Kamel Daoud / Kann Frankreich seiner Kolonialvergangenheit ins Auge blicken? Kann Frankreich seiner Kolonialvergangenheit ins Auge blicken? Die Klarsicht eines algerischen Schriftstellers / Kann Frankreich seiner Kolonialvergangenheit ins Auge blicken? Die schmerzhafte Klarsicht eines algerischen Schriftstellers Kamel Daoud schreibt seit über 15 Jahren eine Chronik in der Tageszeitung Le quotidien d’Oran und in ausländischen Medien. Er versteht die Chronik als Kunst, als Form der Recherche und des freien journalistischen Engagements: Kamel Daoud schreibt nicht in der ersten Person. Er bleibt im Schatten, um den Leser tiefer zu berühren. Er will Zusammenhänge erklären und zum Nachdenken anregen. Der Journalist schreibt, „um den Zustand der Welt zu beschreiben“, und urteilt über die Gesundheit unserer Gesellschaften. Den Ausgangspunkt seiner Betrachtungen bildet häufig die Stellung der Frau in der Gesellschaft. Heute hat Kamel Daoud „das Instrument, aber nicht die Musik gewechselt“ und sich dem Roman, der Fantasiewelt, zugewendet. Seine Chroniken „Kleine Freiheitskriege“ wurden in einem Sammelband mit dem Titel Mes indépendances, chroniques zusammengefasst. Das Buch enthält 182 Chroniken des Schriftstellers, die für Algerien
geschrieben wurden, aber auch für den westlichen Leser von Bedeutung sind. Kamel Daoud ist heute Abend unser Gast. Kann Frankreich seiner Kolonialvergangenheit ins Auge blicken? Frankreich hat über 12.000 Museen, aber nur wenige beschäftigen sich mit der Kolonialgeschichte, obwohl diese über 130 Jahre dauerte. Es handelt sich um eine Geschichte, die bis heute nicht aufgearbeitet ist. Die Menschenrechte wurden in der Kolonialzeit mit Füßen getreten. Bis heute sind die Beziehungen zwischen Frankreich und Algerien von diesen schmerzlichen Erinnerungen geprägt. Am vergangenen Wochenende hat Emmanuel Macron von „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ gesprochen, während François Fillon die Kolonisierung als „Teilen von Kultur“ bezeichnete. Diese derart unterschiedlichen Auffassungen zeigen, dass Frankreich seine Kolonialgeschichte nicht aufgearbeitet hat und die Frage heute nicht nur historisch, sondern auch politisch ist. Wann wird Frankreich seiner Kolonialvergangenheit ins Auge blicken können? Um die Lage zu analysieren, empfangen wir heute Abend die Historikerin und Forschungsleiterin am CNRS Sylvie Thénault, den Historiker und Essayisten Dimitri Casali und den Schriftsteller Kamel Daoud, der für diese Debatte bei uns im Studio bleiben wird. (Text: arte)