2023, Folge 1–18

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  • Folge 1 (45 Min.)
    Der deutsche Kaufhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof befindet sich nicht erst seit der Corona-Pandemie in einer wirtschaftlichen Schieflage. Eine endgültige Pleite konnte 2020 nur durch massiven Stellenabbau, Filialschließungen und einem Verzicht der Gläubiger auf mehr als 2 Milliarden Euro abgewendet werden. Nun hat die Bundesregierung dem Konzern Corona-Staatshilfen in Höhe von 460 Millionen Euro genehmigt, um den Weiterbestand des Traditionsunternehmens mit seinen 28.000 Beschäftigten zu sichern. Die Mitarbeiter*innen haben ihrerseits über Jahre hinweg immer wieder auf erhebliche Teile ihres Lohns, Urlaubs- und Weihnachtsgelds verzichtet – in der Hoffnung, so zum Überleben des Konzerns und ihrer Arbeitsplätze beizutragen.
    Eigentümer der Warenhauskette ist die österreichische SIGNA-Gruppe, die mehrheitlich René Benko gehört, einem öffentlichkeitsscheuen Selfmade-Milliardär, der in bescheidenen Verhältnissen in Innsbruck aufwuchs und ohne Abitur die Schule verließ. Sein Vermögen hat der heute 43-Jährige mit der geschickten Vermarktung von Immobilien gemacht. Sein besonderes Augenmerk galt von Anfang an Immobilien in bester Innenstadtlage, weil sie „entsprechend knapp sind und daher die Preise eigentlich nur nach Oben gehen können“, so Benko.
    Inzwischen gehört er zu den reichsten Bürgern in Österreich und investiert im großen Stil auch in Deutschland. Bei Galeria Karstadt Kaufhof gelang es Benko, trotz der prekären Lage des Unternehmens Millionengewinne zu erwirtschaften – auf dem Rücken der Belegschaft, sagen Handelsexperten. Wie konnte sein Plan gelingen, erst Karstadt für einen Euro und dann später auch noch Kaufhof zu übernehmen und daraus dreistellige Millionengewinne zu generieren? Wie sehr ist Benko überhaupt an dem Betrieb der Warenhäuser und dem Erhalt der Arbeitsplätze interessiert? Oder ging es ihm in erster Linie darum, die wertvollen Immobilien auf Kosten der Beschäftigten zu versilbern, wie Immobilien – und Handelsexperten meinen? Die Autoren Ingolf Gritschneder und Georg Wellmann folgen der Spur des Geldes und blicken hinter die Kulissen von Benkos weitverzweigtem und undurchsichtigen Firmengeflecht, von Briefkastenfirmen in Luxemburg, diskreten Unternehmen in der Schweiz und Familienstiftungen in Liechtenstein und Österreich.
    Neben dem Verkauf von Warenhausimmobilien erzielt Benkos österreichische SIGNA-Gruppe auch hohe Renditen aus deren Vermietung. Die wertvollen Karstadt-Premium-Häuser, wie das KaDeWe in Berlin, das Alsterhaus in Hamburg oder das Oberpollinger in München, sind zu Shopping-Centern umgebaut und an finanzstarke Mieter vermietet worden. Ein Karstadt-Warenhaus sucht man dort inzwischen vergeblich. Nicht wenige Beschäftigte befürchten inzwischen, dass es nur noch eine Frage der Zeit sein könnte, bis der gesamte Konzern verschwindet – trotz hunderter Millionen staatlicher Hilfe. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMi 11.01.2023WDR
  • Folge 2 (30 Min.)
    Brennende Barrikaden und vermummte Klimaaktivisten auf der einen Seite, hunderte Polizisten und schweres Räumgerät auf der anderen. So beginnt der Morgen der Räumung in Lützerath. Der kleine Ortsteil im rheinischen Braunkohle-Revier ist längst zum Symbol einer harten Auseinandersetzung um die richtige Klimapolitik geworden. Während RWE die Kohle aus der Erde unter Lützerath baggern will, wollen die Klimaaktivisten das mit aller Macht verhindern. Die einen pochen auf die Versorgungssicherheit, die anderen auf die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels.
    In der Woche der Entscheidung waren WDR-Reporter*innen mitten drin. Sie haben die Klimaaktivisten im Camp in den Tagen vor und während der Räumung beobachtet und sie haben ein Polizeiteam begleitet, das für Deeskalation sorgen soll. Die Reporter*innen haben aber auch Anwohner aus den umliegenden Dörfern getroffen, die den Kampf um Lützerath mit sehr gemischten Gefühlen betrachten. Viele fragen sich, wie die Zukunft ihrer Dörfer aussieht, wenn Lützerath Geschichte sein sollte. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMi 18.01.2023WDR
  • Folge 3 (45 Min.)
    Russlands Einmarsch in die Ukraine war ein Schock für Europa. Doch anders als im Westen erwartet, bleiben große Massenproteste in Russland weitgehend aus: Weder unmittelbar nach Kriegsbeginn noch im Herbst, als Putin die Teilmobilisierung der Bevölkerung anordnet, kommt es zu nennenswerten Protesten. Die Staatsgewalt hat das Land fest im Griff. Doch während auf den ersten Blick in Russland Normalität herrscht, hat sich doch für die Russinnen und Russen eine Menge verändert. Fast unsichtbar ist die Veränderung, aber sie ist immer deutlicher spürbar.
    Das Land schottet sich vom Westen ab, westliche Firmen verlassen Russland, Reisen ins europäische Ausland sind kaum noch möglich, die Redefreiheit ist massiv eingeschränkt. Wem vorgeworfen wird, Falschaussagen über den Krieg oder das russische Militär zu verbreiten, dem drohen bis zu 15 Jahre Haft. ARD-Korrespondent Demian von Osten lebt seit fast fünf Jahren in Russland. Er hat selbst erlebt, wie sich ein lähmendes Schweigen im Land ausbreitet, wie die letzten Freiheiten schwinden, wenn es um den Krieg und Politik geht.
    Für die die Story hat er seit Kriegsbeginn vier Russinnen und Russen begleitet: Darja Heikinen aus St. Petersburg demonstrierte noch kurz nach Kriegsbeginn, wurde dann aber festgenommen – jetzt sieht sie in politischer Arbeit keinen Sinn mehr. Es ist gefährlich geworden für Andersdenkende in Russland. Hunderttausende haben das Land verlassen, weil sie sich ihre Meinung nicht nehmen lassen wollen oder in Russland keine Zukunft mehr sehen.
    Auch Konstantin Osnos aus Moskau hat entschieden: Sein Russland existiert nicht mehr. Gemeinsam mit seiner Frau und den zwei Kindern ist der 54-jährige im Sommer nach Israel ausgewandert. Noch vor der Teilmobilmachung, die weitere Hunderttausende Russen in die Flucht getrieben hat. Konstantin hat Freunde und Familie zurück gelassen – auch seine Eltern, die sich nun fragen, ob sie ihren Sohn und ihre Enkel jemals in Russland wiedersehen werden. Dmitrij Surusow aus Kaluga ist geblieben.
    Aber in seiner Stadt ist heute vieles anders. Dmitrij hat in der Qualitätskontrolle im Volkswagen-Werk gearbeitet. Doch das Werk steht still – wie viele andere westliche Unternehmen erwägt offenbar auch VW einen Verkauf. Volkswirte erwarten, dass die Wirtschaft in diesem Jahr um vier Prozent sinkt. Die Inflation liegt bei mehr als 12 Prozent. Und Dmitrij hat Angst, dass er in Russlands Armee einberufen werden könnte. Roman Ponomarjow aus Stawropol unterstützt Russlands Ukraine-Krieg.
    Der Landwirt hat auf seinem Hof ein großes „Z“ aus Stroh aufgestellt – und lässt Kritik an Russlands Krieg nicht zu. Er ist einer von den vielen, die Putins Kurs mittragen, die der Propaganda im Staatsfernsehen Glauben schenken. Nur wenige Kilometer entfernt von seinem Hof finden sich die Spuren dieses Krieges: frische Gräber von Soldaten, die in der Ukraine gestorben sind. Die Story zeigt eindrücklich, wie sich das Leben für die Menschen in Russland im Laufe des letzten Jahres verändert hat und wie die russische Gesellschaft über den Angriffskrieg auf die Ukraine denkt.
    Dabei räumen die Autoren auf mit manchen Erwartungen aus dem Westen, wie die Russinnen und Russen wohl reagieren würden. Und gleichzeitig nimmt Korrespondent Demian von Osten die Zuschauer auch mit hinter die Kulissen – und zeigt auf, wie schwierig die Arbeit für Journalistinnen und Journalisten in Russland geworden ist. Ein Land, das viele seiner Bürger seit Kriegsausbruch im Februar 2022 vor die Wahl gestellt hat: Gehen oder Schweigen. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMi 25.01.2023WDR
    Deutsche TV-Premiere ursprünglich angekündigt für den 18.01.2023
  • Folge 4 (45 Min.)
    Als Ilse Barchnitzki nach einer schweren Herzoperation aus dem künstlichen Koma erwacht, hat sich die Welt für sie verändert. Obwohl sich die 86-Jährige Stück für Stück wieder in ihr altes Leben zurückkämpft, entscheidet nun jemand anderes für sie. Während des Komas wurde eine rechtliche Betreuung angeordnet, weil die Behörden keine Angehörigen ausfindig machen konnten. Eine Betreuung mit Folgen, denn von nun an muss Ilse Barchnitzki um alles fürchten, was für sie wichtig ist: ihre Wohnung, ihr Auto, das Recht, selbstbestimmt zu leben. Selbst, als sie längst wieder zu sich gekommen ist, ist klar, es gibt kein Zurück: die Kontrolle über ihr Leben haben jetzt andere.
    Plötzlich soll sie dauerhaft in einem Heim untergebracht werden. Dabei will sie nichts mehr als wieder nach Hause. Wehren kann sich Ilse Barchitzki jedoch nicht dagegen, denn es bestehen Zweifel an ihrer Geschäftsfähigkeit. Erst als aufmerksame Nachbarn sich einmischen, scheint sich das Blatt zu wenden. So wie Ilse Barchitzki geht es vielen Menschen. Insgesamt stehen über 1,3 Millionen Menschen in Deutschland unter rechtlicher Betreuung. Grund kann eine psychische Erkrankung, eine geistige oder körperliche Beeinträchtigung oder eine Demenz sein.
    Und die wenigsten wissen, was es bedeutet, unter rechtlicher Betreuung zu stehen. Der gesetzliche Betreuer kümmert sich um die Geldangelegenheiten, hat Überblick über das Vermögen, trifft Entscheidungen in Gesundheitsfragen. Entscheidungen, die im Sinne des Betroffenen fallen sollen – doch immer wieder kommt es zu schwerwiegenden Konflikten, worunter Betreute und Betreuer gleichermaßen leiden. Und es kommt auch vor, dass Betreuer ihre Machtstellung missbrauchen und sogar kriminelle Handlungen gegen ihre Betreuten begehen. Im Januar 2023 tritt nun ein neues Betreuungsrecht in Kraft, um das lange gerungen wurde.
    Ziel sollte die Stärkung der Interessen der Betreuten sein, insbesondere sollte deren Wille stärker in den Mittelpunkt gestellt werden und Einfallstore für kriminelles Handeln sollten geschlossen werden. Kritiker sagen allerdings, dass vor allem Paragraphenkosmetik betrieben wurde und sich die Situation der Betreuten in wichtigen Punkten nicht grundsätzlich verbessern wird. Denn ein Problem zieht sich wie ein roter Faden durch das Thema. Es fehlt Geld im System, Geld für eine bessere Kontrolle der Betreuerinnen und Betreuer, die so tief in das Selbstbestimmungsrecht ihrer Schutzbefohlenen eingreifen dürfen und müssen. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMi 01.02.2023WDR
  • Folge 5 (45 Min.)
    Es sind Frauen, die beruflich erfolgreich sind und mitten im Leben stehen. Und doch tragen sie ein Geheimnis mit sich: Sie sind oder waren Alkoholikerinnen. So wie die Schauspielerin Mimi Fiedler, die Geschäftsfrau Sandra, die Journalistin Nathalie oder die dreifache Mutter Gaby. Immer mehr Frauen in Deutschland werden alkoholsüchtig. Ihr Alkoholkonsum nähert sich dem der Männer mehr und mehr an. Es sind nicht die gesellschaftlichen Außenseiterinnen, sondern 80 Prozent der Betroffenen sind Berufstätige und Mütter.
    Warum werden immer mehr erfolgreiche Frauen alkoholsüchtig? Alkoholismus ist in der Gesellschaft ein Randgruppenthema, Betroffene werden stigmatisiert. Doch diese Betroffenen sind oft erfolgreiche Businessfrauen, die trinken, ohne dass es jemand merkt. Wissenschaftsjournalistin Antje Büll trifft Frauen, die offen über dieses Tabuthema sprechen. „Tatort“-Schauspielerin Mimi Fiedler ist eine von ihnen: „Ich war nach außen die Schauspielerin und das Vorzeigemädel, das es geschafft hatte.
    Aber ich war 30 Jahre Trinkerin.“ Sie berichtet, wie sie heimlich auf den Hotelzimmern trank, von der Angst, die Texte zu vergessen und über die Scham, süchtig zu sein. „Der Grund, warum ich öffentlich darüber spreche, ist einfach, um diese Krankheit zu entstigmatisieren“, sagt die 46-Jährige. „Damit Menschen wissen, dass es nicht an ihnen liegt und dass es nicht mit dem Charakter zu tun hat, sondern eine Krankheit ist.“ Sandra ist erfolgreiche Managerin bei einer Möbelfirma. Sie ist durch beruflichen und privaten Stress von einem „Entspannungsglas“ Wein langsam in die Abhängigkeit gerutscht.
    Sie hatte bereits einen Entzug hinter sich. Jetzt ist sie durch Corona und Homeoffice wieder rückfällig geworden: „Es fehlte die Tagesstruktur, die viel ausmacht. Und da kam der Wein wieder täglich in mein Leben.“ Bei einer Langzeittherapie versucht sie jetzt, vom Alkohol loszukommen. Je mehr Frauen in führende Positionen aufsteigen, desto mehr übernehmen sie auch den ungesunden Alkoholkonsum der Männer, zeigt die Statistik.
    Suchtforscher Professor Falk Kiefer aus Mannheim ist überzeugt: „Die Rollenerwartung gleicht sich an. Dazu gehört auch, wie man mit Suchtmitteln wie Alkohol umgeht.“ Er gehört zu den wenigen Wissenschaftlern, die sich in Deutschland überhaupt mit dem Thema Alkohol beschäftigen. Deutschland liegt laut WHO weltweit auf Platz vier, was den Pro-Kopf-Verbrauch an reinem Alkohol betrifft. Während andere Länder mit Steuererhöhungen, Werbeeinschränkungen oder Preiserhöhungen den Alkoholkonsum reduzieren konnten, hat sich in Deutschland in den letzten 30 Jahren nicht viel getan.
    „Man muss den Politikern die Dringlichkeit, denke ich, noch mal vor Augen führen. Es wird zu viel in Deutschland getrunken. Und wir müssen auch an der Steuerschraube drehen.“ Die volkswirtschaftlichen Kosten für den Alkoholkonsum belaufen sich nach seinen Berechnungen auf 57 Milliarden Euro, weit mehr als beim Tabakkonsum. Doch das Thema Alkohol ist weder politisch noch gesellschaftlich in den Schlagzeilen.
    Das will auch Nathalie Stüben ändern. Die 36-jährige Journalistin war selbst jahrelang Alkoholikerin, trank regelmäßig bis zum Blackout. Doch bei der Arbeit funktionierte sie. So geht es vielen, ist sie überzeugt. „Wir haben das Bild im Kopf, dass es die Genusstrinker gibt und dann gibt’s lange gar nichts und dann gibt es die, die morgens Wodka ins Müsli kippen. Uns fehlt ein Bewusstsein für diesen riesengroßen Graubereich.“ Dafür möchte sie vor allem jüngere Menschen mit ihrem Podcast und You-Tube-Kanal sensibilisieren.
    Denn die meisten suchen zu spät Hilfe, ist sie überzeugt. Die Autorin Antje Büll trifft für diese „45 Min“-Dokumentation bemerkenswerte Frauen, die sich trauen, mit ihren Problemen und einem Tabu an die Öffentlichkeit zu gehen. Sie wollen das Problembewusstsein schärfen für ein großes gesellschaftliches Thema, das mehr Akzeptanz und Aufmerksamkeit benötigt. Außerdem spricht die Autorin mit Wissenschaftlern, Suchttherapeuten, Ökonomen und Präventionsmedizinern darüber, was gerade erfolgreiche Frauen in die Sucht drängt und welche Lösungen es gibt. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMi 08.02.2023WDR
  • Folge 6 (45 Min.)
    Ein Jahr nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Wie prägten die beiden Männer den Verlauf des ersten Kriegsjahres und wie beeinflussten ihre Charaktere und Entscheidungen Sieg oder Niederlage? Im Fokus: Verhalten und Handeln in einschneidenden Momenten und Wendepunkten des Kriegsgeschehens. Auf der einen Seite: der Ex-KGB-Offizier. Auf der anderen: der Ex-Komödiant. Die Dokumentation nähert sich den Persönlichkeiten zweier Männer, deren Handlungen nicht nur Einfluss auf das Schicksal ihrer eigenen Länder haben, sondern auch auf die Sicherheit und die Zukunft ganz Europas.
    Ausgewähltes Medienmaterial aus Russland und der Ukraine sowie Interviews internationaler Experten, u. a. mit der russischen Polit-Journalistin Yevgenia Albats, dem ukrainischen Philosophen Volodymyr Yermolenko oder der britischen Kreml-Insiderin Catherine Belton beleuchten die Rollen der beiden Präsidenten im ersten Kriegsjahr. Was steckt hinter dem, was die beiden sagen? Wie verändert sich ihre Kommunikationsstrategie mit dem Fortschreiten des Krieges und mit welchen propagandistischen Mitteln gelingt es beiden, große Teile ihrer Bevölkerung hinter sich zu vereinen? Welchen Einfluss hat dies auf den Verlauf des Krieges? Und wie wirkt sich das Kriegsgeschehen auf die Entwicklung der beiden Präsidenten aus? Auf der einen Seite: Wolodymyr Selenskyj, der eine ganz offensichtliche Metamorphose durchgemacht hat, der sein kommunikatives Talent als seine stärkste Waffe entdeckt und vom politischen Leichtgewicht und ehemaligen Komiker zum militärischen Kriegsherrn wird.
    Der als „Held der Freiheit“ gefeiert wird, an dessen Fähigkeiten und Integrität es allerdings auch Zweifel zu geben scheint – und dessen Verhalten Fragen aufwirft, etwa die nach der Entlassung der Generalstaatsanwältin oder des Leiters des Inlandgeheimdienstes.
    Doch trotz der Erfahrung des letzten Kriegsjahres, sagt Selenskyj selbst, er bereue seine Entscheidung, für das Amt des Präsidenten kandidiert zu haben, nicht: „Nicht eine Sekunde lang.“ Und auf der anderen Seite Wladimir Putin, dessen Entwicklung zunächst weniger sichtbar erscheint, doch bei dem der monatelange Krieg, von dem er vermutlich nie glaubte, ihn überhaupt so lange führen zu müssen, ebenfalls Spuren hinterlassen hat. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMi 22.02.2023WDR
  • Folge 7 (45 Min.)
    „Wir haben nichts von dem ganzen Öl, nur die Krankheiten. Wir werden für das Öl geopfert.“ Das sagt der 19-jährige Ali aus dem Ort Rumaila im Süden des Iraks. In dieser Region liegen einige der größten Ölfelder der Welt, und das hat für die Menschen und die Umwelt hier katastrophale Folgen. Durch das ungefilterte Abfackeln von Gas, das beim Fördern entsteht, werden giftige Chemikalien und Treibhausgase in erschreckenden Mengen in die Luft geblasen. „Man könnte das Gas auch auffangen und nutzen. Aber hier im Irak brennen sie es einfach ab“, erläutert der Umweltwissenschaftler Prof. Shukri Al-Hassan von der Universität Basra.
    Die internationalen Ölmultis, in deren Auftrag das Erdöl im Irak gefördert wird, übernehmen hier für die Verschmutzung und ihre Auswirkungen keine Verantwortung; sie verharmlosen die Auswirkungen oder verschweigen sie komplett. Die Story geht an Orte, wo die Auswirkungen besonders dramatisch sind. Menschen, die in unmittelbarer Nähe der Bohrlöcher leben, leiden nicht nur unter dem permanenten Rauch und Gestank, sondern sie bezahlen auch mit ihrer Gesundheit: Die 13-jährige Fatima leidet an einer Form von Krebs, die durch Benzol ausgelöst wird, der 19-jährige Ali hat bereits eine Leukämie-Erkrankung hinter sich, die er selbst dokumentiert hat.
    Viele wissen, dass die Gründe dafür sehr wahrscheinlich mit der Ölförderung zusammenhängen, aber darüber wird nicht gesprochen. „Das Thema Öl ist ein heikles Thema im Irak. Niemand will diesen wichtigen Wirtschaftszweig behindern“, sagt Prof. Shukri Al-Hassan.
    Weil offizielle Untersuchungen nicht erwünscht sind, führt er in eigener Initiative Tests durch, um das Ausmaß der Giftverschmutzung offenzulegen. Seine Ergebnisse, die von unabhängigen internationalen Wissenschaftlern gestützt werden, sind alarmierend: Für Kinder, die nah an Ölfeldern leben, ist die Gefahr, an Krebs zu erkranken, so hoch wie anderswo die Gefahr, sich mit einer Erkältung anzustecken. Die Story begleitet Prof. Shukri Al-Hassan und konfrontiert die irakische Regierung und Vertreter großer Ölfirmen mit den Ergebnissen seiner Untersuchungen. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMi 01.03.2023WDRDeutsche Online-PremiereDi 28.02.2023ARD Mediathek
  • Folge 8 (45 Min.)
    Als Rechtspopulisten in Brasilien jüngst das Regierungsviertel stürmten, geriet wieder eine große Demokratie in Gefahr. Viele fühlten sich erinnert an den Sturm auf das US-Kapitol zwei Jahre zuvor. Wieder waren die Übergriffe in den sozialen Netzwerken angeheizt und organisiert worden. Mehrere Konten auf Socialmedia-Plattformen wurden im Nachhinein gesperrt. Wieder zu spät. Wie kann das sein? Dabei hatte eine Whistleblowerin genau davor gewarnt. Mit tausenden Dokumenten aus dem Innern des Meta-Konzerns erhebt die ehemalige Facebook-Mitarbeiterin Frances Haugen im Herbst 2021 schwere Vorwürfe: Mächtige Plattformen wie Facebook und Instagram würden Menschen und Demokratien weltweit gefährden.
    Der Konzern wisse genau, welchen Schaden er anrichte, aber unternehme viel zu wenig dagegen – zu oft stelle er den Profit über das Wohl der Nutzer. Politiker in Brüssel und Washington empfangen Frances Haugen fast wie eine Heilsbringerin. Warum eigentlich? Viel zu lange ließen Regierungen soziale Netzwerke wie Facebook nahezu unbehelligt agieren. Dabei ist längst bekannt, was deren Algorithmen anrichten können, wie sie Hass und Lügen wuchern lassen und unseren Blick auf die Welt prägen. In manchen Ländern führte dies zur Verfolgung von Minderheiten oder zur Unterdrückung von Oppositionellen.
    Immer mehr Populisten und Autokraten nutzen soziale Plattformen, um auch in westlichen Demokratien Wahlen zu beeinflussen und Menschen zu manipulieren. Die EU wurde erst jetzt aktiv: In diesem Jahr müssen die Plattformen ein Mammut-Gesetz umsetzen, das die Tech-Giganten beschränken soll. Doch wird der sogenannte Digital Services Act halten, was er verspricht? Oder waren der Mut, der Einsatz und die persönlichen Kosten der Whistleblowerin Frances Haugen umsonst? In einer investigativen Recherche hatten Reporter:innen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung damals tausende Seiten des Haugen-Leaks ausgewertet.
    Neue Datenanalysen zeigen nun, dass viele Missstände trotz der versprochenen Maßnahmen der Tech-Unternehmen fortbestehen. Über ein Jahr haben die Reporter:innen Frances Haugen immer wieder begleitet, trafen weitere Whistleblower sowie Insider und Beobachter aus Tech-Industrie und Politik. Der Film blickt hinter die Fassade des Milliarden-Konzerns Meta – wie durch ein Schlüsselloch: auf Fehlentscheidungen einer Führungsriege, auf die Verzweiflung der Mitarbeiter. Er zeigt, wie raffiniert Socialmedia-Plattformen missbraucht werden, um Demokratien anzugreifen. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMi 22.03.2023WDR
  • Folge 9 (45 Min.)
    Katalonien, die Region im Nordosten Spaniens, ist mit Barcelona, den Pyrenäen und der Costa Brava ein beliebtes Reiseziel der Deutschen. Die Region ist stolz auf ihre Traditionen und auf ihre Geschichte – und gleichzeitig brodelt hier gerade wegen der Vergangenheit ein Konflikt. Grund dafür ist der Wunsch vieler Menschen, in einem unabhängigen Katalonien zu leben, nicht mehr zu Spanien zu gehören. Im Oktober 2017 rief die katalanische Regionalregierung ein Referendum aus, um darüber abzustimmen zu lassen. Die Regierung in Madrid setzte Polizei ein, um diese Wahl zu unterbinden.
    Am Ende stand ein Ergebnis, das nicht repräsentativ war, katalanische Politiker und Aktivisten wurden verurteilt oder flohen ins Ausland. Doch für viele Menschen ist das Thema damit längst nicht abgehakt. Die junge Abgeordnete Marta Rosique etwa setzt sich weiter vehement für die Unabhängigkeit ein. Sie erklärt, wie sehr der Wunsch nach der Trennung von Spanien verbunden ist mit Verletzungen aus der Zeit des Spanischen Bürgerkrieges und der Unterdrückung während der Franco-Diktatur. In Tortosa, 200 Kilometer südlich von Barcelona, besucht sie ein Denkmal, das General Franco zur Erinnerung an einen entscheidenden Sieg über die Truppen der demokratischen spanischen Republik errichten ließ.
    Für Katalanen symbolisiert dieser Ort vor allem das noch längst nicht aufgearbeitete Unrecht der Franco-Zeit. Deshalb gibt es eine Debatte darüber, was mit dem Denkmal passieren soll. „Man sagt immer, dass es drei Generationen braucht, bis man sich mit seiner eigenen Geschichte auseinandersetzen kann. Unsere Generation ist die dritte nach dem Bürgerkrieg und die zweite nach der Franco-Diktatur. Daher sind wir wahrscheinlich die ersten, die über die Folgen des Bürgerkriegs sprechen können.“ Die Lehrerin Pilar Barriendos fühlt sich von vielen Aktivitäten der Unabhängigkeitsbefürworter bevormundet und unter Druck gesetzt.
    Aus Protest sie sich einer Gruppe angeschlossen, die sich „Reinigungsbrigade“ nennt. Ihre Mitglieder entfernen nachts Fahnen und Schilder, die für die Unabhängigkeit Kataloniens stehen, von Straßen und Plätzen. Ein Gericht hat geurteilt, dass der öffentliche Raum unpolitisch sein muss. Pilar und ihre Mistreiter haben den Eindruck, dass sie es sind, die diese Vorschrift umsetzen müssen.
    „Ich wäre viel lieber Mitglied in einem Strickclub oder in einem Lesekreis. Denn das würde bedeuten, dass der Rechtsstaat funktioniert und niemand ihn missbraucht. Dass unsere Widerstandsarbeit nicht mehr nötig wäre. Das würde mir gefallen.“ Die katalanische Unabhängigkeitsbewegung hat in ganz Spanien zum Erstarken der rechten Parteien geführt, die nationale Gefühle bedienen und die Einheit Spaniens beschwören. Auch in diesem Jahr, wenn in Spanien Wahlen anstehen, werden die Parteien das Thema wieder für sich zu nutzen wissen.
    Und den Konflikt wohl weiter anheizen, anstatt vermittelnde Lösungen anzubieten. Dabei wären die so dringend nötig. Das sagt auch der katalanische Künstler Odon Ventura Ruiz. Der wie viele andere zwischen den beiden Fronten – für und gegen die Unabhängigkeit – steht. Die Unabhängigkeit Kataloniens mit nur 50 Prozent Zustimmung in der Bevölkerung durchsetzen zu wollen, hält er für einen gefährlichen Irrweg. Um die Spaltung der Gesellschaft zu überwinden, hofft er auf ein neues Gefühl von Gemeinsamkeit: „Was immer wir auch machen und erreichen wollen – wir müssen zusammenkommen.“ (Text: tagesschau24)
    Deutsche TV-PremiereMi 29.03.2023WDR
  • Folge 10 (45 Min.)
    Nach dem Anschlag in der Istanbuler Einkaufsstraße Istiklal stand aus türkischer Sicht schnell fest, dass die Täter aus den Kurdenmilizen in Syrien oder im Irak kommen; diese Argumentation wird seitdem genutzt, um kurdische Gebiete militärisch anzugreifen. International wird diesem Vorwurf wenig Glauben geschenkt. Welche Geschichte steckt wirklich dahinter? Immerhin hat Präsident Erdogan auch schon beim Aufnahmeantrag Finnlands und Schwedens zur NATO seine Zustimmung davon abhängig gemacht, dass er in den Kurdengebieten freie Hand zur Schaffung einer „Sicherheitszone“ bekommt … Der Autor hat Rojava, das überwiegend von Kurden bewohnte, autonom demokratisch regierte Gebiet im Nordosten Syriens, besucht und die Realitäten dort aus nächster Nähe erlebt: Hier hat die Kurdenmiliz YPG mit Unterstützung der US-Streitkräfte gegen den IS gekämpft und dafür viele Opfer in Kauf genommen.
    Hier befinden sich das größte Gefängnis für IS-Kämpfer und die größten Lager, in denen ihre Frauen und Kinder leben, viele davon aus westlichen Staaten, die von ihren Heimatländern nicht zurückgenommen werden. Seit 2016 gibt es hier türkische Angriffe, bei denen regelmäßig auch Zivilisten getötet werden. Und mittlerweile ist von einem Wiedererstarken des IS die Rede. Eine explosive Gemengelage. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMi 12.04.2023WDRDeutsche Online-PremiereDi 11.04.2023ARD Mediathek
  • Folge 11 (45 Min.)
    Trotz aller Warnungen wollte man es lange nicht wahrhaben: Deutschland hat sich in extreme Abhängigkeit von Pekings Gnaden manövriert und wird nun zunehmend erpressbar. Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine nimmt auch die Bundesregierung das volle Risiko wahr. Denn in Ostasien schwelt zwischen China und Taiwan ein weiterer Konflikt mit geopolitischer Sprengkraft. „Wenn der von heute auf morgen eskaliert, wäre das für uns der GAU“, sagt Peter Bachmann von der Photovoltaikfirma Solarwatt. Deutschland braucht eine neue China-Strategie, das ist jetzt allen klar. Doch wie soll die aussehen? Und was würde sie kosten? Im Fall Russland geht es um Gas und Öl.
    China ist viel komplexer. Es geht um ganze Lieferketten, um Tausende Produkte. Manche machen das Leben einfach nur günstiger, andere sind unverzichtbar, einige sogar überlebenswichtig. Und es geht auch um den eigenen Zugang zum größten Markt der Welt. Doch wie abhängig ist Deutschland eigentlich? Und wo genau? Im Hamburger Hafen landet der „Container-Tsunami“ aus China schon am frühen Morgen an und wird dann über ganz Deutschland verteilt. In Stuttgart etwa zeigt Fahrradexperte Dirk Zedler, wie ein Rad ohne Teile aus China aussehen würde: „Das wäre kein Fahrrad, das wären einige wenige Bauteile.“ In der Solar- und Windenergiebranche sind es schon wenige Einzelteile aus China, ohne die die gesamte Energiewende zusammenbrechen würde.
    In einem Windpark bei Aurich lassen sich die Reporter zeigen, was das bedeuten würde. „Natürlich sind wir erpressbar!“ sagt die Berliner Apothekerin Anke Rüdinger. Sie mischt neuerdings wieder eigene Rezepturen an, um ihre Patienten zu versorgen. Denn auf Nachschub von Medikamenten aus Asien ist kein Verlass. Manche Antibiotika wären ohne chinesische Vorprodukte sogar überhaupt nicht mehr erhältlich.
    Werte oder Waren? Darum geht es bei der neuen Chinastrategie. Ein riskanter Balanceakt. Denn China ist Deutschlands größter Handelspartner, einen Teil des Wohlstands verdanken die Menschen in Deutschland den blühenden Geschäften mit der Diktatur in Fernost. Die beiden langjährigen Asien-Korrespondenten Mario Schmidt und Philipp Abresch haben sich auf eine Deutschlandreise begeben zu Herstellern, Händlern, Verbrauchern und zu denen, die einen neuen Umgang mit China finden müssen in den Ministerien und im Bundestag in Berlin. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMi 26.04.2023WDR
  • Folge 12 (45 Min.)
    „Das hat so ein bisschen Freiheit gegeben und war auch eine kleine Rebellion“ – so erinnert sich Moritz an die Anfänge seines Cannabis-Konsums. Mit 14 Jahren machte er die ersten Erfahrungen mit der Droge. Jetzt spielt sie eine lebensbestimmende Rolle für den 21-Jährigen, denn er ist süchtig. In einer Entwöhnungsklinik für junge Erwachsene in Castrop-Rauxel will er sich seiner Suchterkrankung stellen. Wir begleiten Moritz während seines fünfmonatigen Klinikaufenthalts. Was hat ihm das Kiffen gegeben, und wie will er sich auf das Leben nach dem Entzug vorbereiten? Vincent Kühne hat schon als 13-Jähriger gekifft.
    Sein Cannabis bekommt er heute aufgrund seiner ADHS-Diagnose auf Rezept. Sein Wissen zur Pflanze und auch über den Schwarzmarkt hat er inzwischen zum Beruf gemacht. Auf unterschiedlichen sozialen Medien klärt Vincent als Content-Creator rund um das Thema Cannabis auf. Die Freiheit, Cannabis legal zu kaufen, wünscht er jedem. „Die Legalisierung spricht nicht davon, Kindern Cannabis zugänglich zu machen, sondern Erwachsenen, die es sowieso heute schon tun.“ Soll Cannabis legalisiert werden? Und was bedeutet das für die Jugendlichen? Im Frühjahr 2023 soll der Gesetzentwurf zur „kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken“ vorliegen – ein zentrales Versprechen im Koalitionsvertrag.
    Ziel dieser gesetzlich festgelegten Regelung soll unter anderem sein, mit der Entkriminalisierung bzw. der Legalisierung ab 18 einen besseren Gesundheits- und Jugendschutz zu ermöglichen.
    Aber kann dieses Ziel wirklich erreicht werden? „In Dortmund gibt es über 80.000 junge Menschen, die im schulpflichtigen Alter sind“, sagt dazu die Sozialarbeiterin Annemarie Skubch, die am Gymnasium an der Schweizer Allee ein Präventionsprojekt durchführt. „Wir haben glaube ich zwei volle Stellen der Suchtprävention für diese Stadt.“ Der Film „Generation Cannabis – Legal, illegal, scheißegal?“ nimmt vor allem diejenigen in den Blick, die die Legalisierungsdebatte besonders betrifft – die jungen Menschen selbst. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMi 03.05.2023WDRDeutsche Online-PremiereDi 02.05.2023ARD Mediathek
  • Folge 13 (45 Min.)
    Als Ende 2021 die Rahmedetalbrücke auf der Sauerlandlinie A 45 gesperrt werden muss, trifft das die wichtigste Wirtschaftsregion Nordrhein-Westfalens ins Mark. Denn anders als bei vielen anderen maroden Brücken kann der Verkehr hier im Mittelgebirge nicht einfach umgeleitet werden, sondern quält sich im Dauerstau durch die engen Täler. Mehr als 150 Weltmarktführer haben hier ihren Stammsitz, mittelständische Betriebe, die abhängig sind von dieser Brücke: Rohstoffe hin-, fertige Produkte wegtransportieren, das dauert jetzt alles viel zu lang.
    Investitionen werden verschoben, alteingesessene Firmen überlegen, abzuwandern, Mitarbeiter kündigen, weil sie zur Arbeit jetzt dreimal so lange brauchen. Und neue Fachkräfte anzuwerben, ist aussichtslos: Wer will noch herziehen, wenn man nicht mal hinkommt? Durch Lüdenscheid wälzt sich jetzt Tag für Tag eine endlose Kolonne von LKW. Anwohner werden krank vom Lärm und Dreck und überlegen, weg zu ziehen. Doch wer will ihr schmuckes Häuschen kaufen, wenn sich vor der Tür rund um die Uhr der Schwerlastverkehr staut? Als die Brücke 1968 gebaut wurde, plante man mit 25.000 Fahrzeugen am Tag und berechnete Blechdicke und Stahlqualität danach.
    Doch genutzt wurde die Brücke zuletzt von 64.000, davon 13.000 LKW. Jetzt ist sie so marode, dass sie nur noch gesprengt werden kann. Doch das ist im gebirgigen Gelände aufwändig, die planerischen und praktischen Vorbereitungen zogen sich, am 7.Mai wird endlich gesprengt – und wenn alles gut geht, soll in 5 Jahren die neue Brücke stehen und die abgeschnittene Region wieder angeschlossen sein.
    Zu lange für den drittwichtigsten Wirtschaftsstandort Deutschlands, sagen Unternehmer. Sie haben konstruktive Vorschläge für die Umleitung des Verkehrs gemacht und keine Antwort erhalten. Bewohner fürchten den Niedergang ihrer Heimat. Von der Politik fühlen sie sich im Stich gelassen. Wie soll es jetzt weiter gehen? Die Rahmedetalbrücke ist längst das Symbol für den deutschen Infrastrukturnotstand. Allein in NRW müssen in den nächsten zehn Jahren 873 Autobahnbrücken saniert werden. „Das macht mir große Sorgen“, sagt NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer.
    „Wir haben hier ein Riesenproblem vor der Brust, denn die Rahmedetalbrücke ist nicht die letzte, die gesperrt werden muss.“ Dass Autobahnen Bundesangelegenheit sind, umgeleiteter Verkehr dann aber Ländersache, macht das alles nicht leichter. Eine Dokumentation, die den Hintergrund dieses Brückendramas ausleuchtet. Und von Menschen erzählt, die nicht verstehen, warum das alles so lange dauert, von Unternehmern, die ihre Betriebe retten wollen, von Machern, die den Neubau beschleunigen möchten und anpacken. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereSo 07.05.2023WDR
  • Folge 14 (45 Min.)
    2023 ist für die Türkei ein besonderes Jahr. Im Mai finden Wahlen statt, im Oktober feiert die Türkische Republik ihren 100. Geburtstag und bereits im Februar hat das große Erdbeben diesem Jahr auf dramatische Weise einen Stempel aufgesetzt. In dieser Situation schaut die „Story“ auf junge Menschen, auf die „Generation Erdogan“, die mit ihm und seiner Politik aufgewachsen ist. Die Doku begleitet junge Erwachsene in der Türkei und junge Deutsch-Türk:innen in NRW in unterschiedlichen Lebensumfeldern, um zu erfahren, was für sie in ihrem Leben wichtig ist, wie sie die Türkei sehen, welche Erwartungen sie an die Politik haben und welche Hoffnungen für die Zukunft sie bewegen. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMi 10.05.2023WDR
  • Folge 15 (45 Min.)
    Seit Russland die Ukraine überfallen hat und dieser Krieg in unserer Nachbarschaft in Europa stattfindet, beschäftigt Deutschland die Frage: Was folgt für uns daraus? Der Bundeskanzler hat eine Zeitenwende ausgerufen. Und er hat hinzugefügt: Kriegstreibern wie Putin Grenzen zu setzen, das setzt eigene Stärke voraus. Nur: Wie genau definiert sich die? Militärische Stärke jedenfalls hatte in Deutschland seit Ende des Kalten Krieges kontinuierlich an Bedeutung verloren – und sehr vielen Menschen hierzulande war das gleichgültig, auch dem Filmemacher Florian von Stetten. Er gehörte als junger Mann zu den vielen Bürgern der Bundesrepublik, die den Kriegsdienst verweigerten.
    Trotzdem wurde er erst einmal eingezogen, weil sein Anerkennungsverfahren sich hinzog. So fand er sich in einer Kaserne wieder und musste Tag für Tag erneut die Entscheidung treffen, den Befehl zu verweigern. Auch Olaf Scholz verweigerte den Kriegsdienst und demonstrierte in den 1980er Jahren gegen den NATO-Doppelbeschluss, die Grünen entstanden auch aus der Friedensbewegung. Diese Generation sitzt jetzt an den Schaltstellen der Macht. Viele Deutsche reiben sich seit der Zeitenwende die Augen: Nie wieder Krieg – ist das jetzt Schnee von gestern? Oder war das sehr lange einfach nur bequem, um sich nicht mit einem Ernstfall beschäftigen zu müssen? Bisher bestimmten die Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs ganz wesentlich das Verhältnis der Deutschen zum Militär.
    Zurückhaltung war die Maxime, nicht so genau hinschauen das Ergebnis. „Freundliches Desinteresse“ hat es der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler genannt. Und jetzt? Anhand seiner eigenen Biographie untersucht der Filmemacher Florian von Stetten das komplizierte Verhältnis der Deutschen zu ihrer Armee und konfrontiert Zuschauerinnen und Zuschauer mit der Frage: Wofür würden Sie eigentlich in den Krieg ziehen und jemanden töten? (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMi 31.05.2023WDRDeutsche Online-PremiereMi 17.05.2023ARD Mediathek
  • Folge 16 (45 Min.)
    Der Aufstieg von Jeff Bezos ist mehr als außergewöhnlich. Er wird auch als „Terminator“ bezeichnet und kann wie ein Schurke mit neuer Freundin wirken, der mit Elon Musk um den Titel des reichsten Mannes der Welt konkurriert. Wie ein Insider erzählt, scheint er zu einer Karikatur dessen geworden zu sein, was es heißt, übermäßig reich und mächtig zu sein. Doch Jeff Bezos war nicht immer so glamourös. Diese Episode zeigt, wie Bezos von seinen Anfängen als obsessiver Computer-Nerd den Online-Buchhandel Amazon aus einem Garagen-Start-Up zu einem der größten – und umstrittensten – multinationalen Konzerne der Welt formte. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMi 21.06.2023WDR
  • Folge 17 (45 Min.)
    Kaum eine Figur spaltet die öffentliche Meinung so sehr wie Elon Musk. Das extravagante Mastermind hinter Tesla und SpaceX lässt mit einzelnen Tweets die Aktienmärkte verrücktspielen, seine kontroversen PR-Auftritte lassen manche Expert:innen an seinen wahren Motiven zweifeln. Durch globalisierte Möglichkeiten und universelle technische Reichweiten verfügt Musk über einen Reichtum und Einfluss, der jenen der meisten Nationen und demokratisch gewählten Staatsoberhäupter bei Weitem übersteigt. Alte Wegbegleiter:innen und ehemalige Angestellte erklären, wie der 51-Jährige tickt, was ihn antreibt und welche Methoden er nutzt, um seine Ziele zu verfolgen. Denn Musk versteht es wie kein Zweiter, seinen Einfluss in den sozialen Netzwerken für seine Zwecke zu nutzen. (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMi 28.06.2023WDR
  • Folge 18 (45 Min.)
    In Spanien gibt es, wie in einigen anderen Ländern Südeuropas, ein neues, immer drängenderes Problem: Wasserknappheit. Die Situation ist in diesem Jahr so angespannt, dass etwa die besonders betroffene Region Katalonien bereits im April drastische Maßnahmen zum Wassersparen eingeführt hat. Springbrunnen bleiben trocken, Strandduschen laufen nur an wenigen Orten. Der Sommer hat bislang schon Rekordtemperaturen und Trockenheit mit sich gebracht, das Land steht vor einer großen Herausforderung: Wie lässt sich das knappe Gut Wasser sinnvoll und gerecht verteilen? Schließlich wollen nicht nur die Privathaushalte Wasser nutzen, sondern vor allem auch die wichtigen Wirtschaftszweige Landwirtschaft und Tourismus.
    Konflikte sind vorprogrammiert. „Ich habe da schon ein sehr ambivalentes Gefühl“, sagt die Urlauberin Bettina und schaut auf den Pool des Campingplatzes, auf dem sie gerade mit ihrem Wohnmobil steht. Er liegt am Rande des Nationalparks Doñana, der UNESCO-Weltnaturerbe und Rückzugsraum für tausende bedrohte Vogelarten ist.
    Er war Spaniens größtes Feuchtgebiet, 2022 ist es komplett ausgetrocknet, weil ihm zu viel Wasser entnommen wurde. Unter anderem für den Tourismus, für Rasensprenger, Strandduschen und Hotelpools. Pools wie dem in Bettinas Anlage. „Gerade jetzt, wenn es mehr als 40 Grad heiß ist, tut das als Abkühlung schon gut“, sagt die Touristin aus Dieburg. „Ohne geht es nicht. Spanienurlauber erwarten das einfach“, bestätigt auch Laura Pérez, Marketingchefin eines Hotels in Lloret de Mar.
    „Wir haben das Wasser im Pool um 20 Zentimeter abgesenkt, außerdem wird es nicht mehr so oft ausgetauscht“, erklärt sie erste Sparmaßnahmen in Katalonien. Aber reicht das? Spanien ist mit seinen 80 Millionen Besuchern pro Jahr nicht nur eines der beliebtesten Reiseziele der Welt, sondern auch das Gewächshaus Europas. Die Landwirtschaft pumpt jeden Tag viele Millionen Liter Wasser aus dem Grundwasser ab, um Erdbeeren, Tomaten oder Avocados zu bewässern. Das geschieht auch im Nationalpark Doñana, über Hunderte illegale Brunnen.
    Anders sind die enormen Wachstumsraten in der Landwirtschaft nicht zu stemmen. „Das ist Selbstmord“, schimpft der Umweltschützer Juan Romero. „Auf einen begrenzten Planeten passt kein unbegrenztes Wachstum.“ „Die Story“ geht der Wasserknappheit in Spanien auf die Spur, schaut in Katalonien und Andalusien, welche Auswirkungen sie bereits hat und wie der Tourismus auf die neue Lage reagiert. Wie sieht Urlaub in Zeiten von Trockenheit und Hitze aus – und wo gibt es Hoffnung auf Besserung? (Text: WDR)
    Deutsche TV-PremiereMi 09.08.2023WDRDeutsche Online-PremiereDi 08.08.2023ARD Mediathek

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