Folge 162

  • Tabu

    Folge 162
    Leben wir in tabulosen Zeiten? Oder werden im Gegenteil gerade neue Tabus aufgestellt? Gerade in der Kunstwelt ist darüber eine heftige Debatte entbrannt. Viele Tabus, die unsere Eltern noch kannten, sind längst gefallen. In der Kunst und auch im Alltag: Nacktheit ist durch die Werbung dauerpräsent, Filme werden immer brutaler, und über Sex wird in allen Formen und Details gesprochen. Man könnte meinen, wir leben in tabulosen Zeiten. Gleichzeitig aber nimmt der Ruf nach neuen Tabus zu: Ölgemälde lasziver, halbnackter Mädchen, die Jahre lang im Museum hingen, werden plötzlich hinterfragt.
    Gedichte, die weibliche Schönheit bewundern, werden von Hauswänden entfernt. Und weiße Künstler sollen nicht mehr das Recht haben, schwarzes Leid darzustellen. Neue Tabus als Ausdruck einer sich wandelnden Gesellschaft? Der Kunstkritiker Hanno Rauterberg spricht in seinem Buch „Wie frei ist die Kunst?“ von einer „Zensur von unten“. Ausgerechnet in der Kunstwelt, deren vornehmste Aufgabe schon immer der Tabubruch war, würden neue Tabus aufgestellt. Er sagt: „Der Tabubruch scheint mir im Moment selber zum Tabu zu werden.“ Der Kunstkurator Bonaventure Ndikung widerspricht: „Diejenigen, die lamentieren, die Kunstfreiheit sei bedroht – eigentlich sind sie es doch, die der Gesellschaft die Freiheit zu diskutieren absprechen.“ Ein Altmeister des Tabubruchs ist dieses Jahr 80 geworden: Der Wiener
    Aktionist Hermann Nitsch.
    Mit seinem Orgien-Mysterien-Theater hat er immer wieder provoziert und sagt heute: „Ich wollte nie Tabus brechen, ich wollte hinter die Tabus schauen, um bewusst zu machen, warum Tabus entstehen“. Ähnlich sieht es auch der Berliner Maler Martin Eder, zu Gast bei Nina auf dem „Kulturpalast“-Sofa.
    Er hat gerade am eigenen Leib erfahren, wie sich die Debatte um die Kunst verschärft. Seine Darstellung runzeliger Popos, ausgestellt in Damien Hirsts Londoner Galerie, seien „gefühlskalte Beispiele von brutaler Pornografie“ beanstandete der britische Guardian. Eder wundert sich. Nicht seine Kunst, sondern unsere Gesellschaft sei durch und durch pornografisiert, verneine das aber ständig. Das zeigt sich zum Beispiel an der Verpixelung des gestreckten Mittelfingers im amerikanischen Fernsehen.
    Die Sängerin M.I.A. sollte für das Zeigen ihres gestreckten Mittelfingers sogar schon einmal 16 Millionen Dollar Strafe zahlen. Wie es dazu kam und wofür es sich wirklich zu kämpfen lohnt, erzählt der immer wieder aneckende, britisch-tamilische Popstar M.I.A. im aktuellen Kinofilm „Matangi/​ Maya/​ M.I.A.“. Ebenfalls gerade im Kino: „Climax“ vom argentinischen Skandalregisseur Gaspar Noé. Es ist die Geschichte eines ausufernden Exzesses, gefilmt von einer geradezu entfesselten Kamera. Ein Höllentrip, der kaum Tabus kennt, Kritikerherzen jedoch höher schlagen lässt. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereSa 24.11.20183sat

Cast & Crew

Sendetermine

Sa 24.11.2018
19:20–20:00
19:20–
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