Am Dienstagvormittag informierte ProSieben über sein neues Format „Die Abrechnung – Der Promi-Showdown“ (fernsehserien.de berichtete). Eine Pressemeldung, die nur wenige Stunden später folgte, könnte man ebenfalls mit den Worten „Showdown“ oder „Abrechnung“ umschreiben – doch in diesem Fall geht es um weit mehr als um unbedeutende Konflikte zwischen irrelevanten Trash-TV-Figuren: Nach der erfolgten Übernahme des strauchelnden Unternehmens ProSiebenSat.1 durch Media for Europe (MFE) (fernsehserien.de berichtete) greift der von Pier Silvio Berlusconi geleitete italienische Konzern nun hart durch und tauscht den kompletten Vorstand aus.
Die ProSiebenSat.1 Media SE teilt mit, dass der Aufsichtsrat heute „umfassende Veränderungen im Vorstand beschlossen“ hat. So muss Bert Habets, der bisherige CEO der ProSiebenSat.1 Media SE, der eigentlich noch im April einen neuen Drei-Jahres-Vertrag bis Oktober 2028 bekam, seinen Platz räumen. Auf ihn folgt nun mit sofortiger Wirkung Marco Giordani, der bisherige Finanzvorstand (CFO) von MFE. Offiziell heißt es, dass Bert Habets den CEO-Posten „in bestem gegenseitigem Einvernehmen“ an Marco Giordani abtrete und ihn bis Jahresende bei ProSiebenSat.1 beraten werde, insbesondere um einen nahtlosen Übergang sicherzustellen. Giordani verfüge über mehr als drei Jahrzehnte Führungserfahrung in den Bereichen Finanzen, Strategie und Leitung globaler Medienunternehmen. Mit seiner strategischen Weitsicht, operativen Führungskompetenz und Finanzexpertise sei er eine „hervorragende Führungspersönlichkeit“, um bei ProSiebenSat.1 ein neues Kapitel in der Unternehmensentwicklung einzuläuten.
Doch damit nicht genug: Auch Martin Mildner, dessen Vertrag noch im September eigentlich sogar bis Mai 2029 verlängert wurde, muss seinen Hut nehmen und wird durch Bob Rajan ersetzt, der als neuer Interims-Finanzvorstand (CFO) seinen Platz einnimmt. Auch dies geschehe „in bestem gegenseitigen Einverständnis“. Bisher war Bob Rajan Managing Director beim Beratungsunternehmen Alvarez & Marsal. Er verfüge über mehr als 25 Jahre Erfahrung in den Bereichen Unternehmenstransformation, Effizienzsteigerung und der Ausübung interimistischer Führungspositionen auf Vorstandsebene. Seine Expertise soll ProSiebenSat.1 in der laufenden Transformation zugutekommen und es dem Unternehmen ermöglichen, „sich bald wieder konsequent auf Wachstum zu konzentrieren“.
Darüber hinaus hat Markus Breitenecker, der als Chief Operating Officer bei ProSiebenSat.1 für das operative Geschäft tätig war, beschlossen, mit sofortiger Wirkung und „in bestem gegenseitigem Einvernehmen“ von seiner Position zurückzutreten. Breiteneckers Verdienste waren vor allem in Österreich, wo er die dort zu ProSiebenSat.1 gehörenden Sender Puls 4 und Puls aufbaute. Maßgeblich war er in Österreich auch am Ausbau von Joyn beteiligt. Seine Position wird auf Vorstandsebene nicht neu besetzt.
Offene Fragen und ungewisse Zukunft
Diese Zäsur wirft bezüglich der Zukunft des Konzerns durchaus Fragen auf. Denn zuletzt betonten MFE und Berlusconi stets, dass man insbesondere lokale Unterhaltungsprogramme und Eigenproduktionen ins Zentrum der Anstrengungen rücken wolle. Angesichts der Tatsache, dass die Content-nahe Position von Breitenecker nun jedoch eingespart wird und das neue Vorstands-Duo aus dem Finanzsektor ohne entsprechende Expertise im Content-Bereich kommt, bleibt abzuwarten, welchen Stellenwert diese Bekundungen noch haben.
Die Holding MFE übernahm Anfang September die Kontrolle über die ProSiebenSat.1 Media SE, indem sie sich 75,61 Prozent des Aktienkapitals sicherte. Mehrheitlich befindet sich MFE im Besitz der Familie des verstorbenen Politikers Silvio Berlusconi. Konzernchef Pier Silvio ist dessen Sohn. Nach eigenen Angaben will MFE einen Medienkonzern schaffen, der mit US-Streamingplattformen konkurrieren kann.
ProSiebenSat.1 befindet sich schon seit längerem in einem umfangreichen Transformationsprozess. Angesichts der anhaltenden Konjunkturflaute sieht sich das Unternehmen deshalb zu einem drastischen Sparkurs gezwungen. In diesem Jahr sollen rund 80 Millionen Euro eingespart werden, ab 2026 jährlich 100 Millionen Euro. Einher geht dies mit einem Stellenabbau. Im Mai war davon die Rede, dass rund 430 Vollzeitstellen davon betroffen sind. Schon 2023 strich ProSiebenSat.1 rund 400 Vollzeitstellen.
Maria Kyriacou, die Aufsichtsratsvorsitzende der ProSiebenSat.1 Media SE, heißt in einem ausführlichen Statement den neuen Vorstand willkommen und bedankt sich bei den scheidenden drei Persönlichkeiten.
Wir heißen Marco Giordani als CEO von ProSiebenSat.1 herzlich willkommen. Mit seiner Berufung wird das Ziel bekräftigt, die Unternehmenstransformation mit einem klaren Fokus auf Exzellenz und eine führende Marktposition im Entertainment weiter zu beschleunigen. Marco bringt breite operative Erfahrung, fundierte Finanzkompetenz und langjährige Führungserfahrung in komplexen Organisationen mit und wird sich künftig vollumfänglich auf ProSiebenSat.1 konzentrieren. Ebenso begrüßen wir Bob Rajan als neuen CFO. Seine Erfahrung in der Transformation und Restrukturierung von Unternehmen wird einen wichtigen Beitrag leisten, sodass sich ProSiebenSat.1 in Zukunft wieder voll auf Wachstum fokussieren kann.
Im Namen des gesamten Aufsichtsrats danke ich Bert Habets für seine Führung und sein Engagement während einer entscheidenden Phase der Transformation von ProSiebenSat.1. Er war die treibende Kraft hinter unserer strategischen Neuausrichtung auf den Bereich Entertainment. Er hat das gesamte Entertainment-Portfolio gestärkt und erweitert. Gleichzeitig hat er Kosteneffizienzmaßnahmen eingeführt und mehrere Restrukturierungsrunden geleitet. Dank seiner entschlossenen Führung ist Joyn heute zentraler Bestandteil unserer Vision, der führende AVoD-Streamer im deutschsprachigen Raum zu werden. Darüber hinaus hat Bert die Werte und die DNA unseres Unternehmens vom ersten Tag an vorgelebt.
Wir danken auch Martin Mildner für seinen wertvollen Beitrag als Group CFO. Er hat unsere finanzielle Basis durch entschlossene Effizienzmaßnahmen gestärkt und unser Portfolio erfolgreich fokussiert, einschließlich des Verkaufs von Verivox. Durch den Ausstieg von General Atlantic hat er sichergestellt, dass ProSiebenSat.1 die volle Kontrolle über sein Commerce & Ventures-Geschäft zurückerlangt.
Ein besonderer Dank gilt auch Markus Breitenecker für sein Engagement über 30 Jahre: Er hat ProSiebenSat.1 in Österreich aufgebaut, den heute führenden privaten TV-Sender PULS 4 sowie den Nachrichtensender PULS 24 gegründet und den Superstreamer Joyn als Marktführer in Österreich etabliert. In seiner Rolle innerhalb des Konzerns modernisierte Markus die Vertriebsorganisation und verbesserte die Benutzerfreundlichkeit von Joyn, dem am schnellsten wachsenden AVoD-Streamer in Deutschland. Mit „Embedding“ als Teil des neuen Reformstaatsvertrags legte er die Grundlage für die Einbindung von Partnerinhalten auf Joyn.
Kommentare zu dieser Newsmeldung
Torsten S am
WOW! Das sich was bei Sat.1/Pro7 ändern muss und wird, war abzusehen. Das man jetzt aber gleich solche einen drastischen Hausputz unternimmt, dass hät selbst ich nicht gedacht. Da wird ja mal gründlich Reine gemacht. Wie sich das auf das (Scheiss-) Programm auswirkt, wird man abwarten müssen. Schlechter kann es sicher nicht mehr werden. Ich bin da mal richtig gespannt!
Datenreisender am
Ich hoffe, die neuen Chefs sehen „Schlechter kann es sicher nicht mehr werden“ nicht als Herausforderung an, um das Gegenteil zu beweisen. Man hat schon Pferde kotzen gesehen.