Ende einer Ära: CBS-Chef Leslie Moonves tritt nach Missbrauchsvorwürfen ab

Moonves prägte Sender über 30 Jahre

Bernd Krannich
Bernd Krannich – 10.09.2018, 13:52 Uhr

Leslie Moonves – Bild: CBS
Leslie Moonves

Leslie Moonves, der für drei Dekaden die Geschicke von CBS geleitet hat, ist zurückgetreten. Zuvor waren dem Manager von zwölf Frauen, darunter Schauspielerin Illeana Douglas („Action“), via zweier Artikel des The New Yorker sexuelle Übergriffe vorgeworfen worden. Zudem hatte sich Moonves mit den Hauptanteilseignern von CBS Corp. über die Frage eines erneuten Zusammenschlusses des von ihm geleiteten Konzerns mit Viacom überworfen (fernsehserien.de berichtete). Der bisherige COO Joseph Ianniello übernimmt kommissarisch das Amt des CEO.

Leslie Moonves vs. Shari Redstone
Im Mai 2017 hatte Moonves seinen Vertrag als CEO, Präsident und Chairman zuletzt verlängert gehabt – Gesamtwert bis zum Vertragsende geschätzte 300 Millionen US-Dollar (auch abhängig von Börsenkursen). Als es zwischen Moonves und der Redstone-Familie (der CBS’ Mutterkonzern National Amusements, Inc. gehört) mit deren führender Vertreterin Shari Redstone zu massiven Meinungsverschiedenheiten über die Zukunft von CBS kam, war diese Summe ein Hindernis dabei, Moonves einfach zu feuern – denn dann hätte man ausbezahlen müssen. Beide Firmen waren im Streit um Stimmrechte und Einflussnahme vor Gericht gegangen.

Im Zuge von Moonves jetzigem Rücktritt hat National Amusements, inc. (NAI) zugestimmt, eine Wiedervereinigung von CBS und Viacom für die nächsten zwei Jahre nicht wieder auf den Tisch zu bringen. Zudem wurde der Vorstand teils neu besetzt, wobei nun NAI zwei Mitglieder entsendet und elf unabhängige Kandidaten den restlichen Vorstand bilden.

Vorwürfe gegen Moonves
Der investigative Reporter Ronan Farrow, der zuvor schon den Fall Harvey Weinstein ins Rollen gebracht hatte und der als Sohn von Mia Farrow und Woody Allen für das Thema sexueller Missbrauch sensibilisiert wurde – seine Adoptivschwester Dylan hatte Woody Allen sexuellen Missbrauch vorgeworfen, was in einem ausgedehnten Prozess durch die Presse ging – hatte ein Exposé für The New Yorker über Moonves und CBS verfasst.

Sechs Frauen hatten in einem ersten Artikel von sexueller Belästigung und Übergriffen durch Moonves berichtet, wobei die konkreten Fälle zwischen zehn und 40 Jahren zurücklagen. Vier der Frauen hatten von unerwünschten Berührungen und Küssen berichtet. Alle beschrieben zudem, Angst davor gehabt zu haben, dass der enorm einflussreiche Moonves sich beruflich an ihnen rächen könnte, wenn sie sich ihm nicht fügten oder an die Öffentlichkeit gingen. Farrow hatte für den Artikel über acht Monate recherchiert und eine Kultur sexueller Übergriffe auch in anderen CBS-Abteilungen diagnostiziert.

Anders als in anderen Fällen blieb Moonves zunächst im Amt, während CBS interne Untersuchungen einleitete. Moonves selbst gestand frühzeitig ein: „Ich erkenne an, dass es vor Dekaden Zeiten gegeben haben mag, wo manch eine Frau sich mit meinen Avancen unwohl gefühlt hat. Das war mein Fehler, und ich bedaure das zutiefst. Aber ich habe immer das Prinzip Nein bedeutet Nein verstanden, respektiert und war dessen Fürsprecher. Und ich habe meine berufliche Position niemals dazu missbraucht, die Karriere einer anderen Person zu behindern oder zu zerstören.“ – Moonves ist übrigens in zweiter Ehe mit der CBS-Moderatorin Julie Chen verheiratet, die er auch beim Sender kennengelernt hatte. Drei der geschilderten sechs Vorfälle bestätigte Moonves, stellte dabei aber klar, dass es sich aus seiner Sicht um einvernehmliche Situationen gehandelt habe. Die anderen drei Vorfälle bezeichnete er als „erfunden“.

Die weitgehendsten Anschuldigungen machte zunächst Illeana Douglas, die davon berichtete, dass Moonves sich ihr bei einer Besprechung im Jahr 1997 in seinem Büro aufgedrängt habe und versucht hatte, Sex mit ihr zu initiieren. Nachdem sie sich aus der Situation befreit habe, sei sie aus einer in Vorbereitung befindlichen Serie gefeuert worden. Moonves habe ihr gedroht, dass sie nie mehr bei CBS arbeiten werde, auch ihr Agent habe sie gefeuert.

Am Wochenende waren weitere schwerwiegende Vorwürfe gegen Moonves in sechs Fällen laut geworden, darunter, dass er Frauen auch zum Oralverkehr genötigt habe.

Moonves Ausstieg und Abfindung
Zum Wochenende zeichnete sich ab, dass Moonves bereit war, seinen Job zu verlassen. Dass zwischenzeitlich eine Abfindungssumme von bis zu 100 Millionen US-Dollar im Raum stand, sorgte bei den Vertretern der Time’s Up-Bewegung für Wut, die CBS darauf hinwies, dass die „Welt zuschaut“, wie CBS mit den Vorwürfen umgeht.

So werden die Details von Moonves’ Kompensation für seinen freiwilligen Abschied wohl erst nach dem Abschluss der CBS-internen Untersuchung der Vorwürfe geregelt werden. CBS und Moonves haben sich selbst zunächst verpflichtet, 20 Millionen US-Dollar an der Time’s Up-Bewegung nahestehende Organisationen zu spenden – die Summe soll später mit Moonves’ Abfindung verrechnet werden. Im Fall, dass sich die Vorwürfe bestätigen, steht auch im Raum, dass Moonves wegen seiner Verfehlungen gefeuert werden kann – ohne Kompensation

Die Karriere von Leslie Moonves
1985 wurde der 1949 geborene Leslie Moonves bei Lorimar Verantwortlicher für Filme und Miniserien. Mit der Firma wurde Moonves schließlich zum Bestandteil von Warner Bros. TV, wo er unter anderem grünes Licht für „Friends“ und „Emergency Room“ gab.

1995 kam Moonves zu CBS Entertainment, über das Produktionsstudio CBS Television (1998 bis 2003) wurde er Senderchef von CBS. Als damals die Unternehmensteile Viacom und CBS getrennt wurden, rückte Moonves 2005 auf den neu geschaffenen Posten des Chefs von CBS Corp. auf.

Auch nachdem er zum Chef des Mutterkonzerns wurde, hatte Moonves immer ein Auge auf CBS. Seine Nachfolgerin dort etwa, Nina Tassler, war zuvor seine direkte Untergebene gewesen. Auch sonst besetzte Moonves Positionen gerne durch Kandidaten von innerhalb der Firma. Bei den jährlichen Upfronts ließ er es sich nicht nehmen, das neue Programm zu präsentieren.

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