„Die Klempnerin“: Sprüche klopfen mit der Brechstange – Review

Neue RTL-Serie versucht Spagat zwischen Crime und Comedy

Glenn Riedmeier
Rezension von Glenn Riedmeier – 11.02.2019, 19:10 Uhr

„Die Klempnerin“ mit Jan Kittmann und Yasmina Djaballah – Bild: MG RTL D / Frank Dicks
„Die Klempnerin“ mit Jan Kittmann und Yasmina Djaballah

Seitdem aus den USA nur noch wenig mainstreamtaugliche Serien ins lineare deutsche Fernsehen importiert werden, ist bei RTL die Serienoffensive ausgebrochen. Der Sender versucht seit geraumer Zeit, mit neuen, eigenproduzierten Stoffen die Zuschauer an sich zu binden. Dies gelang mit „Magda macht das schon!“ und „Sankt Maik“ recht gut, die meisten anderen Serien blieben hinter den Erwartungen zurück. Mit „Die Klempnerin“ steht nun der nächste Versuch in den Startlöchern, dessen Titel die Zuschauer allerdings ziemlich in die Irre führt.

Denn es geht in der Serie mitnichten um die Erlebnisse einer Fachfrau an der Rohrzange – vielmehr leitet sich der Sendungstitel vom umgangsprachlichen Begriff „Seelenklempnerin“ ab. Yasmina Djaballah (spielte in der finalen „Hinter Gittern – Der Frauenknast“-Staffel Katja Marnitz) verkörpert die Polizeipsychologin Mina Bäumer, die neu bei der Essener Polizei anfängt. Sie unterstützt die Ermittler auf äußerst unkonventionelle Weise bei deren Einsätzen und Kriminalfällen. Dabei geht Mina die Probleme ihrer „Klienten“ mit Empathie und Pragmatismus an – und muss sich gleichzeitig als Frau in der Männerdomäne durchsetzen.

Mina Bäumer (Yasmina Djaballah) nimmt Kontakt zur Frau auf dem Hochhausdach auf.

RTL bezeichnet „Die Klempnerin“ als „Crimedy“, also eine Mischung aus Crime- und Comedyserie. Dies macht sich unmittelbar in der Eröffnungsszene der ersten Folge bemerkbar. Eine verzweifelte Putzfrau (Malina Ebert) will sich das Leben nehmen und vom Hochhausdach springen. „Männer, Schweine, alle!“ schreit sie. Polizei und Feuerwehr sind bereits angerückt, konnten die Frau jedoch bislang nicht zum Umdenken bewegen. Dann trifft Mina Bäumer ein und ruft ihr per Megafon entgegen: „Haben Sie ’ne Minute oder ist es gerade schlecht? Ich komm mal hoch. Hier unten sind nur Deppen!“ Oben angekommen droht die Frau: „Ich springe!“, was Mina mit „Ja, würd ich auch, wenn ich hier auch immer alles die Treppen raufschleppen müsste“ erwidert. Mithilfe von nur wenigen Worten gelingt es ihr, die Frau umzustimmen. Sie versichert sich: „Haben Sie was an der Bandscheibe?“, nimmt die Frau an die Hand – und springt mit ihr gemeinsam zu den rockigen Klängen von Blurs „Song 2“ vom Dach in das von der Feuerwehr aufgespannte Sprungtuch. Mit den Worten „Keine Angst, das ist kein richtiger Mann, der geht morgen in den Mutterschutz“ übergibt sie die von Männern traumatisierte Frau anschließend an einen Kollegen. In diesem Prolog wird etabliert, welchen Ton die Serie anschlägt.

Anschließend lernen wir Mina etwas besser kennen. Die Psychologin wird nicht nur in ihrem Job gefordert, sondern auch von ihren zwei pubertierenden Kindern, die ihre Mutter ganz hip „Mom“ nennen. Die alleinerziehende Single-Mutter hat ihre Kinder allerdings voll im Griff und stets einen schlagfertigen Spruch auf Lager. „Hey, andere Mütter lassen sowas rahmen“, sagt Sohn Steve (Nico Ramon Kleemann) empört, als Mina seine Urkunde für Notizen missbraucht. „Ja, und andere Kinder bringen Pokale nach Hause“, antwortet sie trocken. An ihrem ersten Tag in der neuen Dienststelle in Essen lernt Mina ihren neuen Kollegen kennen: Der aus Berlin stammende Hauptkommissar Thomas Waldeck (gespielt von Jan Kittmann) trägt grundsätzlich keine Waffe, dafür einen Drei-Tage-Bart und eine coole Lederjacke – und ist eigentlich viel zu gutaussehend für diesen Job. Natürlich funkt es bereits beim ersten Aufeinandertreffen – und es sollte doch mit dem Teufel zugehen, wenn es im weiteren Verlauf der Serie bei einem rein beruflichen Verhältnis bleibt. „Nicht nur sexy, sondern auch ziemlich clever“, lobt Mina ihren neuen Kollegen – und schon am Ende der Pilotfolge holt Thomas sie zum Date ab, das eigentlich gar kein Date ist …

Der attraktive Hauptkommissar Thomas Waldeck (Jan Kittmann) hat ein Auge auf die Polizeipsychologin geworfen.

In ihrem ersten gemeinsamen Fall geht es um die Bankangestellte Simone Seidel (gespielt von Friederike Linke), die im Schalterraum überfallen wurde. Seitdem spricht die unter Schock stehende Frau kein Wort und hat sich in der Abstellkammer der Bank eingeschlossen. Mittels eines cleveren „psychologischen Tricks“ gelingt es Mina, dass Frau Seidel ihre Sprache wiedererlangt: Sie lädt sie zu sich nach Hause ein, raucht mit ihr gemeinsam im Garten einen Joint und teilt ihre Erfahrungen als Single-Mutter – und schwupps, fängt Frau Seidel wieder an zu sprechen. Im Rahmen ihrer Ermittlungen statten Mina und Thomas den Eltern des Opfers einen Besuch ab – zwei dauerkiffende Hippies mit eigenem Hanfanbau („Wir rauchen praktisch seit acht Jahren durch – und haben uns noch nie gestritten!“). Der Täter befindet sich währenddessen weiterhin auf freiem Fuß – und überfällt schon bald die nächste Bank.

Klingt alles ziemlich konstruiert? Ist es auch. Ein bisschen wirkt es so, als habe sich RTL von dem Sat.1-Erfolg „Einstein“ stilistisch eine Scheibe abschneiden wollen. Doch während der humorige Ansatz dort mit den ohnehin skurrilen Fällen harmoniert, wirken die platten Sprüche und Überzeichnungen bei „Die Klempnerin“ aufgrund der eigentlich ernsten Einsätze eher fehl am Platz. Die Dialoge wirken meist nicht authentisch, sondern auferlegt. Man wünscht sich, dass Drehbuchautor Boris von Sychowski lieber auf so manche Pointe verzichtet und stattdessen auf mehr Glaubwürdigkeit gesetzt hätte. Der Spagat zwischen Crime und Comedy wirkt nur selten gelungen und erinnert mit Schrecken an die ARD-Vorabend-Schmunzelkrimis. Im Verlauf der Folge kippt die Stimmung holzhammermäßig von heiter-leichtfüßig in ernst-dramatisch. Aus der anfangs plätschernden Hintergrundmusik wird bei gegebenem Anlass gefühlsduseliges Klaviergeklimper. Beim Showdown kommen schließlich aufpeitschende Gitarrenklänge zum Einsatz.

Mina Bäumer stellt sich den Herausforderungen der Erziehung ihrer Kinder.

Es ist löblich, dass RTL in der Serie eine starke Frauenfigur in den Vordergrund stellt. Yasmina Djaballah ist eine talentierte Schauspielerin und ein echter Glücksfall für die Serie. Sie gibt die charakterstarke Polizeipsychologin und alleinerziehende Mutter äußerst überzeugend. Identifikationspotential für die weibliche Zielgruppe ist also definitiv vorhanden – und mit Jan Kittmann als gutaussehendem Hauptkommissar ist auch was Hübsches fürs Auge dabei. In puncto Schlagfertigkeit kann er Mina allerdings nicht das Wasser reichen. Der Rest des Ensembles in der Polizeidienststelle bleibt in der ersten Folge recht farblos und formelhaft.

RTL hatte in der Vergangenheit sicherlich schon weniger gelungene Serien im Angebot. Als Berieselungssnack für zwischendurch eignet sich „Die Klempnerin“ durchaus, aber wirklich packend oder mitreißend ist die Produktion der Amalia Film GmbH leider nicht. An zu vielen Stellen ist bemerkbar, wie Ansätze von Kreativität und Vielschichtigkeit im Keim erstickt wurden, um es sich bloß nicht mit dem anvisierten Massenpublikum zu verscherzen – ein Problem, das die meisten RTL-Serien eint, die am Ende nur belanglos sind. Deshalb ist „Die Klempnerin“ auch nur solides Handwerk, aber längst kein Meisterstück.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten Episode von „Die Klempnerin“.

Meine Wertung: 2,5/​5


Glenn Riedmeier
© Alle Bilder: TV NOW/​Frank Dicks


Die insgesamt zehn Folgen von „Die Klempnerin“ sind ab dem 12. Februar dienstags um 21:15 Uhr auf RTL zu sehen. Die komplette Staffel liegt ab diesem Tag bei TV NOW auf Abruf zur Verfügung.



Über den Autor

Glenn Riedmeier ist Jahrgang ’85 und gehört zu der Generation, die in ihrer Kindheit am Wochenende früh aufgestanden ist, um stundenlang die Cartoonblöcke der Privatsender zu gucken. „Bim Bam Bino“, „Vampy“ und der „Li-La-Launebär“ waren ständige Begleiter zwischen den „Schlümpfen“, „Familie Feuerstein“ und „Bugs Bunny“. Die Leidenschaft für animierte Serien ist bis heute erhalten geblieben, zusätzlich begeistert er sich für Gameshows wie z.B. „Ruck Zuck“ oder „Kaum zu glauben!“. Auch für Realityshows wie den Klassiker „Big Brother“ hat er eine Ader, doch am meisten schlägt sein Herz für Comedyformate wie „Die Harald Schmidt Show“ und „PussyTerror TV“, hält diesbezüglich aber auch die Augen in Österreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten offen. Im Serienbereich begeistern ihn Sitcomklassiker wie „Eine schrecklich nette Familie“ und „Roseanne“, aber auch schräge Mysteryserien wie „Twin Peaks“ und „Orphan Black“. Seit Anfang 2013 ist er bei fernsehserien.de vorrangig für den nationalen Bereich zuständig und schreibt News und TV-Kritiken, führt Interviews und veröffentlicht Specials.

Lieblingsserien: Twin Peaks, Roseanne, Gargoyles – Auf den Schwingen der Gerechtigkeit

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