Prosit, „Aktenzeichen XY …ungelöst“

ZDF strahlt 450. Folge der legendären Fahndungssendung aus – von Ralf Döbele

Ralf Döbele
Ralf Döbele – 21.09.2011, 10:22 Uhr

22 Jahre fast unverändert: Eduard Zimmermann im braun-beigen Studio
„Ganoven-Ede“ und die Verlässlichkeit

Dabei waren größere Veränderungen für die „XY“-Zuschauer in den Jahren, als Eduard Zimmermann die Sendung moderierte, fast undenkbar. Immerhin 22 Jahre, von 1975 bis 1997 änderte sich die legendäre, beige-braune Dekoration des Aufnahmestudios München nur in Details. Die Einführung eines computeranimierten Vorspanns mit neuer Titelmusik zur 200. Sendung im November 1987 war da fast schon eine Revolution.

Die Atmosphäre der Sendung unterstrich Zimmermanns Stil: Nüchtern, fast schon beamtenhaft, führte er durch „Aktenzeichen“, präsentierte so aber auch enorme Authentizität. Er war eine Vaterfigur des Fernsehens, auf die man sich jahrzehntelang verlassen konnte, ein wahrhaftiger Mitstreiter für die Rechte von Kriminalitätsopfern, die durch ihre zentrale Rolle in den „XY“-Filmfällen endlich einmal genauso im Blickpunkt der Öffentlichkeit standen wie Täter, mit denen sich die Boulevardpresse noch heute oftmals viel lieber beschäftigt. Die Gründung der Hilfsorganisation Weißer Ring parallel zur 100. „XY“-Sendung im November 1977 half dabei ebenso, ein wichtiges Thema noch weiter in die öffentliche Diskussion zu rücken, wie die seit zehn Jahren stattfindende Verleihung des „XY-Preises – Gemeinsam gegen das Verbrechen“.

Thema in mehreren „XY“-Sendungen 1972/​73: Ein junger Schweizer verschwindet während eines Frankreichurlaubs
Obwohl die „guten alten Zeiten“ Fans noch immer zum Schmunzeln bringen, sollte man die Wirkung und Aufgabe von „Aktenzeichen XY“ also nicht aus den Augen verlieren. Eine Aufklärungsquote von fast 45 Prozent beeindruckt, zumal sich die Polizei in der Regel erst an die ZDF-Sendung wendet, wenn sämtliche andere Fahndungsmittel erschöpft sind. Erst in der August-Sendung 2011 gelang es mit Hilfe eines Filmbeitrags gar, einen fast 30 Jahre alten Vermisstenfall zu lösen.

Nicht das einzige, spektakuläre Ergebnis in der „XY“-Geschichte: Im April 1969 gelingt es Eduard Zimmermann, mit einen Filmfall zur Klärung des vierfachen Soldatenmordes von Lebach beizutragen. 1972 und 1973 beschäftigt sich „Aktenzeichen“ gleich in mehreren Sendungen mit dem Vermisstenfall Christoph K. Der junge Schweizer war von einem Frankreichurlaub nicht mehr zurückgekehrt. Im Laufe der Zeit kann nicht nur die Leiche des Mannes gefunden werden, sondern auch der Täter. Im April 1980 führen die Schlumpfaufkleber im Auto eines Vergewaltigers zu dessen Festnahme, ein Zuschauer erkennt das Fahrzeug wieder und gibt den entscheidenden Hinweis. 1999 kann erstmals mit Hilfe der Zuschauer ein bis dahin unbekanntes Kind identifiziert werden, dessen Martyrium auf kinderpornografischen Bildern festgehalten und ins Internet gestellt worden war. Fast bei jeder weiteren derartigen Ausstrahlung kann „XY“ in den Folgejahren ein positives Ergebnis erzielen.

Bis heute ungelöst: Maria T. wird auf dem Nachhauseweg von ihrem Mörder verfolgt (Juni 1975)
Klar ist allerdings auch, dass nicht alle Fahndungsfortschritte in gelösten „XY“-Fällen auf Zuschauerhinweise zurückzuführen sind, sondern oft auch auf weitere polizeiliche Ermittlungen. Die Mehrheit der behandelten Filmfälle bleibt jedoch ungeklärt. Dies ist nicht nur belastend für die ermittelnden Beamten, sondern beschäftigt sicher auch langjährige Zuschauer. Die können sich oft noch ganz genau an das eine oder andere Schicksal erinnern, das ihnen einst bei der Ausstrahlung nahe ging. Da wäre Maria T., die auf dem Heimweg auf einem düsteren Feldweg von einem Unbekannten getötet wurde, nur wenige Meter neben einem Wohnhaus. Sie konnte nicht um Hilfe rufen, da ihre Stimmbänder entzündet waren (Juni 1975). Klaus L. wurde vor den Augen seiner Ehefrau erschossen, nur weil zwei Täter meinten. ausgerechnet in der Wohnung eines mittellosen Sozialhilfeempfängers reiche Beute machen zu können (Mai 1997). Und auch der Täter, der einen jungen Homosexuellen aus Kaiserslautern auf einem Autobahnparkplatz so brutal verprügelte, dass er heute querschnittsgelähmt im Rollstuhl sitzt, wurde bislang nicht gefasst (Dezember 2006). Die vermeintliche Wunderwaffe DNA wird nicht in allen Fällen zum Erfolg führen. Vielleicht macht auch die Tatsache, dass diese Täter bis heute unbehelligt Teil unserer Gesellschaft sind, „Aktenzeichen XY“ beim Ansehen mitunter so beklemmend.

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