Die Alpen (1992) Folge 7: Kaisergebirge – Von Bad Ischl nach Wien
Folge 7
7. Kaisergebirge – Von Bad Ischl nach Wien
Folge 7 (45 Min.)
Die Kaiser-Villa in Bad Ischl und die Wohn- und Jagdhäuser von Erzherzog Johann markieren das Eindringen einer neuen Nutzung, einer neuen Gesellschaft und eines neuen städtischen Seelengefühls in die Alpen, einer unwiderstehlichen Sehnsucht nach dem Echten und Wahren, nach schöner und unberührter Natur, die in wenigen Jahrzehnten zu einer alles vereinnahmenden Massenbewegung wird. Die Alpen werden zur Sommerfrische. Die große Wiener Gesellschaft kauft sich ein in den Alpen und besiedelt sie für eine Saison lang im Jahr. Das ist neu in Europa, und Kaiser Franz Joseph ist die Gallionsfigur dieser gesellschaftlichen Neuerschließung der Alpen. Luxus kommt in die Alpen, fashionabler Luxus und technischer Komfort. Die Gegenwelt dazu ist die frühe Eisenindustrie rund um den Steirischen Erzberg. „Dein Heimatland Steiermark ist das Land der Hammerschmiede“, sagt der Vater Rosegger zum Waldbauernbub, „die Täler sprühen und leuchten, wo die Hochöfen stehen. Und der Erzberg ist mehr wert als alles Gold und Silber von Österreich.“ Eine der letzten noch arbeitenden Sensenschmieden hinter dem Pyhrn-Pass und der geplünderte und devastierte Erzberg markieren den Anfang vom Ende eines ehernen Zeitalters in den österreichischen Ostalpen. Ein anderes frühes Beispiel von kaiserlicher Landespolitik mitten im Gebirge ist die Wallfahrt zur göttlichen Landesmutter von Mariazell. Der abgelegene Gnadenort war und ist die größte und berühmteste Wallfahrt im ganzen Alpenbogen und hat
Menschenmassen ins Gebirge gezogen, Jahrhunderte bevor an einen Alpentourismus überhaupt zu denken war. In der Nachbarschaft baut sich Erzherzog Johann seine bäuerliche Gralsburg, den Brandhof, wohin er sich mit Anna Plochl zurückzieht, um als „der Brandhofer mit seiner Hausfrau“ ein echtes und rechtes Leben im Gebirge zu führen, der letzten Bastion der Einfachheit und Aufrichtigkeit. In vielerlei gefährlich ummäntelten Ideologien spukt diese Idee in immer mehr Köpfen des 19. und 20. Jahrhunderts: die Berge als Prüfstein für Helden und Sieger, für echte Männer und Kameraden. Die Nähe der Großstadt Wien zu den letzten großen Bergen des Alpenbogens, Schneeberg und Rax und dem Gebiet um den Semmering, fördert diese ideologische und geschäftliche Aufbereitung der Alpensehnsucht zum Alpinismus. Die technischen Denkmäler der Semmeringbahn, der ersten Hochgebirgseisenbahn der Welt, der Zahnradbahn auf den Schneeberg und der Seilbahn auf die Rax eröffnen ein neues Zeitalter der Eroberung der Alpen. Das Abenteuer wird zum Konsumartikel, der Sehnsuchtstraum zum Sonntagsausflug. Eher beiläufig endet die lange Alpenreise am letzten Berg des großen Alpenbogens, am Leopoldsberg vor Wien, direkt über der Donau, mit weitem Blick hinaus in die flache Donauebene. Auch dieser letzte Buckel der Alpen ist, wie könnte es anders sein, immerhin ein heiliger Berg, an dem in der großen, entscheidenden Türkenschlacht „das christliche Abendland gerettet wurde“, wie es so schön in den Schulbüchern heißt. (Text: Bayerisches Fernsehen)
Deutsche TV-PremiereSo. 31.01.1993Bayerisches Fernsehen