„DMZ“: Dystopischer Comicverfilmung fehlen Zeit und das besondere Etwas – Review

Rosario Dawson im zum Niemandsland verkommenen Manhattan

Rezension von Christopher Diekhaus – 22.03.2022, 18:42 Uhr

Alma Ortega (Rosario Dawson) wagt sich in „DMZ“ in das Niemandsland namens Manhattan. – Bild: HBO Max
Alma Ortega (Rosario Dawson) wagt sich in „DMZ“ in das Niemandsland namens Manhattan.

Mit voller Wucht brach im Frühjahr 2020 die Covid-19-Pandemie über die Welt herein und veränderte den Alltag der Menschen auf nicht für möglich gehaltene Weise. Ganze Branchen standen durch die verhängten Lockdowns plötzlich vor einer existenzbedrohenden Situation. Auch die Film- und Fernsehindustrie musste für einige Zeit runterfahren. Dreharbeiten wurden verschoben, Filmstarts verlegt und manche Projekte komplett gestrichen. Einschneidende Umwälzungen brachte der Corona-Schock nicht zuletzt für die von Warner Bros. in Auftrag gegebene Comicadaption „DMZ“ mit sich, die ursprünglich als langlaufendes Format angedacht war. Einige Aufnahmen entstanden noch vor den großen Schließungen Ende März 2020. Weiter ging es dann aber erst rund eineinhalb Jahre später – unter gänzlich anderen Vorzeichen. Die Pandemie und ihre Einschränkungen beim Dreh führten zu der Entscheidung, „DMZ“ nun lediglich als vierteilige Miniserie aufzulegen. Diesen Wechsel in der Konzeption spürt man der in den USA inzwischen veröffentlichten Produktion leider deutlich an.

Kennern der gleichnamigen Comicreihe von Brian Wood und Riccardo Burchielli, die zwischen 2005 und 2012 kontinuierlich anwuchs, dürften vom Start weg markante Änderungen auffallen. Die größte von allen: Mit Alma Ortega (Rosario Dawson) steht im Zentrum des Geschehens eine Figur, die im Ursprungsmaterial nur im Hintergrund auftaucht. Ist es in der Vorlage der Journalist Matthew „Matty“ Ross, über den wir in die titelgebende entmilitarisierte Zone eintauchen, die ein Zweiter Amerikanischer Bürgerkrieg in naher Zukunft im Herzen New Yorks hervorgebracht hat, betreten wir das von den feindlich gesinnten Blöcken der USA und der Free-States-Armeen eingeschlossene Manhattan in der Miniserie mit einer unerschrockenen Sanitäterin. Almas Motivation, in das von unterschiedlichen Banden und Fraktionen bevölkerte Niemandsland einzudringen, ist strikt persönlicher Natur. Beim Ausbruch des bewaffneten Konfliktes vor acht Jahren verlor sie während der Evakuierung des Big Apples ihren Sohn Christian (Bryan Gael Guzman) aus den Augen und hofft seitdem, ihn irgendwann wiederzufinden.

Die Macher rund um Schöpfer Roberto Patino („Westworld“, „The Bastard Executioner“) und Pilotfolgenregisseurin Ava DuVernay („When They See Us“) verlieren keine Zeit und schleudern den Betrachter schon nach wenigen Minuten in die ominöse Zone, in der es nicht gerade zimperlich zugehen soll. Ein Countdown, der anzeigt, wann Alma in ihre Welt zurückkehren muss, wird immer mal wieder eingeblendet. Druck oder Gefahr baut er allerdings nicht auf. Dafür sind die Einschübe zu willkürlich und sprunghaft. Das sich selbst überlassene Manhattan sieht so aus, wie wir es in dystopischen Erzählungen in Film und Fernsehen schon öfters gesehen haben: Die Flora ist auf dem Vormarsch. Wilde Tiere streifen umher. Und inmitten der angeschlagenen Zivilisation tummeln sich diverse Gruppen, deren Erscheinungsbild zum Teil betont archaisch anmutet.

In Rose (Mamie Gummer, links) findet Alma (Rosario Dawson, rechts) rasch eine Verbündete. HBO Max

Angesichts der Fülle an Untergangsgeschichten in den letzten Jahren fällt es schwer, visuell etwas besonders Originelles in „DMZ“ zu finden. Mittlerweile ist man den Apokalypse- bzw. Postapokalypse-Look so sehr gewohnt, dass einen nur noch wenig vom Hocker hauen kann. Ins Auge sticht nach Sichtung der ersten beiden Episoden auch der manchmal etwas klein wirkende Rahmen der präsentierten Story-Welt. Szenen wie die Evakuierung New Yorks sind keine epischen Massenaufläufe, sondern bringen eine überschaubare Zahl an Personen zusammen. Ähnliches gilt für die Versammlungen innerhalb der entmilitarisierten Zone. Wirklich vorhalten kann man den Verantwortlichen diesen Punkt freilich nicht. Wahrscheinlich waren sie einfach an Pandemieauflagen gebunden.

Wenn Optik und Szenenbild nicht das gewisse Etwas liefern können, sollte die Reise unserer Heldin umso packender und ergreifender sein. Grundsätzlich ist die Idee, eine Figur in ein gefährliches Sperrgebiet zu schicken, reizvoll. In John Carpenters Dystopie-Kracher „Die Klapperschlange“ von 1981 sorgt diese Prämisse zum Beispiel für reichlich Nervenkitzel. Almas Mission geht aber, zumindest in den Folgen eins und zwei, die Spannung ab. Zu schnell findet sie sich in der ihr fremdgewordenen Umgebung zurecht und muss nur wenige echte Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Die Ärztin Rose (Mamie Gummer) dient sich gleich als Vertraute an. Zu einem kleinen Jungen namens Odi Peerlis (Jordan Preston Carter) baut die Protagonistin rasch ein inniges Verhältnis auf. Und ihre Suche nach Christian fördert schon kurz nach ihrer Ankunft Ergebnisse zu Tage.

Ergebnisse, die Alma jedoch nicht schmecken. Ein größerer persönlicher Konflikt deutet sich an, zumal es ihr am Ende der zweiten Episode, wieder einmal sehr flott, gelingt, sich in den aktuellen Wahlkampf um das Amt des Gouverneurs der Zone einzumischen. Gegenüber stehen sich dabei der als betont väterlicher Volksversteher auftretende Gangboss Parco Delgado (geht lustvoll in seinem schmierigen Part auf: Benjamin Bratt) und Chinatown-Anführer Wilson Lin (Hoon Lee), der seinem Widersacher vorwirft, die Freiheit der Menschen in Manhattan beschneiden zu wollen. Eine wichtige Rolle könnte auch die zurückgezogen lebende Oona (Nora Dunn) spielen, die über die Wasserversorgung der DMZ herrscht. Populismus, Desinformation und Machtmissbrauch – das Ringen um die Herrschaft in der Zone greift Themen auf, denen man auch in der Realität ständig begegnet.

Was hat Gangboss Parco Delgado (Benjamin Bratt) vor, wenn er die Wahl gewinnt? HBO Max

Die Figurenkonstellation der Miniserie hat Reibungspotenzial. Bis zur Hälfte wird dies aber noch zu wenig ausgereizt. In einigen Passagen wirkt die Handlung seltsam fahrig. Und widerholt bekommt der Zuschauer in lieblosen Erklärdialogen Informationen über das Amerika nach dem Zweiten Bürgerkrieg vor die Füße geworfen. Konkret erlebbar werden die Auswüchse der skizzierten Zukunft hingegen zu selten – was sicherlich mit dem Eindampfen der Produktion auf vier Teile zusammenhängt. Interessant werden könnte in den letzten beiden Episoden allerdings noch die soziale Komponente. Handelt es sich bei den divers gecasteten Bewohnern der entmilitarisierten Zone doch um Außenseiter und Ausgestoßene, die das Niemandsland auch als einen Ort betrachten, an dem sie alte Unterdrückungsmechanismen hinter sich gelassen haben. Umso schlimmer, sollte Delgado wirklich ein neues Unrechtssystem errichten wollen.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten beiden von insgesamt vier Folgen der Miniserie „DMZ“.

Meine Wertung: 2,5/​5

Alle vier Episoden der Miniserie „DMZ“ wurden am 17. März 2022 auf HBO Max veröffentlicht.

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