Das Serienjahr 2022: Fabians Gedanken

Ein persönlicher Jahresrückblick

Fabian Kurtz – 29.12.2022, 19:41 Uhr

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„Babylon Berlin“ – Bild: X Filme Creative Pool/ARD Degeto/Sky Deutschland
„Babylon Berlin“

Zwischen den Jahren ist man bekanntlich genügsamer. Während das Weihnachtsgeflügel noch erquicklich seine Bahnen im Blähbäuchlein dreht, der Kartoffelsalat aber so langsam im Kühlschrank vor sich hin kippt, setzt man sich mit heißer Schokolade in den bigotten Ohrensessel und schweift mit dem Blick über Geschenke, bunte Teller, abgeputzte Teller, schwielige Weingläser und gärende Maß Bier. Puh. *hicks* Boah. Tja … Was soll da noch kommen? Früher war eben mehr Lametta.

Dabei ist Lametta ja mittlerweile auch Ansichtssache und sowieso nie alles Gold, was glänzt. Wenn man nun also „das Beste“ aus diesem Serienjahr bestimmen möchte, dann kann man sich glaube ich nur an das halten, was Eindruck hinterlassen hat. Im Positiven, wie im Negativen. Demnach möchte ich noch einmal mit fünf Serien dieses Jahr Revue passieren und meinerseits eine kleine Zäsur unters dieses so volatile Jahr 2022 machen.

Erste Schritte und ein gebrochenes Herz Netflix

Ich gestehe Ihnen, ich bin Fan von „The Witcher“. Dabei meine ich die Videospiele und vor allem die großartigen Romane Andrzej Sapkowskis. Nicht ohne Grund durfte ich, für meine erste Kritik für fernsehserien.de, an Netflix’ Fantasy-Franchise heran und freute mich ungemein, meine Blauäugigkeit gleich mit einer Herzensangelegenheit zu prüfen. Und Mitten ins Herz traf mich, was Netflix dort aus „The Witcher“ gemacht hat.

Die erste Staffel schaute ich bockig, wie ein kleines Kind, was nicht zugeben will, dass nach jahrelangem Schoko-Eis essen, Zitrone ja auch ganz gut schmeckt. Aber auch ich trällerte heimlich Rittersporns Toss a coin to your Witcher vor mich her und lies die obligatorische Abneigung mehr und mehr dem Wohlwollen weichen. So richtig schmeckte mir das ganze zwar nicht – so finde ich nach wie vor die Entscheidung der Showrunnerin, aus der Story eine Art Nolan’sches Pseudoverwirrspiel zu machen albern -, war aber genügsam. Ich hatte ja noch meine Bücher und meine Videospiele.

Und auch mit einem Blick auf meine Rezension von damals, zugegeben, das war 2021, aber nu sind wir mal nicht päpstlicher als der Papst, kann ich dieses Gefühl, dass in diesem Essen irgendwas drin ist oder besser gesagt nicht drin ist, nicht abschütteln. Mein Problem mit „Netflix’ The Witcher“, und dieses Präfix sollte sich die Serie wirklich auf die Stirn schreiben, ist mein Problem mit Netflix und Franchises im Allgemeinen. Es geht nämlich nicht mehr um Kreativität, künstlerische Vision oder Liebe zur Quelle, sondern überwiegend um Verständlichkeit, Gleichheit und medialer Verwertbarkeit.

Und ich weiß, diese Kamelle ist schon so oft gesagt und so oft hat man sich aufgeregt, deswegen will ich das hier gar nicht weiter tun. Wenn es aber um Genügsamkeit geht, dann steckt genau darin möglicherweise das Problem. Man wird selten vom Hocker gehauen, oder sagen wir seltener. Unter den Kritiken häuft sich eine 3,5 von 5, die einem Achselzucken gleichkommt: technisch gut gemacht, schauspielerisch solide mit hier und da ein paar Ausreißern, Handlung ist halt anders, aber dafür ganz ansehnlich und zum Schluss ist man halt nach acht Folgen Binge-Watching schon durch und darf gleich an das nächste aus Das könnte Ihnen auch gefallen ran.

Die erste Überraschung

Sie werden jetzt bestimmt lachen. Aber ich bleibe dabei: „Anatomie eines Skandals“ ist der Hammer. Als ich die Anfangssequenz des Justizmelodramas mit Michelle Dockery, Rupert Friend und Sienna Miller gesehen habe, war ich einfach von den Socken. Gut geschnitten, expressiv in der Bildgestaltung und eine Serie die konsequent ihrem Stil treu bleibt. Und zugegeben, es ist melodramatisch, überdreht und pathetisch. Mal was anderes, mal was Mutiges. Eine wirklich schöne Überraschung und weiterhin wärmstens zu empfehlen.

Besinnlichkeit und Nostalgie Disney+

So, nun mache ich mal Bergfest. Die folgende Serie ist nicht aus diesem Jahr. Sie feierte aber dreißig jähriges Bestehen und hat deswegen auch irgendwie einen Platz verdient. Außerdem sagte man mir, ich könne hier machen was ich will, also bitte schön. Es geht um „Akte X“. Nie habe ich eine Serie gebinged, die so sehr gegens Binge-Watching war. Chris Carter macht bei „Akte X“ auch irgendwie was er will: Mal sind Mulder und Scully das Zentrum der wohl grausamsten Verschwörung überhaupt und verlieren in einer Folge Job, Mutter, Vater, Schwester und dann, huch! in der nächsten Folge als wäre nichts gewesen sind beide einfach nur zwei gutaussehende Ermittlerinnen, die irgendeinem Viech hinterlaufen, Sprüche klopfen und die beste Arbeitsmoral auf der ganzen Welt haben.

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