Nachbeben des Leslie-Moonves-Abtritts: 120 Millionen Abfindung wird wohl nicht ausbezahlt

Neue Vorwürfe und Hintergründe zum Fall des CBS-Chefs

Bernd Krannich
Bernd Krannich – 15.09.2018, 08:00 Uhr

Leslie Moonves – Bild: CBS Corp
Leslie Moonves

Das Ende der Ära Leslie Moonves (fernsehserien.de berichtete) zieht in den USA immer weitere Kreise. Der langjährige Boss bei CBS sieht sich immer weiteren Vorwürfen ausgesetzt. Mittlerweile zeichnet sich ab, dass er sich wohl kaum Hoffnungen auf die Auszahlung eines im Raum stehenden Abschiedspakets von bis zu 120 Millionen US-Dollar machen kann, die er im Gegenzug für eine vorzeitige Auflösung seines Vertrags ausgehandelt haben soll. Von Anfang an war aber klar, dass die Zahlung von den Ergebnissen einer unabhängigen Untersuchungskommission über die Vorwürfe sexueller Übergriffe abhängen würde und nur im Fall eines „Freispruchs“ durch diesen Bericht gezahlt würde. Ansonsten würde CBS das Geld behalten.

Moonves’ Fall
Nicht nur um Vorwürfe wegen sexueller Übergriffe wie Begrapschen, Bedrängen und Küssen sowie Nötigung (der Androhung von nachteiligen Karriere-Konsequenzen, wenn Vorwürfe öffentlich gemacht würden) ging es im Fall Moonves, sondern auch um einen Machtkampf zwischen CBS Corp. und dessen Mutterkonzern National Amusements, Inc.

Der wollte CBS wieder mit seiner anderen Besitzung Viacom vereinen – was allgemein eher als vorteilhaft für das in den letzten Jahren schwächelnde Viacom galt, während das solide geführte CBS wohl eigene Gewinne in dortige Investitionen hätte stecken müssen. Das wollte Moonves verhindern und hatte den CBS-Vorstand auf seiner Seite, wo man die eigenen Leistungen schützen wollte. Zum Zeitpunkt von Moonves’ Abtritt stritt man auch schon vor Gericht.

Auch die Vorwürfe bezüglich Moonves’ Fehlverhalten wurden im CBS-Vorstand wohl von einigen als „Manöver“ von National Amusements gesehen, den unliebsamen Moonves los zu werden. Erst, als dem Vorstand Beweise vorgelegt wurden, dass Moonves versucht hatte, einer seiner Anklägerinnen im Gegenzug für ihr Schweigen einen Job bei CBS zu verschaffen, verlor Moonves laut Deadline den Rückhalt – schnell und nachhaltig.

Geld
Die Vertreter der „Time’s Up“-Bewegung sind übrigens gar nicht damit einverstanden, dass entweder Moonves die 120 Millionen Abfindung erhält oder CBS sie behält. Die Organisation, die sich für eine Gleichbehandlung von Frauen und Minderheiten nach Dekaden der geringeren Bezahlung und vorenthaltenen Karrierechancen einsetzt, fordert, dass die 120 Millionen in Programme fließt, die die Arbeitsbedingungen verbessern – insbesondere, falls Moonves das Geld wegen Fehlverhaltens nicht ausgezahlt bekommt. Denn dann wäre ja klar, dass Moonves über Dekaden große Willkür wirken ließ und bei CBS Corp. großer Handlungsbedarf herrscht.

Moonves, der Machtmensch
Schon bei Bekanntwerden der Vorwürfe der Nötigung gegen Moonves hatte sich Radiomoderator Howard Stern zu Wort gemeldet, dem Moonves nach seinem Wechsel von CBS Radio (damals unter dem Namen Infinity Broadcasting) zum Privatradio vor 12 Jahren eine Klage wegen Vertragsbruchs mit einem Streitwert von sage und schreibe 500 Millionen US-Dollar angehängt hatte. Entsprechend bezeichnete Stern Moonves als einen „Tony Soprano“. Der Abschied von CBS sei damals zunächst recht zivilisiert verlaufen, immerhin hatte Stern dort viel Geld in die Kassen gebracht. Aber nach Antritt seines neuen Jobs habe man ihm dann die Klage über den Kopf gehauen.

Nun meldete sich auch Linda Bloodworth-Thomason zu Wort, die für CBS den Hit „Designing Women“ geschaffen hatte und die 1992 – vor der Ägide Moonves bei CBS – einen enorm hoch dotierten Entwicklungsvertrag über fünf Serienprojekte unterschrieben hatte. Als Moonves 1995 von Warner Bros. als neuer Chef zu CBS kam, habe er alle ihre Projekte abgeblockt. Nicht etwa, weil sie schlecht gewesen wären, er lobte die Pilotdrehbücher stets unter vier Augen als „sehr gut geschrieben“. Sondern weil ihm der Stil nicht gefiel – so wie er bei „Designing Women“ um berufstätige Frauen deren laute, selbstbewusste Art nicht schätzte. Dazu bekam Bloodworth-Thomason zahlreiche Geschichten über Moonves und sein herablassendes und objektifizierendes Verhalten gegenüber Frauen zu hören, teils als Gerüchte und Geschichten, teilweise aber auch als Erfahrungsberichte. „Warum soll ich eine Schauspielerin in einer meiner Serien besetzen, wenn ich sie nicht flachlegen will“, summiert die Autorin Moonves Einstellung.

Obwohl Bloodworth-Thomason selbst nicht sexuell belästigt wurde, ist sie doch der Meinung, dass Moonves aus privaten Gründen ihre Karriere zerstört habe.

Weitere Geschichten
Moonves wird jetzt mit einem weiteren Bericht eines sexuellen Übergriffs in Zusammenhang gebracht, die eine Ärztin zuvor in einem medizinischen Fachjournal niederlegte – ohne den Mann zu benennen, was wegen des generellen Patientenschutzes/​Verschwiegeheitspflicht nicht möglich war. Moonves’ Fall war durch zwei Zeitungsartikel im New Yorker mit insgesamt zwölf Beschuldigerinnen ausgelöst worden.

Dr. Anne L. Peters hatte in einem Artikel im Fachmagazin Annals of Internal Medicine vom Mai unter der Überschrift „A Physician’s Place in the #MeToo Movement“ von einem Vorfall von vor 19 Jahren berichtet, in dem sie von einem VIP-Patienten belästigt worden war.

Der Patient war vor der eigentlichen Öffnungszeit zu einer Konsultation gekommen. Nach einem ersten Gespräch ging es an den Untersuchungstisch, wo der Patient die Ärztin kraftvoll an sich gezogen habe, ihr einen Kuss aufgedrängt und sich selbst ihr aufgedrängt habe. Das passierte bei der Untersuchung ein zweites Mal. Nachdem Peters den Patienten zurückgedrängt habe, habe er vor ihr masturbiert, woraufhin er sich ankleidete und ging. Moonves ließ bestätigen, dass der Kussversuch wirklich geschehen sei, darüber hinaus aber nichts.

Der Patient habe sich am nächsten Tag telefonisch entschuldigt, inklusive des Eingeständnisses, dass er „ein schreckliches Problem“ habe und sich bereits in ähnlichen Situationen mit vielen Frauen nicht habe beherrschen können. Peters riet ihm eine Therapie an, bekam es aber danach nicht mehr mit ihm zu tun.

Peters berichtet in ihrem Artikel weiter von der Reaktion ihrer Vorgesetzten, als sie den Vorfall auf dem angemessenen Dienstweg weiterleitete und etwa für eine Markierung der Patientenakte sorgen wollte, der weibliche Angestellte warnen sollte, nicht mit dem Patienten alleine in einem Raum zu sein. Da der Patient einerseits besonders wichtig war und ein gutes Verhältnis zu ihm auch für die Institution vorteilhaft sei und er andererseits tiefe Taschen für Anwälte habe, wurde die Sache nicht weiterverfolgt.

Stand by your man
Ein weiteres Spannungsfeld in der Casa Moonves ist seine Ehefrau Julie Chen, die bei CBS als Moderatorin arbeitet – was sie schon vor ihrer Beziehung zu Moonves tat. Sie gehört zu den dauerhaften Teilnehmern der beliebten nachmittäglichen Show „The Talk“ und moderiert „Big Brother“. Nach Moonves’ Abtritt am Sonntag gönnte sich Chen einige Tage Auszeit, signalisierte in einem Statement jedoch Rückhalt für ihren Ehemann. Am Donnerstag kehrte sie für „BB“ vor die Kamera zurück.

Zwar thematisierte sie alte und neue Vorwürfe gegen ihren Mann in der Sendung nicht, beendete ihre Moderation aber deutlich: „Ich bin Julie Chen Moonves. Haben Sie eine gute Nacht.“

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am

    120 000 000 geht's noch?

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