Die Spur der Schätze Folge 16: Der Sessel des KZ-Kommandanten
Folge 16
Der Sessel des KZ-Kommandanten
Folge 16 (30 Min.)
Immer wieder verwundert Besucher, weshalb die Inschrift im Lagertor des Konzentrationslagers Buchenwald „Jedem das Seine“ in einer Bauhausschrift gestaltet ist. Denn das Bauhaus zählte für die Nazis zur entarteten Kunst. Ab 1937 herrschte ein Totalverbot für moderne Kunstrichtungen. Doch wie gelangt die Schrift an den Eingang Buchenwalds? Die Spur fand ein Archivar aus dem Bauhaus-Archiv Dessau. Im Nachlass des Bauhaus-Architekten Franz Ehrlich befand sich ein seltsamer Sessel. Den hatte Ehrlich als Häftling für den KZ-Kommandanten von Buchenwald entworfen. Ein Häftling, der das KZ mit einem Möbeltransport verlässt? Ratlos rief der Dessauer Archivar bei den Historikern der Gedenkstätte Buchenwald an. Doch die hielten das für undenkbar. Und so begann die Suche nach den Spuren des Buchenwaldhäftlings Franz Ehrlich. Sie offenbarte, was bis dahin niemand wusste: Franz Ehrlich war der Architekt Buchenwalds. Das Lagertor, die Kommandanten-Villen samt Inneneinrichtung,
die SS-Kasernen, der Lagerzoo, der Falkenhof bis hin zum Generalbebauungsplan stammen von seinem Reißbrett. Ehrlich und der SS-Bauleiter Riedel, der offizielle Erbauer des Lagers, hatten die Spuren verwischt. Aus unterschiedlichsten Gründen und Motiven. Franz Ehrlich wäre in Vergessenheit geraten, wenn sein Nachlass dem Archivar nicht rätselhaft erschienen wäre. Der Bauhaus-Architekt hätte einer von den ganz Großen werden können. Doch er geriet mit seinem Werk immer wieder zwischen die Fronten der Geschichte, bei den Nazis und in der DDR. Ehrlich hinterließ viele Spuren, ohne je echte Anerkennung zu gewinnen. Sein widersprüchliches Werk reicht vom Lagertor des KZ Buchenwald über die erste DDR-Schrankwand „Hellerau 602“ bis zum DDR-Rundfunkgebäude Nalepastraße mit dem großen Sendesaal, der für viele Künstler bis heute die beste Akustik der Welt hat. Ein Architektenleben zwischen Kollaboration und Widerstand, zwischen Bauhaus und Formalismusdebatte. (Text: mdr)