Eine kleine Schachtel ist alles, was Christine Waschil von ihrem Vater besitzt. Darin ist alles enthalten, was sie von ihrem Vater weiß. Behutsam hebt sie den Deckel: Ein goldener Ring mit den eingravierten Initialen „I. L.“ und ein schmaler Stapel Schwarz-Weiß-Fotos. Das ist der Ausgangspunkt. Hier beginnt die Suche nach ihrem Vater Iwan Hans Luzenko, den Christine nie kennengelernt hat, und über den ihre Familie jahrzehntelang schwieg. Bis zur Wende galt das unausgesprochene Verbot, nach Iwan zu fragen. „Meine Mutter hat eisern den Mund gehalten und
ich wollte sie nicht belasten. In der DDR war so eine Liebe einfach Tabu.“ Wer ist dieser junge Mann, der 1945 kurz nach dem Krieg – eine Mütze mit einem roten Stern auf dem Kopf – so strahlend in die Kamera lächelt? Ein Besatzungssoldat der sowjetischen Armee, der sich sträflicherweise mit einer Deutschen eingelassen hatte? Ein sowjetischer Zwangsarbeiter, der für die Nazis in einem Chemnitzer Industriebetrieb schuften musste? Oder gar ein russischer Agent, der plötzlich auf- und dann klammheimlich wieder abtauchte? (Text: mdr)