‚Heißes neues Genre‘
US-Telenovela-Boom mit Verspätung
Jutta Zniva – 25.04.2006
Während hierzulande verliebte Julias, Tessas, Biancas, Lottas und Lisas das TV-Programm überschwemmen, beginnen die USA erst jetzt, den neuen Markt zu entdecken: Die großen Produktionsfirmen setzen erstmals auf selbstgebackene Telenovelas für ihr englischsprachiges Publikum.
Bisher galten Telenovelas in den USA als höchst populäres, aber typisch lateinamerikanisches Genre. Sie liefen im spanischsprachigen Original oder in synchronisierter Fassung. Eigene oder für die US-Zuseher adaptierte Stoffe existierten bislang erstaunlicherweise kaum.
„Es ist wie ein Goldrausch“, sagt jetzt beispielsweise der Produzent Nely Galán, der derzeit eifrig Telenovelas für NBC Universal adaptiert, „Es ist das neue, heiße Genre“. Die Herausforderung sei, die Geschichten auf die US-Zielgruppen hinzutrimmen: Handlung und Setting müssen entschlackt werden. Zeitgemäßer. Hipper.
Die Anzahl der Folgen wird daher � von den üblichen 120 bis 200 � meist auf 65 reduziert. Universelle Themen wie leidenschaftliche Dreiecksbeziehungen und das Streben nach Macht, Reichtum und Glück werden beibehalten. Nebenhandlungen, die den Hauptplot verzögern, werden jedoch eliminiert. Man will im (dreimonatigen) Zeitrahmen bleiben.
Auch das stark Melodramatische lateinamerikanischer Produktionen und das dort übliche körperbetonte Agieren muss weichen: Dass eine Figur etwa „Dios mío!“ ruft und dabei mit großer Geste die Hände ringt, werde es nicht geben.
Bereits im Herbst startet „Table for Three“ auf dem neuen Fox-Sender My Network TV. Vorbild ist die Columbianische Telenovela „Mesa Para Tres“. Fox plant pro Jahr mindestens drei Telenovelas für die Kategorien „Sehnsucht“ und „Geheime Leidenschaften“, die werktags in der Prime-Time gezeigt werden sollen.
ABC adaptiert das „Verliebt in Berlin“-Vorbild „Yo Soy Betty La Fea“ („Ugly Betty“) aus Columbien, während CBS auf eigene Drehbücher setzt. NBC Universal wiederum produziert in den nächsten zwei Jahren die englischsprachigen Versionen der Original-Telenovelas ihrer Tochterfirma Telemundo.
Telemundo-Präsident Patricio Wills hat übrigens eine prächtige Definition des Genres: „Telenovela � das ist ein Paar, das sich küssen will, und ein Drehbuchschreiber, der sie 200 Episoden lang nicht lässt.“
Kommentare zu dieser Newsmeldung
WelfLion am via tvforen.de
Ich kann dieses Wort "Telenovela" langsam wirklich nicht mehr hören.
Einer fing damit an und alle - wie üblich - äfften es nach. Jeder Sender MUSSTE plötzlich seine eigene "Telenovela" haben. Mit immer flachereren, unlogischeren, absurt konstruierteren "Stories", die irgendwie alle dem Strickmuster einer gemeinsamen Gob-Vorlage ähneln.
Immerhin aber ein probates Mittel, um sanft vor dem Fernseher einzuschlummern...
Dass die Amis dieses Genre nun für sich entdecken hat auch einen weiteren entscheidenden Grund: Nicht nur die Stories sind unschlagbar billig - sondern auch die Produktionskosten....