Bezahlbarer Wohnraum für alle! Das ist das Motto des „Neuen Bauens“ in den 1920er Jahren. Mit der zunehmenden Industrialisierung drängen in ganz Europa drängen die Menschen in die Städte. Dort gibt es zwar Arbeit, aber nicht genug Wohnraum. Die Wohnverhältnisse sind oft elend. Die Krankenkassen stellen fest, dass die durchschnittliche Lebenserwartung von Bewohnern der Arbeiterviertel sehr viel niedriger als auf dem Land oder in den Stadtvierteln der Wohlhabenden ist. Mehr Licht, mehr Luft, mehr Sonne für die Menschen in ihrem Alltag – das ist das Ziel.
Schluss mit dem Muff beengter Hinterhof-Behausungen! Nicht nur die Großbürger brauchen eine sogenannte Gute Stube, außerdem müssen Wohnung und Zimmer völlig neu definiert werden! „Neues Bauen“, innovative Architektur und Raumgestaltung sind der sichtbare Ausdruck einer modernen, sozial gerechten Gesellschaft. Ein funktionales und minimalistisches „Wohn“-Zimmer macht den Anfang: ein zentraler Raum für soziale Aktivitäten. Offene Grundrisse, große Fenster, klare Linien, sparsame Verwendung von Möbeln und Dekoration.
Das „Neue Bauen“ ist „sachlich“. Und es musste schnell gehen mit dem Bau – mit industriell gefertigten Betonteilen statt Ziegeln. Das allzu Funktionale und Schlichte gefällt allerdings Traditionalisten nicht, denen die Rede vom „Neuen Menschen“ zu sowjetisch, zu revolutionär klingt. Was ist heute geblieben von den utopischen Gedanken dieser Bau-Revolutionäre – in einer Zeit, in denen es ebenfalls vielerorts an bezahlbarem Wohnraum mangelt? Das zeigen die Beispiele von Ernst-May-Siedlungen in Frankfurt am Main, dem Gemeindebau in Wien und Sozialem Wohnungsbau in Paris. (Text: arte)