„Akte X“: Abschied in Nostalgie

Ein Rückblick auf die neuen Folgen und auf 25 Jahre mit Mulder & Scully

Ralf Döbele
Ralf Döbele – 18.04.2018, 21:10 Uhr

Ein Highlight der neuen Folgen: Mulder und Scully philosophieren in „Galgenmännchen“ über das Älterwerden und kommen sich wieder näher. (Bild: FOX)
Ich persönlich empfinde alles, was danach kam, als großes Geschenk. Ja, auch den zweiten Kinofilm „Akte X – Jenseits der Wahrheit“, den ich wahnsinnig mochte – sonst aber wohl kaum jemand. Im Sommer 2008 ging der verschneite Thriller zwischen den anderen, sonnigeren Blockbustern gnadenlos unter.

Das noch viel größere Geschenk durften „X-Philes“ auf der ganzen Welt ab 2016 auspacken, als sich Mulder und Scully in den Staffeln 10 und 11 mit neuen Episoden zurückmeldeten. Generell war ich als „Akte X“-Fan während dieser 16 Folgen oft hin- und hergerissen. Wunderbare Momente für die Hauptfiguren und wirklich gute „Monster of the Week“-Folgen wechselten sich ab mit einem oft konfusen und halbherzig wirkenden Aufguss der Alien-Verschwörung und mit dem schleichenden Gefühl, dass die Fantasie der Autoren längst von der Realität, aber auch vom rasant expandierenden Serienuniversum eingeholt worden ist.

Letztendlich waren es vor allem die Episoden von Glen Morgan, James Wong und Darin Morgan, die als Autoren in den ersten vier Jahren der Originalserie aktiv waren, die für die meisten Glanzpunkte sorgten: Das charakterstarke Downtown-Drama „Heimat“ (10x04), das beklemmende Katz-und-Maus-Spiel „Dieses Leben, jenes Leben“ (11x02), die Begegnung mit Mulder und Scullys Sohn William in „Ghouli“ (11x05) oder das Satire-Highlight „Mulder und Scully gegen das Wer-Monster“ stammten alle aus ihren Federn.

Dagegen verströmten die meisten von Chris Carter selbst verfassten Episoden oft am wenigsten klassisches „Akte X“-Flair. So geriet auch die von Carter inszenierte Premiere der elften Staffel zu einem inhaltlichen und strukturellen Fiasko, das uns eine vollkommen kopflos handelnde Scully und einen bis zur Selbstparodie innere Monologe haltenden Mulder präsentierte. Daneben wurde die Alien-Verschwörung, die einst in Staffel 6 und 7 mit dem Ende des Syndikats und der Lösung des Rätsels um Mulders Schwester einen versöhnlichen Abschluss hätte nehmen können, einmal mehr um eine vollkommen überflüssige Figuren-Gruppe erweitert.

Alles in allem lebten diese zwei „Akte X“-Staffeln vor allem von David Duchovny, Gillian Anderson und besonders starken Charaktermomenten für Mulder und Scully. Generell schienen Duchovny und Anderson mehr Spaß denn je am gemeinsamen Zusammenspiel zu haben und die Autoren unterfütterten dies mit wunderbaren kleinen und großen Momenten. Mulder stand Scully beim Abschied von ihrer Mutter zur Seite (10x04) und mein kleines Heimkino stand unter Wasser. Scully ließ den selbstfixierten Mulder nach einer verpatzten Einladung zum Essen einfach sitzen (11x04) und ich feuerte sie an. Eng umschlungen philosophierten unsere beiden Agenten in einem Motelzimmer über ihr eigenes Altern (11x03) und ich schmolz dahin.

Und doch verhärtete sich zunehmend der Eindruck, dass die Serie in der hier noch einmal präsentierten Form weitgehend ihre Relevanz verloren hatte. Das Problem war meist nicht die Auswahl der Themen, sondern deren Umsetzung. „Nichts währt ewig“ (11x09) präsentierte sich als kannibalistische Satire auf den modernen Schönheitswahn, erreichte dabei aber kaum die lakonisch-genüssliche Ironie von „Nip/​Tuck“. „Das Tor zur Hölle“ (11x08) präsentierte surreale, von Kindern ausgelöste Horror-Phantasien, die aber bereits von „Supernatural“ wirkungsvoller inszeniert worden sind. Der experimentelle Technologie-Thriller „Rm9sbG93ZXJz“ (11x07) war ein absolutes Highlight der neuen Folgen, musste sich online aber endlose Vergleiche mit „Black Mirror“ gefallen lassen.

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