecher (fürs Fernsehen) und freier Lektor (für Verlage). Für fernsehserien.de rezensiert er seit 2012 Serien. Die seiner Meinung nach beste jemals gedrehte Episode ist Twin Peaks S02E07 („Lonely Souls“) ­- gefolgt von The Sopranos S03E11 („Pine Barrens“), The Simpsons S08E23 („Homer’s Enemy“), Mad Men S04E07 („The Suitcase“), My So-Called Life S01E11 („Life of Brian“) und selbstredend Lindenstraße 507 („Laufpass“).

Lieblingsserien: Twin Peaks, Six Feet Under, Parks and Recreation

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am

    Was soll man auch mit jährlich 20 Millionen fürs Nixtun anstellen als sich die Zähne zu bleachen?
    Wenn man sich den Trailer in HD ansieht und im Kopf hat dass insbesondere die weiblichen Protagonisten 17 Jahre älter geworden sind und die meisten Ehen schon nach weniger als 10 Jahren scheitern, weil der Mann sich eine Jüngere sucht, dann weiß man auch wo bei denen die jährlichen 20 Millionen hin gehen. Die männlichen Darsteller lassen sich da schon eher gehen bzw. dem Zahn der Zeit freien Lauf und da hilft auch die beste Maske nicht mehr viel, aber war Schönheit und Jugend bei Männern jemals wichtig, wenn das Bankkonto stimmt? Ja, im Grunde auch nichts Neues.
    • (geb. 1971) am

      Nichts neues zu Tage gebracht.... Na ja, was habt ihr erwartet? Das war ja auch nie die Intentin des Ganzen. Die kleine Hoffnung auf eine richtige Reunion, denn das war ja eigentlich keine sondern lediglich ein simples Zusammentreffen der Protagonisten, ist glaub ich schon wider ausgelebt. Die meisten der "friends" verdienen sich in Hollywood & Co. mit ihren Projekten gute Gagen, die werden das nicht aufleben lassen. Ich glaube, das würde letztlich auch gar icht mehr funktionieren. Wie soll man das nach 15 Jahren dramaturgisch und von den Herstellercharaktären wider aufleben lassen? Schade, es bleibt einfach die Sehnsucht nach dem "damals und früher".

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