Dokumentation in 7 Teilen, Folge 1–7

  • Folge 1 (45 Min.)
    Eine Reise durch den französischen Teil der Alpen zeigt Kontraste, wie sie dieses Gebirge in keinem anderen Land mehr bietet: von der mediterranen Kultur der Seealpen bis zur hochalpinen Gletscherlandschaft in Savoyen.
    Wer mit offenen Augen durch die einsamen Täler und wilden Schluchten fährt, muss feststellen, dass die auch in anderen Ländern prekäre Lage der Bergbauern in Frankreich dramatisch ist. In vielen Dörfern im Süden wurde die Landwirtschaft zum großen Teil ganz aufgegeben, sie stehen im Winter leer, dienen im Sommer den Abgewanderten oder Stadtflüchtigen als „residence secondaire“.
    Nur noch die alten Bauern erinnern sich an eine Zeit, in der die Arbeitsbedingungen in diesen Bergdörfern zwar hart, aber die Menschen ohne falsche Romantik zufrieden, vielleicht sogar glücklich waren.
    Heute werden die Seealpen von der Regierung und den Bauern selbst weitgehend aufgegeben, sie sind ein Refugium für Touristen, die noch relativ unberührte Berglandschaft suchen und die letzten Reste einer bis in die Römerzeit reichenden Siedlungskultur. Vor allem die spektakulären „villages perches“, die auf Hügel gebauten Haufendörfer im Hinterland von Nizza, sind steinerne Zeugen einer blühenden bäuerlichen Kultur.
    Im „Vallee des Merveilles“, einem unzugänglichen Hochtal im Nationalpark Mercantour, nahe an der italienischen Grenze, findet man sogar Spuren der allerersten Hirten, die sich in die Alpen gewagt haben: Circa 40 000 Zeichnungen aus der Bronzezeit sind im Gebiet des Monte Begu, eines heiligen Bergs, in die Felswände eingeritzt.
    Der nördliche Teil der französischen Alpen ist dichter besiedelt. Hier hat der Tourismus, vom Staat gelenkt, neue Einnahmequellen erschlossen, die zuweilen groteske Formen angenommen haben. Die berühmten Retortenstädte in Savoyen, die den modernen Massenskitourismus kanalisiert und die kalkulierte Vermarktung der Berge ins Extrem gesteigert haben, bilden einen bizarren Kontrast zum einsamen und verlassenen Süden.
    Nur wenigen Dörfern ist es gelungen, zu überleben, ohne sich überrollen zu lassen, ohne die eigene bäuerliche Kultur nicht ganz aufzugeben. Das beste Beispiel dafür ist vielleicht Bonneval – Modellfall dafür, wie sich Landwirtschaft und Bergtourismus auf sinnvolle Weise ergänzen können, wenn die Einheimischen die Entwicklung selbst in die Hand nehmen. (Text: Bayerisches Fernsehen)
    Deutsche TV-PremiereSo 20.12.1992Bayerisches Fernsehen
  • Folge 2 (45 Min.)
    Zum Inbegriff eines Berges oder der Alpen wurde das Matterhorn dank seiner ungewöhnlich ausdrucksvollen und einprägsamen Gestalt. Entdeckt hat man es wegen seiner Abgelegenheit erst spät, als alle Konkurrenten in der Gunst von Forschern, Bergsteigern und Publikum, wie Mont Blanc oder Jungfrau, längst bezwungen waren. Berühmt wurde es nach dem 14. Juli 1865, dem Tag der Erstbesteigung, nach einem Ereignis, das an Dramatik kaum zu übertreffen ist und das Zermatt für kurze Zeit in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit stellte. Da ist zunächst der Wettlauf zum Gipfel, den Eduard Whymper und seine Gefährten vor der italienischen Seilschaft gewinnen. Aber gleich nach diesem Sieg geschieht das Unglück. Wenige Meter unterhalb des Gipfels stürzen vier der sieben Expeditionsteilnehmer ab. In der Presse, vor allem in England, wurde zum ersten Mal leidenschaftlich über Sinn und Unsinn des Bergsteigens diskutiert.
    Damals, um die Mitte des 19. Jahrhunderts, gab es in Zermatt ein paar hundert Einwohner, drei Gasthöfe und etwa 67 Betten. Heute kommen auf 3.500 Einwohner fünfmal so viel Betten. Der Tagestourismus verzeichnet bis zu 40.000 Besucher an einem Wochenende und alle haben das Ziel, dem Matterhorn, dem Monte Rosa und den anderen Eisriesen möglichst nahe zu kommen. Der älteste Bergführer der Welt, Ulrich Inderbinen, Jahrgang 1900, hat diese Entwicklung Zermatts vom kleinen Bauerndorf zum Hotelagglomerat miterlebt, ebenso wie den Wandel vom Bergsteiger- zum Seilbahntourismus.
    Die Landwirtschaft spielt in Zermatt längst eine untergeordnete Rolle. Anders im Rhonetal. Die kleinen Getreidefelder unterhalb des Furkapasses, die die Wiesenhänge in ein Schachbrett verwandeln, die Weinberge und Obstkulturen weiter flussabwärts geben der Landschaft ein bäuerliches Gepräge. Beeinträchtigt wird dieser Eindruck empfindlich durch Straßen und Verkehr, durch Industrieanlagen, vor allem Chemie- und Zementwerke und die ausufernden Gewerbe- und Wohngebiete nicht nur in den Zentren wie Sierre oder Sion.
    Das Walliser Rhonetal ist eines der extremsten Trockentäler der Alpen. An den gelbbraunen, sonnenverbrannten Hängen fühlt man sich an die sehr viel südlicheren Gestade der Rhone in der Provence oder gar ins spanische Hochland versetzt. Das Tal, ein uraltes Siedlungsgebiet, wurde schon früh christianisiert. Die heiligen Stätten von Sion oder des Klosters St. Maurice geben davon Zeugnis. Hier haben die Mönche früher alle Reisenden in ihre Gebete aufgenommen, die in den damals so gefährlichen und unwegsamen Bergen unterwegs waren. St. Maurice, direkt am Tor zum Wallis und damit zum Großen St.-Bernhard-Pass gelegen, verdankt dieser Lage seinen prächtigen Klosterschatz, den Kaiser und Könige mehrten, Handelsleute und unzählige Pilger auf ihrem Weg nach Italien oder ins Heilige Land.
    Gleich nach der Talenge von St. Maurice bildet die Rhone ein Delta, bevor sie sich zum größten Binnensee Mitteleuropas weitet, dem Genfer See, dem Lac Leman. Hier hat J. J. Rousseau in seinen Romanen das neue Naturgefühl beschrieben, die Schönheit der unberührten Alpen gepriesen, die man bis dahin als wild und bedrohlich erlebt hatte. Damit war der Weg frei zur Entdeckung und Erforschung der Alpen – und zu ihrer Eroberung und Ausbeutung. Am Genfer See haben Schriftsteller wie Ramuz, Rilke, Hemingway, Nabokov gelebt und gearbeitet, hier verweilten Maler wie Hodler und Kokoschka, die Kaiserin Eli-sabeth von Österreich, Charlie Chaplin, die Liste prominenter Namen ließe sich beliebig verlängern.
    Anders als im abgeschiedenen Wallis, wo Armut noch vor 50 Jahren die Bevölkerung zum Auswandern zwang, verlief in dieser reichen und offenen Gegend die Entwicklung auch im Bereich des Tourismus sehr viel organischer und behutsamer. So haben vor allem die kleineren Orte ihren Charakter
    bewahren können: Dörfer inmitten von Weinbergen mit engen Gassen, schönen alten Häusern und Gärten, vor allem aber mit der prachtvollen Aussicht auf die nahen Berge und die Weite des Sees, an dessen Ufer man am Abend Boule spielt oder spazieren geht. (Text: Bayerisches Fernsehen)
    Deutsche TV-PremiereSo 27.12.1992Bayerisches Fernsehen
  • Folge 3 (45 Min.)
    „Immer muss der Schweizer beim Gotthard beginnen, das ist der Anfang und das Ende seiner Geographie“, schreibt Heinrich Federer 1911. Am gewaltigen Massiv des St. Gotthard treffen die Hochgebirgsketten aus allen Himmelsrichtungen zusammen, ebenso wie die Sprachen der Schweiz: Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. Er ist die große Wasserscheide, wo wenige Kilometer voneinander entfernt Rhein, Rhone, Ticino und Reuß entspringen. Genau betrachtet beginnt der Gotthard in Amsterdam oder Basel und endet in Mailand. Bis zum Anfang des 13. Jahrhunderts, als die Urner die Teufelsbrücke über die Schöllenen-Schlucht erbauen ließen, führten die Hauptverkehrswege am Gotthard vorbei über die Pässe des Wallis und Graubünden.
    Der Teufel, der nach der Sage die Brücke erbaut haben soll, hieß in Wirklichkeit Agosto da Tivoli, in der Mundart der Urner wurde daraus der „Tyfel“. Mit diesem Bauwerk wird der Gotthard zum bedeutendsten Pass Europas. Heute ist er einer der neuralgischen Punkte bei allen Überlegungen, wie man den ständig zunehmenden Verkehr im künftigen Europa überhaupt bewältigen kann. Die vernünftigste Lösung, der Bau eines Eisenbahn-basistunnels, um die Lastwagen endlich auf die Schiene zu bringen, wird in den nächsten Jahren begonnen.
    Die Tat der Urner Landbevölkerung machte den Gotthard aber auch zum bestimmenden Faktor bei der Gründung der Eidgenossenschaft vor 700 Jahren. Die Kontrolle dieses bedeutenden Handelsweges, das hatten die Urkantone damals erkannt, war der Schlüssel zu Reichtum und politischer Selbstständigkeit. Die diesen Bund gründeten, die Urner, Schwyzer und Unterwaldener, waren freilich keine freiheitsliebenden Hirten, wie es die Sage will, sondern adelige Grundbesitzer und freie Bauern. Dennoch ist ohne diesen Mythos vom Freiheitshelden Wilhelm Tell und ohne das Schiller’sche Drama die Schweizer Geschichte, vor allem die des 19. Jahrhunderts, nicht vorstellbar.
    Die drei Urkantone, zu denen sich bald auch Luzern gesellte, liegen rund um den Vierwaldstätter See, der schon früh das Ziel eines zahlungskräftigen Reisepublikums wurde. Vor allem die Sonnenauf- und -untergänge auf der Rigi, die bis zur Entdeckung des Hochgebirges als Berg schlechthin galt, waren ein Muss für den gebildeten Touristen auf der Suche nach der unberührten Schweizer Natur. Auf der anderen Seite des Gotthards liegen der Lago Maggiore, der Luganer und der Comer See. Den Traum, hier den Süden zu erleben, musste man sich lange Zeit mit der Postkutsche beschwerlich und teuer erkaufen. Mit dem Bau des Eisenbahntunnels durch den Gotthard, der 1882 fertig gestellt wurde, änderte sich nicht nur das. Die Bahn ermöglichte den besseren Anschluss des abgelegenen, armen und lange Zeit unselbstständigen Kantons Tessin an die übrige Schweiz.
    Tessiner Kaufleute, Gastwirte und Handwerker siedelten sich in Bern, Zürich oder Luzern an. Umgekehrt kamen die Hoteliers aus dem Norden ins Tessin. Die Schweiz wurde durchlässiger, und die Bevölkerung weltoffener. Man heiratete untereinander, knüpfte Geschäftsverbindungen. All das trug wesentlich zum Bestand dieses für Ausländer oft unverständlichen Staatsgebildes Schweiz bei, in dem vier Sprachen gesprochen werden und das doch über alle Krisen hinweg zusammenhält. Und nicht nur in der Schweiz wird darüber nachgedacht, ob diese jahrhundertealte demokratische Lebensgemeinschaft nicht ein Modell für ein künftiges Europa sein könnte. (Text: Bayerisches Fernsehen)
    Deutsche TV-PremiereSo 03.01.1993Bayerisches Fernsehen
  • Folge 4 (45 Min.)
    Dieser Teil der Alpenreise führt weit zurück in die Vergangenheit der Berge, ihre Hebung und ihre Verwerfungen werden anschaulich, ihr eiszeitlicher Gletscherschliff, der Täler und Seen zurücklässt, mit ihrem ganz eigenen Klima wie am Gardasee. Aber auch Bergkuppen, die über das Eismeer hinausragen und somit Pflanzen vor dem Untergang bewahren, voreiszeitliche Blumen, die auch heute nur dort am Monte Baldo, am Monte Brione, zu finden sind, werden gezeigt. Hinunter ins Etschtal nach Trient, in die alte Konzilsstadt mit ihren wechselnden Herren, mal venezianisch, dann habsburgisch, schließlich italienisch. Dazwischen einer der grausamsten Kriege des 20. Jahrhunderts, der Erste Weltkrieg und die Alpenfront. Er teilt willkürlich und nachhaltig, was bis dahin neben- und miteinander bestand.
    Eingestreut wie Einsprengsel die Sprachinseln dieser Region, zunächst das Fersental mit seinem altertümlichen Deutsch.
    Je weiter die Reise nun vorangeht, um so märchenhafter ihre Stationen. Im Val di Cembra, im Zimberntal, ein Blick von der Ponte Alto in eine tiefe Schlucht aus reinem Porphyr, die bizarren Erdpyramiden von Segunzano und schließlich der Höhepunkt: die Riffe und Türme der Dolomiten, Rosengarten, Vajolet, Drei Zinnen – Berginseln im Luftmeer, Korallenbänke auf 2 000 Meter Höhe. Die Dolomiten gehören zum eindrucksvollsten, was die Alpen an Gestalt und Form hervorgebracht haben. Hinter dem Sella-Massiv in den ladinischen Tälern endet dieser Teil der Reise, vor den bleichen Bergen der Fanes-Alm, und aus den bunten Steinen formt sich das Bild einer Landschaft und auch ihrer Menschen. (Text: Bayerisches Fernsehen)
    Deutsche TV-PremiereSo 10.01.1993Bayerisches Fernsehen
  • Folge 5 (45 Min.)
    Die Reise durch Tirol, das „Heilige Land Tirol“, beginnt dort, wo Berge, religiöser Brauch und bäuerliche Tradition einmal im Jahr, am Fronleichnamstag, in einer Art Hochglanzbild zusammenfinden, in Kastelruth in Südtirol mit dem Schlern im Hintergrund.
    Tirol ist ein altes Land und ebenso alt sind die Wege, auf denen Hirten, Bauern, Händler, Pilger und Soldaten durch Tirol zogen. So treiben noch immer Hirten aus dem Südtiroler Schnalstal ihre Schafe über Felssteige und die Schneefelder des Similaungletschers ins benachbarte Nordtiroler Ötztal auf die Sommerweide. Der Pass, das Niederjoch, liegt auf 3 017 Meter Höhe, nur 1 000 Höhenmeter tiefer befinden sich die Rofenhöfe, eine der höchstgelegenen Almen der Alpen und seit Jahrhunderten von den Schnalstalern genutzt. Den Weg übers Niederjoch könnte möglicherweise auch der prähistorische Mann gekannt haben, dessen mumifizierter Körper am Similaungletscher gefunden wurde.
    Weniger hoch gelegen, dafür wirtschaftlich bedeutender, ist der alte Handelsweg über den Reschenpass und nicht von ungefähr steht an seinem südlichen Eingang im oberen Vinschgau das Benediktinerkloster Marienberg, eines der früher so wichtigen Zivilisationszentren, die die Alpen kulturell und wirtschaftlich erschlossen haben. Sie verdrängten – auf der anderen Seite – das Alte, vor ihnen Bestehende, den Kult der Naturreligionen, deren steinerne Überreste, wie etwa die Schalensteine, noch entlang der Etsch zu finden sind, die alte Sprache, das „Chur-Welsche“ oder „Rätoromanische“, wie es vorher im Vinschgau gesprochen wurde. Sie hat nur noch in den Flur- und Ortsnamen überlebt: Kortsch, Latsch, Glurns zum Beispiel.
    Das Vinschgau ist voll von Obst, obwohl es zu den trockensten Tälern der Alpen gehört. Wasser und vor allem Wasserrechte haben jahrhundertelang eine große Rolle gespielt.
    Über Meran und Schloss Tirol führt der Weg nach Bozen. Zwei Kulturen treffen hier aufeinander, sichtbar an den Märkten, dem italienischen Krämermarkt und dem alten Bozner Obstmarkt. Der Weg zum Brenner – heute fährt man unten im Tal auf der Autobahn. Die alte Verbindungsstraße von Deutschland nach Rom verlief dagegen auf halber Höhe am Hang und führte über den Ritten, um die Schlucht der Eisack zu umgehen.
    Der Brenner ist inzwischen zu einem Nadelöhr für den Verkehr zwischen Mittel- und Südeuropa geworden, zu laut, zu dreckig, zu giftig. In Nordtirol gibt es mittlerweile fast so viele Bürgerinitiativen gegen die Verkehrsbelastung wie Blaskapellen.
    In Innsbruck gibt es den nächsten alten Handelsweg, dem Inn, über Jahrhunderte die wichtigste und schnellste Verbindung Nordtirols mit der außeralpinen Welt bis nach Wien. In Kramsach, dort, wo die alte Lebensform in einem Bauernhofmuseum konserviert ist, endet dieser Teil der Alpenreise. (Text: Bayerisches Fernsehen)
    Deutsche TV-PremiereSo 17.01.1993Bayerisches Fernsehen
  • Folge 6 (45 Min.)
    Schatzkammer Salz – die wenigen uralten Fundstellen dieses Grundnahrungsmittels zwischen Reichenhall und Hallstatt bedeuten für die Ostalpen jahrtausendelang eine ähnliche wirtschaftliche Dynamik wie moderne Erdölfelder in der Wüste. Die Alpen sind an dieser Stelle nie Barriere gewesen, im Gegenteil, das Salz hat die Menschen magnetisch angezogen. Das ist der Grund für eines der ältesten Netze von Wegen und Passübergängen, für älteste Siedlungen, für früheste Formen von Industrie, von Reichtum und Städtebau mitten in den Alpen. Und früh wird hier gestritten um Macht und Herrschaft, um Rechte und um sehr exakte Grenzen.
    Individualität und Eigenständigkeit am Beispiel des Berchtesgadener Landes wird gezeigt, das einzige bayerische Kapitel dieser siebenteiligen Alpenreise. Das unterirdische Kapitel dieser Landschaft, die monumentale Unterwelt des Salzbergwerkes Berchtesgaden, und das oberirdische Kapitel, die Schönheit von Watzmann und Königsee, diese beiden außergewöhnlichen Reichtümer haben seit Jahrhunderten auch für ungewöhnlich viel Streit und Schacher gesorgt. Von den Berchtesgadener Stiftspröpsten bis zu Hitlers Obersalzberg und hin zur Vermarktung durch den modernen Tourismus zieht sich ein immer gleiches Leitmotiv durch die Berchtesgadener Geschichte – die Begehrlichkeit.
    Die Künstler stehen am Anfang des touristischen Zeitalters. Nicht umsonst beginnt diese Reise an einer Urzelle der neuen Wunschbild-, Traum- und Sehnsuchtsmalerei, am Malerwinkel am Königsee. Ein Motiv, das mit einer wahren Bilderflut zu einer Inflation der Gefühle geführt hat, zu Katarakten von Schlafzimmerbildern und Kitschpostkarten. Nun kann das Original nichts dafür, dass uns so viele Surrogate den Blick verstellen, dass es zum Klischee wurde und zum Abziehbild. Da geht es dem Watzmann nicht anders als der Mona Lisa und der Sixtinischen Madonna.
    Berchtesgaden und Salzburg stehen für die geistlichen Herrschaftszentren mitten in den Alpen. Die vergoldete Kaminstube auf der Feste Hohensalzburg ist wohl das echteste und eindringlichste Bild dieser geistlichen Hausmacht und des Reichtums, der auf Salz gebaut war.
    Ein anderes Beispiel für die Intensität und Dichte der Kommunikation in diesem Bereich der Alpen ist die Wallfahrt zum Heiligen Wolfgang, dem zu Ehren einer der schönsten und größten gotischen Altäre mühsam auf Ochsenkarren über den Alpenhauptkamm transportiert wurde.
    Hallstatt schließlich ist die dritte Sonderlandschaft des Salzreichtums und eines der faszinierendsten Kapitel vor- und frühgeschichtlicher Besiedelung in den Alpen. Hier endet auch der vorletzte Abschnitt der Alpenreise. (Text: Bayerisches Fernsehen)
    Deutsche TV-PremiereSo 24.01.1993Bayerisches Fernsehen
  • Folge 7 (45 Min.)
    Die Kaiser-Villa in Bad Ischl und die Wohn- und Jagdhäuser von Erzherzog Johann markieren das Eindringen einer neuen Nutzung, einer neuen Gesellschaft und eines neuen städtischen Seelengefühls in die Alpen, einer unwiderstehlichen Sehnsucht nach dem Echten und Wahren, nach schöner und unberührter Natur, die in wenigen Jahrzehnten zu einer alles vereinnahmenden Massenbewegung wird.
    Die Alpen werden zur Sommerfrische. Die große Wiener Gesellschaft kauft sich ein in den Alpen und besiedelt sie für eine Saison lang im Jahr. Das ist neu in Europa, und Kaiser Franz Joseph ist die Gallionsfigur dieser gesellschaftlichen Neuerschließung der Alpen. Luxus kommt in die Alpen, fashionabler Luxus und technischer Komfort.
    Die Gegenwelt dazu ist die frühe Eisenindustrie rund um den Steirischen Erzberg. „Dein Heimatland Steiermark ist das Land der Hammerschmiede“, sagt der Vater Rosegger zum Waldbauernbub, „die Täler sprühen und leuchten, wo die Hochöfen stehen. Und der Erzberg ist mehr wert als alles Gold und Silber von Österreich.“ Eine der letzten noch arbeitenden Sensenschmieden hinter dem Pyhrn-Pass und der geplünderte und devastierte Erzberg markieren den Anfang vom Ende eines ehernen Zeitalters in den österreichischen Ostalpen.
    Ein anderes frühes Beispiel von kaiserlicher Landespolitik mitten im Gebirge ist die Wallfahrt zur göttlichen Landesmutter von Mariazell. Der abgelegene Gnadenort war und ist die größte und berühmteste Wallfahrt im ganzen Alpenbogen und hat Menschenmassen ins Gebirge gezogen, Jahrhunderte bevor an einen Alpentourismus überhaupt zu denken war.
    In der Nachbarschaft baut sich Erzherzog Johann seine bäuerliche Gralsburg, den Brandhof, wohin er sich mit Anna Plochl zurückzieht, um als „der Brandhofer mit seiner Hausfrau“ ein echtes und rechtes Leben im Gebirge zu führen, der letzten Bastion der Einfachheit und Aufrichtigkeit.
    In vielerlei gefährlich ummäntelten Ideologien spukt diese Idee in immer mehr Köpfen des 19. und 20. Jahrhunderts: die Berge als Prüfstein für Helden und Sieger, für echte Männer und Kameraden. Die Nähe der Großstadt Wien zu den letzten großen Bergen des Alpenbogens, Schneeberg und Rax und dem Gebiet um den Semmering, fördert diese ideologische und geschäftliche Aufbereitung der Alpensehnsucht zum Alpinismus. Die technischen Denkmäler der Semmeringbahn, der ersten Hochgebirgseisenbahn der Welt, der Zahnradbahn auf den Schneeberg und der Seilbahn auf die Rax eröffnen ein neues Zeitalter der Eroberung der Alpen. Das Abenteuer wird zum Konsumartikel, der Sehnsuchtstraum zum Sonntagsausflug.
    Eher beiläufig endet die lange Alpenreise am letzten Berg des großen Alpenbogens, am Leopoldsberg vor Wien, direkt über der Donau, mit weitem Blick hinaus in die flache Donauebene. Auch dieser letzte Buckel der Alpen ist, wie könnte es anders sein, immerhin ein heiliger Berg, an dem in der großen, entscheidenden Türkenschlacht „das christliche Abendland gerettet wurde“, wie es so schön in den Schulbüchern heißt. (Text: Bayerisches Fernsehen)
    Deutsche TV-PremiereSo 31.01.1993Bayerisches Fernsehen

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