2022, Folge 21–40

  • Folge 21
    Die geplanten Themen:
    „Wachstum“ – Fluch und Segen, eine Streitfrage
    An der „Wachstumsfrage“ scheiden sich die Geister: Bewirkt Wachstum den von der Menschheit eigens herbeigeführten Untergang der Welt oder hält es die einzige Lösung für die Probleme der Weltgemeinschaft bereit? Darüber diskutieren Katja Gentinetta und Niko Paech in der Streitschrift „Wachstum“. Die Weltbank warnt: Das globale Wachstum gerät ins Stocken, die Weltkonjunktur droht einzubrechen, eine Erholung ist nicht in Sicht. Das sind schlechte Nachrichten – oder etwa doch nicht? Was bedeutet ‚Wachstum‘ tatsächlich für unsere Gesellschaft? Ist es ein Segen, unabdingbar für die Weiterentwicklung, für den weltweiten Wohlstand, für die Lösungen zur Rettung der Umwelt? Oder führt das scheinbar unaufhaltsame wirtschaftliche Wachstum mit seiner Ausbeutung der Umwelt die Menschheit geradewegs ins Verderben? Eine Streitfrage, bei der die Philosophin Katja Gentinetta und der Ökonom Niko Paech konträre Standpunkte vertreten, in zwei Essays, die jetzt mit dem Titel ‚Streitfrage‘ erscheinen.
    „ttt“ hat die beiden Autoren getroffen.
    Autorin: Petra Böhm
    Die Band Yard Act liefert den Post-Punk-Soundtrack zum Post-Brexit-Britain
    Sie ist ein Kind der Krise. Ende 2019 gründet sich in der nordenglischen Arbeiterstadt Leeds eine Band, die sich vor Lob kaum noch retten kann. Yard Act bringen den Sound der Stunde und sie tun es in chaotischen Zeiten. „The Overload“, so der Titel ihres Debüts, ist ein Kommentar auf den niemals endenden, überbordenden Fluss an Informationen, an Nachrichten. Brexit, Rechtsruck, das Erbe des Kapitalismus – es gibt viel mitzuteilen. Sänger James Smith kritisiert und kommentiert auf eine umwerfende Art und Weise. Spitzzüngiger Sprechgesang, zynisch, humorvoll.
    Nicht selten wechselt Smith die Perspektiven, schlüpft mal in die Rolle des Abgehängten, dann wieder in die des paranoiden kürzlich zu Geld Gekommenen. Musikalisch ist das oft treibend, groovend, mal vertrackt, dann wieder tanzbar. Gesellschaftskritik soll ruhig Spaß machen. Die aktuelle UK Tour ist nahezu restlos ausverkauft, Yard Act auf der Shortlist für den BBC Sound of 2022. Anfang Juni kommt das Quartett für Konzerte nach Deutschland. „ttt“ hat Yard Act in ihrer Heimatstadt Leeds getroffen.
    Autor: Marcus Fitsch
    „Wie im echten Leben“ – ein Film über Klassenunterschiede
    Schuften im Billiglohnbereich, harte Arbeit für wenig Geld – das kommt häufig vor, bleibt aber oft unsichtbar. Arbeiter in Schlachthöfen, Erntehelfer, Reinigungskräfte werden von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Um ein Licht auf besonders prekäre Arbeitsverhältnisse zu werfen, hat sich die französische Star-Journalistin Florence Aubenas unerkannt und unter falschem Namen in eine Putzkolonne eingeschlichen, die eine Kanalfähre in der Normandie reinigt. Ihre Recherchen hat sie in einem Buch veröffentlicht. Jetzt ist ihr Buch verfilmt worden, vom Pariser Regisseur und Bestsellerautor Emmanuel Carrère, mit Juliette Binoche in der Hauptrolle, unter dem Titel „Wie im echten Leben“.
    Binoche spielt darin die gut situierte Schriftstellerin Marianne, die vorgibt, nach einer Trennung Geld zu brauchen und daher auf die Arbeit als Reinigungskraft auf der Fähre angewiesen zu sein. Zusammen mit den Kolleginnen schrubbt sie Nacht für Nacht Kabinen, wischt dreckige Toiletten im Akkord, bezieht Betten – ein Knochenjob, begleitet von brutalem Zeitdruck, permanenter Erschöpfung, Demütigungen.
    Einige Darstellerinnen in seinem Film hat der Regisseur mit echten Reinigungskräften besetzt, um seine Geschichte möglichst realitätsnah zu gestalten. Der Film taucht nicht nur in eine weitgehend unbekannte Arbeitswelt ein, er wirft auch gesellschaftliche Fragen zu Themen auf, die in Frankreich lautstark von den Gelbwesten auf die Straße gebracht wurden. Es geht um Armut und prekäre Lebensverhältnisse, um soziale Gräben. Sind die lange tradierten Klassenunterschiede überwindbar? „ttt“ hat mit dem Regisseur Emmanuel Carrère und zwei seiner Laiendarstellerinnen gesprochen.
    Autorin: Hilka Sinning
    Das Russlandbild der Nachkriegskinder
    Nachkriegskinder wie der Publizist Christoph Dieckmann sind mit dem Gedenken an die Millionen sowjetischer Opfer im zweiten Weltkrieg aufgewachsen und dem geschichtlichen Bild von den sowjetischen Befreiern vom Hitlerfaschismus. Dieckmann wuchs in Ostdeutschland auf, hatte Russischunterricht in der Schule. Mit welchen Gefühlen tritt er heute vor die allerorts präsenten Ehrenmale? Erinnerungen und Einsichten eines „Russlandverstehers“. Wir sprechen mit Christoph Dieckmann über den Bruch zwischen dem einstmals „großen Bruder“ Sowjetunion, wie es in der DDR hieß und dem Kriegsverbrecher Putin heute. Wie gehen wir damit um? Ansichten aus ostdeutscher Perspektive.
    Autorin: Caterina Woj (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 12.06.2022Das Erste
  • Folge 22
    Koloniale Raubkunst aus Deutschland geht zurück nach Afrika – leihweise
    Die Ethnologischen Sammlungen Berlin schicken Kunstgegenstände nach Namibia, ein erster Schritt der Rückübertragung
    Wie sollen große ethnologische Sammlungen mit Kunstobjekten aus kolonialen Kontexten umgehen? Eine brennende Frage, der sich die Stiftung Preußischer Kulturbesitz vor allem seit der Eröffnung des Humboldt Forums stellen muss.
    Eine Antwort sucht das Forschungsprojekt „Confronting Colonial Pasts, Envisioning Creative Futures“. Forscherinnen aus Berlin und Namibia arbeiten partnerschaftlich zusammen und schöpfen nicht nur aus akademischen Wissensquellen, um die Geschichten der Objekte aufzuarbeiten. 23 historische Objekte sind nun von Berlin nach Namibia gereist. Alltagsgegenstände, Schmuck, Kleidung und zwei Puppen, ausgewählt von namibischen Wissenschaftlerinnen, MuseumsmacherInnen aber auch KünstlerInnen und ModedesignerInnen. In den nächsten 2 Jahren sollen die Objekte gemeinsam mit VertreterInnen ihrer Ursprungsgesellschaften weiter erforscht werden. Die leihweise Rückkehr der Objekte sehen sie als Möglichkeit, ihr kulturelles Erbe und damit auch sich selbst neu kennenzulernen.
    Autorin: Charlotte Pollex
    Braucht Deutschland zwei PEN-Schriftstellerverbände?
    Vor wenigen Tagen wurde ein zweiter PEN gegründet – der „PEN Berlin“
    „Ich möchte nicht Präsident dieser Bratwurstbude sein“ – mit diesen Worten beendete Deniz Yücel seine Präsidentschaft und auch seine Mitgliedschaft im PEN Zentrum Deutschland. Der vor knapp hundert Jahren gegründete Verbund gilt als Stimme verfolgter und unterdrückter Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Das PEN-Zentrum Deutschland, Sitz in Marburg hat sich auch maßgeblich für die Befreiung von Deniz Yücel aus türkischer Haft eingesetzt.
    Im März 2022 forderte Yücel auf der Lit.Cologne in Köln, wo er PEN-Präsident eingeladen war und sprach die Errichtung einer Flugverbotszone über die Ukraine. Daraufhin wurde er von 5 ehemaligen PEN-Präsident*Innen zum Rücktritt aufgefordert. Im Mai dann auf der PEN-Tagung in Gotha der Eklat – Yücel überstand knapp einen Abwahlantrag und schmiss hin. Jetzt gründete sich in Berlin eine Abspaltung des PEN, der „PEN Berlin“ – Sprecher ist Deniz Yücel und Sprecherin Eva Menasse.
    „ttt“ hat mit dem Interims-Präsidenten des PEN Zentrums Deutschland, Josef Haslinger und mit Deniz Yücel gesprochen.
    Autor: Max Burk
    „10 Uhr 50, Grunewald“
    Vor 100 Jahren wurde der deutsche Außenminister Walther Rathenau ermordet – der Anfang vom Ende der Weimarer Republik
    Terroristen der rechtskonservativen Geheimorganisation Consul warteten am 24. Juni morgens das Fahrzeug des Außenministers der Weimarer Republik ab, um ihn zu ermorden. Walther Rathenau war Kapitalist, Schöngeist, Jude, Weltbürger und galt als „Linker“ unter der Parteimitgliedschaft der DDP, der Deutschen Demokratischen Partei. Eine charismatische, vielfach schillernde Epochenfigur. Für den Romancier Stephan Abarbanell ist er einer der großen Vergessenen der deutschen Geschichte, dessen Leben am 24. Juni 1922, „10 Uhr 50, Grunewald“ ein brutales Ende findet. „ttt“ hat mit Stephan Abarbanell über sein Rathenau-Bild gesprochen und den Historiker Prof. Martin Sabrow, Experte für die Geschichte der Weimarer Republik gefragt, was dieser Mord für die junge deutsche Demokratie bedeutete.
    Autor: Andreas Lueg
    „Mein Name ist Violeta“
    Ein Dokumentarfilm erzählt vom Leben und dem Schicksal transgeschlechtlicher Menschen
    Was wissen wir über transgeschlechtliche Menschen? Welche Entwicklungen, Erfahrungen und welche Belastungen machen sie durch, bevor sie sich zu einer Geschlechtsumwandlung entschließen? Und was passiert zunächst, wenn ihnen bewusst, dass sie im falschen Körper stecken? Der spanische Dokumentarfilm „Mein Name ist Violeta“ erzählt die Geschichte des 11jährigen Trans-Mädchens Violeta, die als Ignacio geboren wurde und schon als Kleinkind rosarote Kleider tragen wollte. Zunächst ein Rätsel, dann eine Herausforderung für Violetas Vater Nacho und ihre Mutter Franceska, bei der Violeta lebt.
    Wie soll man als Eltern mit einem Transkind umgehen? Das Elternpaar beschließt, Violeta bei ihrer Suche nach der neuen Identität zu unterstützen und sie für das Leben in einer weitgehend transfeindlichen Welt vorzubereiten. In ihrem liebevollen Sozial-Porträt stellen die Regisseure David Fernández de Castro und Marc Parramon auch Aktivisten und Transmenschen vor, die ihren Weg gegangen sind, nachdem sie lange um die freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit ringen mussten. Violeta wünscht sich vor allem eins: einen Personalausweis mit dem Namen „Violeta“.
    „ttt“ hat den Co-Regisseur Marc Parramon in Barcelona getroffen.
    Autorin: Hilka Sinning
    Die Documenta ist nicht antisemitisch – bis zur Eröffnung!
    Zwei Tage nach der Eröffnung löste ein offen antisemitisches Bild auf der weltgrößten Kunstschau einen Skandal aus
    Monatelang wurde über die Documenta gestritten. Das Kuratorenkollektiv „Ruangrupa“, eine Künstler- und Aktivistengruppe aus Indonesien sah sich dem Vorwurf ausgesetzt, antisemitische Kunst und Künstler*innen eingeladen zu haben. Die Gruppe bestritt das, wehrte sich mit einem offenen Brief. Die Geschäftsführerin der Documenta, Sabine Schormann sekundierte: Man möge doch bitte abwarten bis zur Eröffnung und nicht vorauseilende Zensur betreiben und überhaupt: Es gelte die Meinungs- und Kunstfreiheit. Auch die Staatsministerin für Kultur und Medien, Claudia Roth, die die Weltkunstschau über die Bundeskulturstiftung wesentlich finanziert konterte: „Wo sind die Beweise“. Seit 20. Juni gibt es diese Beweise. Ein offen antisemitisches Plakat wurde gezeigt, verdeckt und abgenommen.
    „ttt“ hat u.a. mit Josef Schuster, dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland gesprochen, der vor diesem Szenario gewarnt hat und mit Claudia Roth, der Staatsministerin für Kultur und Medien, die sich zutiefst „enttäuscht“ von der Documenta-Leitung zeigt.
    Autorin: Petra Dorrmann
    Mitarbeit: Grete Götze, Ulf Kalkreuth (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 26.06.2022Das Erste
  • Folge 23
    Die geplanten Themen:
    Henry Kissinger
    über Staatskunst in Zeiten von Krise und Umbruch
    Erec Brehmers Film „Wer wir gewesen sein werden“
    Eine Liebesgeschichte über den Tod hinaus
    Der Mensch im Mittelpunkt
    Rubenspreisträgerin Miriam Cahn im Kunstmuseum Siegen
    „So forsch, so furchtlos“
    Fulminantes Debüt der spanischen Autorin Andrea Abreu
    Jochen Distelmeyer
    Ein ganzes, neues Album mit „Gefühlten Wahrheiten“. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 03.07.2022Das Erste
  • Folge 24
    „ttt“-Spezialausgabe aus der Europäischen Kulturhauptstadt Kaunas
    mit Siham El-Maimouni in Kaunas
    Litauen im Fokus geopolitischer Spannungen
    Die litauische Stadt Kaunas ist in diesem Jahr europäische Kulturhauptstadt. Aus diesem Anlass berichtet „ttt“ in einer Reportage von den Ereignissen und Events aus der Kulturhauptstadt. Was niemand ahnen konnte, durch den Krieg in der Ukraine, ist Kaunas als europäische Kulturhauptstadt mit einer veränderten Wahrnehmung und Aufmerksamkeit konfrontiert. Dass Litauen an der EU-Außengrenze zu Russland und Belarus ausgerechnet im Jahr der Austragung der europäischen Kulturhauptstadt derart in den Fokus Europas rücke, hänge mit den dramatischen Ereignissen um die russische Aggression in der Ukraine zusammen, sagt die CEO des Kulturhauptstadtjahres 2022 Virginija Vitkiene. Litauen im Blickpunkt geopolitischer Spannungen mit einer Grenze zu Russland und als NATO-Mitglied.
    Autor: Jens-Uwe Korsowsky
    Kunst als Gedächtnis
    Das wichtigste Thema in der Kulturhauptstadt Kaunas ist die Erinnerung. Exemplarisch dafür ist die Ausstellung des südafrikanischen Künstlers William Kentridge ‚That which we do not remember‘ – das, woran wir uns nicht erinnern. Der Künstler hat litauische Wurzeln, seine jüdischen Großeltern flohen aus Furcht vor Pogromen nach Südafrika. Kentridge hat sich lange geweigert, die Heimat seiner Vorfahren zu besuchen. Die Beteiligung vieler Litauer an der Ermordung von zehntausenden ihrer jüdischen Mitbürger hielten ihn davon ab.
    Dass er jetzt dort nicht nur eine Ausstellung, sondern auch erstmals ein Werk geschaffen hat, dass sich mit dem Holocaust in Litauen auseinandersetzt, ist vor allem der Hartnäckigkeit der litauischen Kuratorin Virginjia Vitkiene zu verdanken. Ihr Konzept, die Bewohner Kaunas’ durch Kunst mit ihrer Vergangenheit zu konfrontieren, hat William Kentridge überzeugt. Entstanden ist ein Werk, dass nicht nur für Kaunas, sondern auch für den Künstler von großer Bedeutung ist.
    Autorin: Petra Böhm
    „Mariupolis 2“
    Der litauische Regisseur Mantas Kvedaravicius reiste Anfang März in die belagerte ukrainische Stadt Mariupol. Für seine Dokumentation „Mariupolis 2“ nahm er das Leben in der Stadt auf, die durch den russischen Angriffskrieg zerstört wurde. Kvedaravicius wurde bei seiner Ausreise mutmaßlich von russischen Soldaten getötet. Wir sprechen mit seinem Kameramann und Freunden über den getöteten Regisseur und die Reaktionen in Litauen.
    Autorin: Brigitte Kleine
    Kaunas, eine Stadt mit baulichen Überraschungen
    Modernismus für die Zukunft. Was kaum einer weiß, rund 6000 Gebäude haben in Kaunas eine einzigartige architektonische Geschichte. Es ist die Zahl der bis heute erhaltenen modernistischen Objekte in der Stadt Kaunas. Von luxuriösen Betonvillen, Wohnhäusern und öffentlichen Gebäuden, Schulen und kulturellen Einrichtungen. In der Zwischenkriegszeit, den Jahren 1920 bis 1940, als Kaunas die Hauptstadt Litauens war, kam es zu einem Boom architektonischer Stile in Kaunas. Die europäische Kulturstadt erinnert an diese Zeit und denkt darüber nach, wie sie für die Zukunft genutzt werden können.
    Modernismus für die Zukunft, die UNESCO-Kommission für das Weltkulturerbe soll entscheiden, ob das modernistische Architekturnetzwerk von Kaunas in die prestigeträchtige globale Liste des geschützten Erbes aufgenommen wird.
    Autorin: Petra Böhm (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 10.07.2022Das Erste
  • Folge 25
    Klimakollaps, Energiekrise und rechte Narrative: Droht ein heißer Herbst? /​ Kinovisionär, Bildermagier, Geschichtenerzähler: Werner Herzog wird 80 /​ Das lange Nachleben der Sklaverei: Saidiya Hartman imaginiert die Geschichte schwarzer … (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 21.08.2022Das Erste
  • Folge 26
    Droht dem System Schule der Kollaps? – Deutschland gehen die Lehrer aus:
    Die Zahlen schwanken. Sehr. Laut einer Modellrechnung der Kultusministerkonferenz fehlen Deutschland bis 2035 fast 24.000 Lehrkräfte. Eine vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) in Auftrag gegebene Untersuchung meint dagegen, dass mindestens 158.000 Lehrerinnen und Lehrer bis 2035 fehlen werden, da bis dahin viel weniger Lehrkräfte ausgebildet werden. Schon jetzt leiden Schulen unter Personalmangel und wissen sich in Teilen nur damit zu helfen, die Kinder tageweise wieder in den Distanzunterricht schicken.
    Die Liste der weiteren angedachten Notlösungen liest sich alles andere als schön: die Größe der Klassen erhöhen, Nebenfächer streichen, Nichtlehrer anstellen, nur noch 40 statt 45 Minuten Unterricht, die Vier-Tage-Woche einführen. Mit anderen Worten: weniger Unterricht mit weniger Personal für mehr Kinder. Dabei sind schon jetzt – nicht nur durch Corona und den monatelangen Schul-Lockdown bedingt – die Leistungen der Viertklässler teilweise desaströs: Fast ein Fünftel der Viertklässler kann nicht richtig lesen, fast ein Drittel kann nicht regelkonform schreiben und in Mathematik erreichen fast 22 Prozent der Viertklässler nicht einmal die Mindeststandards, die für den Besuch der weiterführenden Schule erforderlich sind.
    Quo vadis Schulsystem? „ttt“ spricht darüber mit einer betroffenen Schuldirektorin, dem Bildungsforscher Klaus Klemm, dem thüringischen Kultusminister Helmut Holter und Olaf Köller, Vorsitzender der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz.
    Wieso glauben Sie, dass Sie recht haben? Die Illusion der Vernunft:
    Die Erde ist eine Scheibe – daran glauben sogenannte „Flat-Earther“ felsenfest. Belegbar falsch. Aber wie entstehen solche Überzeugungen und andere absurde Verschwörungstheorien, gegen alle Fakten? Der Neurowissenschaftler und Psychiater Philipp Sterzer hat ein Buch geschrieben: „Die Illusion der Vernunft“. Er legt dar, wie unser Weltbild im Kopf entsteht und dass wir eigentlich alle ziemlich irrational sind. Andere von einer Überzeugung abzubringen mit Daten und Fakten birgt das Risiko, verfestigte Meinungen eher noch zu zementieren. Sterzer plädiert trotzdem dafür, es immer wieder aufs Neue mit Vernunft zu versuchen.
    Beeindruckende Emanzipationsgeschichte – Der Spielfilm „HIVE“:
    Während des Kosovo-Krieges wurden 1999 beim Massaker in Krusha die Männer des Ortes ermordet oder verschleppt. Die Frauen mussten in der Familie ihrer toten oder vermissten Männer bleiben, hatten dort oft wenig Rückhalt und durften in der streng patriarchalen Gesellschaft nicht arbeiten. Fahrije ist eine von ihnen, doch sie will sich eine eigene Existenz aufbauen. Gegen viele Widerstände gründet sie eine Genossenschaft, in der Frauen Ajvar, eine Gemüse-Paste, herstellen und verkaufen. Heute hat sie rund hundert Mitarbeiterinnen. Der Spielfilm „HIVE“ von Regisseurin Blerta Basholli erzählt ihre Geschichte, basierend auf der Biografie der Unternehmerin Fahrije Hoti. Der beeindruckende Film wurde u. a. mit dem Großen Preis der Jury beim Sundance Filmfestival ausgezeichnet und kommt am 8. September in die Kinos.
    Archäologische Sensation – Frühe Kultur im Amazonas-Gebiet entdeckt:
    Muss die Geschichte Südamerikas umgeschrieben werden? Lange war man davon ausgegangen, dass es im Amazonas-Gebiet keine Kultur gab, bevor spanische Entdecker im 15. Jahrhundert das Land erreichten. Doch ein Forscherteam um den Bonner Archäologen Heiko Prümers hat sensationelle archäologische Entdeckungen gemacht: Mit einer Laser-Technik haben sie den Regenwald im heutigen Bolivien abgescannt und urbane Siedlungen entdeckt. Bei Ausgrabungen wurden außerdem u. a. Reste von Keramikgefäßen und Schmuck gefunden. Zwischen 500 und 1400 nach Christus, so die Archäologen, muss es dort eine Kultur gegeben haben. Ihre Bedeutung wird jetzt endlich erforscht.
    Endlich wieder live und Open Air! Mit Milky Chance auf dem Sziget-Festival in Ungarn:
    Endlich wieder live und Open Air! Nach der Pandemie-bedingten Pause ist es ein Sommer der Festivals! Mit dabei: Milky Chance. Sie sind eine der erfolgreichsten deutschen Bands. Über Nacht wurden die beiden Abiturienten Philipp Dausch und Clemens Rehbein aus Kassel vor zehn Jahren berühmt. Ihren Hit „Stolen Dance“ nahmen sie noch im Kinderzimmer auf – jetzt feiert das Duo eine Milliarde Spotify-Streams von „Stolen Dance“ auf der diesjährigen Tournee mit den Fans. Ihre Musik: Folk-Rock, Alternative und Pop, dazu die rauchige Stimme von Clemens. „ttt“ begleitet Milky Chance zum legendären Sziget-Festival in Ungarn. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 28.08.2022Das Erste
  • Folge 27
    Die geplanten Themen:
    Dokumentation eines Versagens – „Tod und Spiele. München ‚72“
    Die Olympischen Spiele von München waren schon seit elf Tagen im Gange, friedliche und fröhliche Spiele sollten es werden. Aber am 5. September war damit Schluss. Ein Kommando aus acht palästinensischen Geiselnehmern war mit Kalaschnikows und Handgranaten in das nahezu ungesicherte olympische Dorf eingedrungen und hatte elf Sportler und Mitglieder der israelischen Delegation in ihre Gewalt gebracht. Zwei Geiseln wurden bei dem Überfall getötet, neun Israelis befanden sich in der Gewalt der Attentäter. Es begannen zermürbende Stunden des Hoffens auf Befreiung. Die beiden Regisseure Bence Máté und Lucio Mollica haben in einer großartigen multiperspektivischen Dokumentation die Israelis, Überlebende und Angehörige der Opfer, die beteiligten Deutschen und erstmals zwei der palästinensischen Attentäter zu Wort kommen lassen. „ttt“ hat mit Bence Máté gesprochen.
    Autor: Ulf Kalkreuth
    Comeback eines Junkies – Peter Doherty als bildender Künstler in Berlin
    Weltstar und Enfant Terrible, nicht nur aufgrund seiner aufsehenerregenden Beziehung mit Supermodel Kate Moss und der Sängerin Amy Winehouse, auch wegen seiner Karriere als Junkie und Bandleader der britischen Band „The Libertines“. Was niemand weiß: dass Peter Doherty auch ein besessener Bildender Künstler ist, der sein exzessives Leben in außergewöhnlich intimen Bildern und Collagen verarbeitet. Nun, wo er endlich clean ist, hat er nicht nur seine Autobiographie veröffentlicht, sondern zeigt in der „janinebeangallery“ in Berlin ab 9. September erstmals einen umfassenden Überblick über sein künstlerisches Werk aus allen Schaffensphasen. „tt“t hat Peter Doherty beim Jubiläumskonzert in Edinburgh getroffen.
    Autor: Norbert Kron
    Rechtsruck reloaded? Italien 100 Jahre nach Mussolini
    Sie gilt als Lichtgestalt der italienischen Rechten: Giorgia Meloni, Chefin der postfaschistischen Partei Fratelli d‘Italia hat alle Aussichten, die nächste Ministerpräsidentin des Italiens zu werden. Sie kämpft gegen Abtreibung, sexuelle Diversität und Einwanderung, zugleich präsentiert sie sich als moderne, emanzipierte Frau mit großem Kommunikationstalent. „Ich habe ein unbeschwertes Verhältnis zum Faschismus“, bekennt sie freimütig, mit der Anhängerschaft von Benito Mussolini will sie es sich nicht verscherzen. Will sie ein Viertel aller Italiener gerade deshalb oder trotzdem wählen? Hat das als renitent bekannte Italien hundert Jahre nach Mussolinis „Marsch auf Rom“ wieder ein Demokratieproblem? „ttt“ ist nach Italien gereist und hat mit der deutsch-italienischen Schriftstellerin Helena Janeczek und dem Trienter Historiker Francesco Filippi über die Modernität des aktuellen Faschismus gesprochen.
    Autoren: Marina Collaci, Reinhold Jaretzky
    „Into the Ice“ – unter Grönlands Eispanzer entscheidet sich die Zukunft der Welt
    Hitzesommer und Dürre über Deutschland: Symptome des globalen Klimawandels, den die Eisschmelze an den Polen entscheidend vorantreibt. Im Dokumentarfilm „Into the Ice“ begleitet der dänische Regisseur Lars Ostenfeld Forscher bei einer Expedition ins Innere des grönländischen Eisschilds: Spektakuläre Bilder aus dem Herz einer leisen, sich stetig beschleunigenden und von der Menschheit tatenlos hingenommenen Katastrophe. Tote Hosen-Sänger Campino pusht den Film als Kommentarsprecher und mit seiner Prominenz: „Into the Ice“ sei eine Ohrfeige für uns alle, die wir über all den aktuellen Krisen die viel größere, die wirkliche Zeitenwende aus dem Blick verlieren.
    Autor: Andreas Lueg (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 04.09.2022Das Erste
  • Folge 28
    Die geplanten Themen:
    Im Rausch. Russlands Krieg
    Innensicht eines verfolgten Autors und ehemaligen Soldaten
    Im Westen nichts Neues
    Erste deutsche Verfilmung des Literaturklassikers von E.M. Remarque
    Intimitäten
    Subtiler Roman über eine Dolmetscherin am Internationalen Gerichtshof in Den Haag
    Überforderung, Zweifel und großes Glück
    Experimenteller Spiel- und Dokufilm über Mutterschaft mit Anke Engelke
    Identität, Gender und sexuelle Orientierung
    Berliner Ausstellung zur Geschichte der queeren Fotografie
    ttt-extra: 71. ARD – Musikwettbewerb (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 18.09.2022Das Erste
  • Folge 29
    Hier wird Brasiliens Wahl entschieden: Ortsbesuch in den Favelas mit dem Rapper Maccarão:
    Seine Raps sind scharf, die Texte analytisch, und die Themen findet er in seinem direkten Umfeld, dem kulturellen Underground der Favelas in Rio. Gemeinsam mit dem Rapper Maccarão taucht „ttt“ tief in diese Armenviertel ein – hier werden am 2. Oktober die nächsten Wahlen Brasiliens entschieden. Zwar liegt in den letzten Umfragen Ex-Staatschef Lula da Silva vorn. Doch noch immer unterstützen viele Bewohner der Favaelas den aktuellen, rechtspopulistischen Präsidenten Jair Bolsonaro, auch wenn er sie kriminalisiert und mit brutaler Polizeigewalt gegen sie vorgeht. Ein Ortsbesuch, der die Zerissenheit des Landes zeigt, musikalisch kommentiert mit einem eigens für „ttt“ geschriebenen Rap.
    Mit subversiver Aktionskunst zum zivilen Ungehorsam – Das Peng! Kollektiv:
    Ziviler Ungehorsam für jede und jeden! Das kann man beim Peng! Kollektiv im Rahmen eines Worshops lernen – und darum geht es auch bei den Aktionen des Kollektivs: Mit subversiven Kampagnen, einem Gemisch aus Aktivismus, Hacking und Kunst wollen sie aufrütteln und die Gesellschaft zum Handeln bringen. Oft am Rande der Legalität: sei es, sich als Fluchthelfer nach Deutschland mit dem eigenen Auto , auf dem Rückweg vom Urlaub, zu betätigen, sei es im Supermarkt zu klauen, um das ersparte Geld direkt an die Produzierenden zu schicken oder Informationen zu leaken. Ziel ist für das Künstlerkollektiv immer die Welt ein bisschen besser und weniger brutal zu machen, als sie ist. Klingt vielleicht naiv, ist aber ganz ernst gemeint. „ttt“ begleitet die Aktivisten von Peng! bei ihrer neusten Aktion, bei der es um den Krieg in der Ukraine und die Energiekrise geht.
    Ist unsere Freiheit gefährdet? – Buch über die Abschaffung des Bargelds:
    Es wird immer weniger: Ein- und Zweicentmünzen sollen in der EU abgeschafft werden, in Schweden zum Beispiel wird bereits zu 95 Prozent mit der Karte oder digital bezahlt. Das Bargeld – wird es schleichend abgeschafft? Das ist die Befürchtung des Journalisten und ehemaligen Brokers Brett Scott, der in seinem Buch „Cloudmoney. Cash, Karte oder Krypto: Warum die Abschaffung des Bargelds unsere Freiheit gefährdet“ davor warnt. Er befürchtet ein „unvorstellbares Ausmaß an Überwachung und Datengewinnung“. Denn jede Kartenzahlung hinterlässt Spuren. Paypal beispielsweise ist berechtigt, die gewonnenen Daten – so schreibt Scott – mit 600 Organisationen zu teilen. „ttt“ trifft Brett Scott in Berlin und spricht mit ihm über den von ihm so genannten Krieg gegen das Bargeld und dessen Folgen.
    Sozialismus, Eleganz und Subkultur in der DDR – Der Film „In einem Land, das es nicht mehr gibt“:
    Die Geschichte klingt nach einem Mädchentraum: Eine junge Frau wird zufällig fotografiert, ihr Bild landet auf dem Cover einer Modezeitschrift – der Einstieg in eine glamouröse, verlockende und auch fremde Welt. So ähnlich hat es die preisgekrönte Filmemacherin Aelrun Goette selbst erlebt. Sie wurde in den 80er Jahren auf der Straße in Ostberlin entdeckt, modelte und stand für die großen Fotograf:innen der DDR vor der Kamera. Daraus hat sie – vielen Widerständen zum Trotz und in 14 Jahren zäher Arbeit – einen Spielfilm gemacht: „In einem Land, das es nicht mehr gibt“ (Filmstart: 06.10.2022). Goette erzählt darin von den kreativen Nischen in der DDR, Sozialismus und Eleganz, der schillernden Subkultur der Ostberliner Szene, von Freiheit und Zwang, Kompromiss und Kompromisslosigkeit. „ttt“ spricht mit Aelrun Goette über ihre persönliche Geschichte – und warum die so wichtig ist, zu erzählen.
    Shootingstar aus Südafrika – Der Cellist Abel Selaocoe:
    Er entlockt dem Cello erstaunliche Klänge: der Musiker Abel Selaocoe. Das Multitalent aus Südafrika wuchs in einem Township in Johannesburg auf. Ein eigenes Instrument war damals nicht drin. Selaocoe teilte ein Cello mit anderen Schülern, bis seine Begabung erkannt wurde. Jetzt erscheint sein Debütalbum „Where is home?“ über das Thema Heimat. Abel Selaocoe kombiniert darin afrikanische Musik, eigene Kompositionen und Werke alter Barock-Meister. Johann Sebastian Bach nennt er ehrfurchtsvoll „Papa Bach“. Abel Selaocoe bewegt sich mühelos zwischen den Genres und verbindet virtuoses Cellospiel mit Improvisation, Gesang und Bodypercussion. Mit seinem Vorbild, dem Cellisten Yo-Yo Ma, arrangierte er die Apartheidshymne „Afrika ist zurück“ neu. Eine Ode an Desmond Tutu und Nelson Mandela. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 25.09.2022Das Erste
  • Folge 30
    Ausstellung in Kreuzberg – 50 Künstlerinnen aus der DDR zeigen Stärke: „Worin unsere Stärke besteht …“ – eine Kampfansage der Künstlerinnen aus der DDR. Das ist ein starker Aufschlag: Mit einer Zeile aus Bertolt Brechts „Revolutionslied“, in der Komposition Hans Eislers berühmt geworden, ist eine Ausstellung von 50 Künstlerinnen im Kunstraum Kreuzberg überschrieben. Die Ausstellung versteht sich als Gegenentwurf zu bisherigen Retrospektiven der Kunst aus der DDR, in der nur um 15 Prozent Frauen vertreten waren. Kuratorin Andrea Pichl weist auf die ‚doppelte Stigmatisierung‘ im Kunstbetrieb hin, das westliche Übergewicht und die kulturpolitische Hegemonie übersehen diese Künstlerinnen gleichsam doppelt – als Frauen und als östlich.
    Die Künstlerinnen der Ausstellung „Worin unsere Stärke besteht …“ kommen aus drei Generationen, die jüngsten waren Teenager, als die DDR unterging. Etliche der ausgestellten Werke sind bis 1990 entstanden, aber auch die jüngeren Künstlerinnen beziehen sich oft auf ihre Herkunft. Doch es geht der Kuratorin nicht darum, zurückzuschauen, es geht auch nicht um eine irgendwie spezifisch östlich-weibliche Kunst, sondern schlicht um die Positionierung dieser Künstlerinnen mit eigenen Biografien in einem fortbestehenden Ungleichgewicht – dagegen also jetzt einmal 100 Prozent Künstlerinnen aus der DDR.
    Autor: Meinhard Michael Goldene Palme für die satirische Tragikkomödie „Triangle of Sadness“: „Triangle of Sadness“, was so viel heißt wie Sorgen- oder Zornesfalte. Sie wissen schon diese unangenehme Falte oberhalb der Nasenwurzel, ist eine Satire über die Welt von Influencern und Superreichen.
    Der Film spielt unter anderem auf einer Luxusjacht. Nachdem diese von Piraten gekapert wird, stranden ein paar der Schiffsreisenden auf einer Insel, wo die Hierarchien umgekehrt werden. „Triangle of Sadness“ handelt von der Absurdität des Kapitalismus, Machtverhältnissen und von sozialer Ungleichheit. Der schwedische Regisseur Ruben Östlund hat mit dem Film „Triangle of Sadness“ bei den 75. Filmfestspielen in Cannes die Goldene Palme gewonnen. Am 13. Oktober 2022 erscheint der Film in den deutschen Kinos.
    Autorin: Barbara Block Editors – Renaissance einer Rockband: Das rohe, laute, ungefilterte Gefühl. Der Mensch als toxisches Lebewesen, zerrissen zwischen seiner Unsicherheit und dem ihm innenwohnenden Streben nach Macht. Um all das geht es in den Songs der Band Editors, der großen Rockband Großbritanniens, die lange nicht so berühmt ist wie sie es sein müsste. Seit 2005 hat sie sechs makellose, in sich geschlossene Alben eingespielt und nun mit dem neuen Album „EBM“ ein ebenso fantastisches, siebtes Album veröffentlicht. Die Editors verhandeln in ihren Liedern, was der Mensch dem Menschen ist.
    In ihrem Video „Frankenstein“ (2019) zeigen sie explizit, was Polizeigewalt bedeutet. In „Magazine“ zerlegen sie die Gier der Politiker und des Big Business. In ihrem aktuellen Video „Kiss“ sind es ganz natürlich zwei Männer, die sich ihre Liebe füreinander tanzend versichern. Und mit dem Titel ihres neuen Albums „EBM“, das einerseits für „Editors und Blanck Mass“ steht (den Produzenten Blanck Mass, der neuerdings auch zur Band gehört und ihr eine neue Härte beigebracht hat) und andererseits für „Electric Body Music“, beziehen sich die Editors auf die mittleren Achtziger, einer Zeit der politischen Umbrüche, die sich in großartiger, wilder, ausgelassener, queerer Tanzmusik entlud.
    Editors sind die Band für eine diverse Gesellschaft und für ein zerrissenes Land. „ttt“ hat die Band bei den Proben kurz vor Beginn ihrer großen Welt-Tour in ihrem Studio in Bristol exklusiv getroffen. Autor: Andreas Krieger „Kugel ins Hirn“ – Interview mit Autor Klaus Scherer über die Schattenwelt rechter Netzwerke: Krieg, Klima, Energie: Angesichts der sich verschärfenden Krisen nimmt bei den Deutschen das Gefühl von Wut, Macht- und Hoffnungslosigkeit zu: idealer Nährboden für Lügen, Hass und Hetze in den so genannten sozialen Netzwerken.
    Politiker werden dort zu „Abschaum“, zum Abschuss freigegeben. „Kugel ins Hirn“ nennt der ehemalige ARD-USA-Korrespondent Klaus Scherer sein jetzt erscheinendes Protokoll einer Deutschlandreise – in die Schattenwelt rechter Netzwerke und zu deren Idolen: Donald Trump und Wladimir Putin Autor: Andreas Lueg „ttt – titel thesen temperamente“ ist am Sendetag ab 20:00 Uhr in der ARD-Mediathek verfügbar. Im Internet unter www.DasErste.de/​ttt (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 02.10.2022Das Erste
  • Folge 31
    Frau. Leben. Freiheit: Mutige Frauen führen die neue Protestbewegung im Iran an /​ „Girl Gang“: Doku-Film über das Geschäftsmodell InfluencerInnen /​ Heimat und Identität: Die Fotos der indischen Künstlerin Gauri Gill in der Frankfurter Schirn /​ … (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 09.10.2022Das Erste
  • Folge 32
    Vom Leben auf gepackten Koffern – Russische Künstler im Exil
    Was bedeutet es, nicht mehr in das eigene Land zurückkehren zu können? Wie leben Künstler in Kriegszeiten? „ttt“ reist nach Riga und trifft dort die prominente russische Schauspielerin Tschulpan Chamatova. Die 47jährige unterzeichnete im Februar dieses Jahres einen Appell vieler russischer Künstler und Schriftsteller, in dem Russlands Krieg gegen die Ukraine als „Schande“ bezeichnet und ein sofortiges Ende der Kämpfe gefordert wird. Am 20. März verließ Chamatowa ihr Land und lebt seitdem in Lettlands Hauptstadt Riga. Zurückkehren nach Russland kann sie nicht – die Gefahr, verhaftet zu werden, ist zu groß. Ähnlich geht es dem 35-jährigen Aktions- und Videokünstler Artjom Loskutow aus Nowosibirsk. Er zog sich den Unmut des Regimes schon vor 10 Jahren zu, als er mit seinen „Monstrationen“ – dadaistischen Mai-Umzügen mit sinnfreien Losungen auf Transparenten – auf seine Weise protestierte. Auch er lebt jetzt in Riga. „ttt“ fragt, welche Hoffnung haben sie für ihr Land?
    Autor: Lutz Pehnert
    Wird es in Deutschlands Museen bald dunkel und kalt? – Im Gasnotfallplan der Bundesregierung wurde die Kultur „vergessen“
    „Schimmel, Korrosion, giftige Gase, mechanische Zerstörung“ – mit diesen drastischen Worten beschreiben Deutschlands Kultusminister:innen in einem Alarmpapier die Folgen eines Gasnotstands für die deutschen Kulturschätze. Den „Notfallplan Gas“ gibt es schon seit 10 Jahren in Deutschland – aber wer wusste schon, was darinsteht? Die Direktor:innen und Intendant:innen von Museen und Theatern und anderen Kulturinstitutionen mussten entsetzt feststellen, dass ihre Häuser angeblich nicht zur „kritischen Infrastruktur“ gehören. „ttt“ hat Claudia Roth befragt und mit den Direktorinnen der Berliner Gemäldegalerie und des Musikinstrumentenmuseums in Berlin gesprochen.
    Autor: Ulf Kalkreuth
    Neue deutsche Helden – Fatih Akin und sein Film „Rheingold“
    Gangsta-Rap statt Wagner-Oper. In seinem neuen Film „Rheingold“ erzählt Regisseur Fatih Akin vom Aufstieg eines Flüchtlingskinds, Drogendealers, Goldräubers an die Spitze der Charts. Eine wahre Geschichte, basierend auf der Autobiografie von Xatar, einem der erfolgreichsten deutschen Rapper. Fatih Akin macht daraus ein wildes Epos, sein „Rheingold“ ist Biopic, Gangster-Drama und Sozialstudie zugleich. Und irgendwie auch – ein neuer deutscher „Heimatfilm“: „Da sind wir nun, wir Einwandererkinder“, sagt Regisseur Fatih Akin, „Geschichten wie die von Xatar sind neue deutsche Mythologie, deutsche Helden heißen nicht mehr Siegfried und Kriemhild. Sondern Xatar, Shirin oder Özlem.“
    Autor: Tim Evers
    „Nachleben“ – Ein Roman über das Fortwirken von Geschichte
    Deutsch-Ostafrika, das heutige Tansania: Anfang des 20. Jahrhunderts zieht dort ein junger Schwarzer für die deutschen Kolonialherren in den Krieg. Seine Geschichte, die in einem NS-Konzentrationslager enden wird, erzählt Abdulrazak Gurnah, Literatur-Nobelpreisträger 2021. In seinem gefeierten neuen Roman „Nachleben“ vergegenwärtigt er den Kolonialismus als menschliches Schicksal – und als Vergangenheit, die nicht vergeht.
    „ttt“ hat Abdulrazak Gurnah, geboren 1948 in Sansibar (heute Tansania), in seiner jetzigen britischen Heimat, in Canterbury besucht.
    Autor: Andreas Lueg (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 16.10.2022Das Erste
  • Folge 33
    Kartoffelbrei auf Monet – Verzweiflungstat oder unangmessene Straftat?: Ein Gemälde von Claude Monet – beworfen mit Kartoffelbrei. Die Organisation „Letzte Generation“ übernahm die Verantwortung. Die Attacken auf Kunst häufen sich: Tomatensuppe auf Van Gogh, Torte auf die Mona Lisa, eine unbekannte Flüssigkeit auf „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“. Noch haben Kunstwerke keinen ernsthaften Schaden erlitten, aber die Protestierenden kleben sich auch mit Sekundenkleber an historischen Rahmen fest und verursachen Sachschaden.
    Die Empörung ist groß. Die Suppenwerfer und Selbstankleber protestieren so für mehr Klimaschutz, appellieren an die Regierung und die ältere Generation. Mit ihren Videos generieren sie Millionen Klicks. Aber warum zielen sie auf Kunst? Sind Museen geeignet als Kampfplatz? „ttt“ fragt nach bei Kulturstaatsministerin Claudia Roth, spricht mit betroffenen Museumsleuten und der Künstlerin Swaantje Güntzel über die neue Form des Klimaprotests. Skandalös oder nachvollziehbar?
    Der Regisseur an der Kriegsfront – Interview mit Oleg Sentsov: Noch vor einem Jahr präsentierte der ukrainische Regisseur Oleg Sentsov seinen Film „Rhino“ beim Filmfestival in Venedig – Sommer, Sonne, Glamour. Jetzt kämpft er an der Front gegen die Russen. Eine Zukunft für ukrainische Kultur und ihr Kino gebe es nur, so Sentsov, wenn die Ukraine diesen Krieg gewinne. Der Filmemacher hatte schon gegen die Annexion der Krim 2014 protestiert und war deshalb in russischer Haft. „ttt“ berichtete damals schon über ihn. Erst 2019 kam Sentsov frei und konnte wieder Filme drehen. In „Rhino“ geht es um Kriminalität und Gewalt in der Ukraine der 1990er Jahre (Kinostart: 3. November). In „ttt“ spricht Oleg Sentsov über seine aktuelle Situation im Krieg, Putin und seinen Film „Rhino“.
    Opioidkrise in den USA – Buch „Imperium der Schmerzen“ von Patrick Radden Keefe: Mit dem Schmerzmittel Oxycodon sind die Sackler-Brüder zu Multi-Milliardären geworden, Nebenwirkungen verschwieg ihr Pharma-Unternehmen Purdue. Die Gier und Gleichgültigkeit der Sacklers stürzten eine Nation in die Drogensucht, sagt Patrick Radden Keefe, Investigativ-Journalist des Magazins „The New Yorker“. 500.000 Menschen starben in den USA an einer Opioid-induzierten Überdosis. Die Sacklers ließen sich lange als Stifter und Gönner feiern, ihr Name prangt an Universitäten und Museen. Patrick Radden Keefe rechnet in seinem neuen Buch „Imperium der Schmerzen“ mit der Familie ab, die die Opioid-Krise auslöste.
    Nostalgischer Rückblick oder immer noch aktuell? – Ausstellungsreihe über Michel Majerus: Seine Bilder sind Pop, ihr Inhalt Konsumkritik – er selbst wurde in den 90ern als ein vielversprechendes Malertalent aus Luxemburg gehandelt: Michel Majerus. Was ist geblieben von diesem Künstler, der zu seiner Zeit alle Konventionen der Malerei sprengte und vor 20 Jahren bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam? Eine ganze Serie von Ausstellungen in Deutschland geht jetzt dieser Frage nach, eine Homepage bündelt alle Information (www.michelmajerus2022.com). Den Auftakt machen die Kunstwerke in Berlin mit dem Frühwerk – aus gutem Grund, denn hier hat er nach dem Studium wohl seine prägendsten Jahre verbracht. Sein einstiges Atelier ist mittlerweile ständiger Ausstellungsraum seiner Werke. „ttt“ macht sich auf die Suche nach der Aktualität in Majerus Werk.
    „Meinen Hass bekommt ihr nicht“ – Kinofilm über den Anschlag im Bataclan in Paris: Sie sind eine junge Familie: Hélène, Antoine und ihr 17 Monate alter Sohn Melvil. Es ist der 13. November 2015, als dieses Glück zerstört wird. Hélène ist an dem Abend im Pariser Club Bataclan, in dem Terroristen über 100 Menschen erschießen. Darunter auch Hélène. Der Film „Meinen Hass bekommt ihr nicht“ (Kinostart: 10. November) erzählt die Geschichte von Antoine Leiris, der damals nur wenige Tage nach dem Attentat in einem bewegenden Social Media-Post erklärt: „Meinen Hass bekommt ihr nicht!“ Er schreibt: „Freitagabend habt ihr das Leben eines außerordentlichen Wesens geraubt.
    Nein, ich werde euch nicht das Geschenk machen, euch zu hassen. Auch wenn ihr es darauf angelegt habt. Wir sind zwei, mein Sohn und ich, aber wir sind stärker als alle Armeen der Welt.“ Worte, die um die Welt gingen. Die NDR-Koproduktion zeigt in anrührenden Bildern, wie Antoine versucht, mit seinem Sohn in einer neuen Realität zurecht zu kommen. „ttt“ spricht mit dem Regisseur Kilian Riedhof über den Film und die Geschichte von Antoine Leiris. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 30.10.2022Das Erste
  • Folge 34
    briss.Neubau.Klimakrise: Der Umbaukultur gehört die Zukunft
    Hunger als Waffe: Tanya Pyankovas Roman über den Holodomor in der Ukraine
    Queere Liebe im KZ: Magnus Gerrtens preisgekrönter Dokumentarfilm „Nelly &Nadine“
    Betörender Sound: Das Debütalbum des kalifornischen Gospel-Soul-Trios „Gabriels“
    Lichtkunst in Zeiten der Energiekrise: „HYPERsculptures“ in Unna (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 06.11.2022Das Erste
  • Folge 35
    Die geplanten Themen:
    Hallelujah: Leonard Cohen, A Journey, A Song
    Die Doku über Leonard Cohen wählt einen ungewöhnlichen Einstieg in das Leben und Werk des legendären kanadischen Songpoeten: Seine weltbekannte Hymne „Hallelujah“ dient als Prisma, durch die sein Leben, seine Karriere und seine künstlerische Vision gezeigt wird.
    „Hatten Sie je das Gefühl, Sie müssten Schluss machen mit dem Leben?“ So warb Leonard Cohens Plattenfirma für dessen erstes Album. Der Kanadier schrieb Gedichte, Romane und Lieder, die unsterblich wurden, sang über das Mysterium der Liebe und des Lebens wie kein anderer. Das lange Nachleben seines berühmtesten Songs „Hallelujah“ – und das seines Schöpfers, Leonard Cohen – erzählt jetzt der von Daniel Geller, Dayna Goldfine (Kinostart: 18.11.2022) intimer, berührender Dokumentarfilm.
    Autor: Andreas Lueg
    Katar und die Fußballweltmeisterschaft – Menschenrechte und Propagandaspiele
    Wenige Tage vor dem Start der Fußballweltmeisterschaft steht Katar im Fokus der medialen Berichterstattung. Regelmäßig würden die menschenunwürdigen Lebensbedingungen der Arbeitsmigranten in dem kleinen, aber superreichen Golfstaat thematisiert. Darüber beklagte sich Katars Außenminister Mohammed bin Abdulrahman Al Thani kürzlich in einem Interview. Es sei ein Zeichen von Doppelmoral, wenn Deutschland einerseits die guten wirtschaftlichen Beziehungen im Bereich Energiepolitik betone, andererseits Katar aber systematisch wegen mangelnder Beachtung der Menschenrechte kritisiere. Dabei habe das katarische Herrscherhaus längst Reformen eingeleitet.
    Wie sind die Äußerungen des Außenministers zu bewerten? Und wie steht es tatsächlich um die Reformierbarkeit eines autokratischen Staates wie Katar? Der in Deutschland lebende palästinensische Fotograf Mohamed Badarne hat heimlich migrantische Arbeiter in ihren Unterkünften in der Hauptstadt Doha fotografiert und deren Elend dokumentiert. Sein Fazit:
    Es gibt Verbesserungen, aber grundsätzlich ist und bleibt Katar eine Klassengesellschaft, in der Arbeitsmigranten ganz unten angesiedelt sind. Das bestätigt Mathias Brüggmann, Journalist beim Handelsblatt, Experte für die Golfstaaten und Autor des Buchs „1001 Macht“. Katar hat einen märchenhaften wirtschaftlichen Aufstieg geschafft und auch wenn das Herrscherhaus Al Thani das Image des Landes mit hypermoderner Architektur und der Ausrichtung einer Weltmeisterschafft poliert, so bedeutet das keinen Mentalitätswandel in der Bevölkerung.
    So sieht es auch Aktham Suliman, ehemaliger Mitarbeiter im Berliner Büro des katarischen Nachrichtensenders Al Jazeera. Die alten Stammesregeln seien immer noch stärker als die Einflüsse des Westens. Reformen und Erneuerungen müssten von innen kommen, und sie kämen langsam. Der Westen solle einen engen Austauscht anstreben. Nur so könne ein Bewusstsein für Menschenrechte, für Frauenemanzipation und für Pressefreiheit in der katarischen Gesellschaft wachsen.
    Autorin: Hilka Sinning
    Orlando Figes – eine Geschichte Russlands
    Im Westen ist man sich weitgehend einig: Wladimir Putin ist ein kleptokratischer, das russische Volk unterdrückender, Diktator, der von großrussischen Ideen getrieben, die Ukraine annektieren will. Die russische Gegenwart sei immer noch von ihrer Vergangenheit gefangen, sagt einer der renommiertesten Russland-Historiker der Welt, Orlando Figes, dessen jüngstes Buch am 19. November auf Deutsch erscheint.
    „Eine Geschichte Russlands“ hat eine gewaltige Grundthese: Russland wird viel mehr als andere Staaten der Welt von Ideen aus ferner Vergangenheit zusammengehalten und von Geschichten, die ständig umgeschrieben werden. Anders als in Westeuropa hat sich hier kaum eine bürgerliche Zivilgesellschaft herausbilden können. Im Grunde träumen die meisten Bürger noch heute vom gütigen, göttlichen Zaren.
    Wir sprechen mit Orlando Figes in London über Vergangenheit und Zukunft eines Imperiums, das Krieg gegen den Westen führt.
    Autor: Dennis Wagner
    „Kraftklub“ – Gültiges auf die Ohren
    „Kraftklub“ sind zurück. Zehn Jahre sind seit ihrem Debüt vergangen, fünf Jahre seit dem letzten Album. Mittlerweile sind sie eine der erfolgreichsten Indie-Rock Bands Deutschlands. Alle 3 Alben, die die Band bisher vorlegte, waren Nr.-1-Alben. Viel ist passiert, in Chemnitz, in Deutschland, in der Welt. Auf ihrem neuen Album „Kargo“ verarbeiten sie ihre eigene, turbulente Bandgeschichte, ihr Verhältnis zur ostdeutschen Provinz oder die zunehmende politische Gemütlichkeit ihrer Generation, in der es immer noch einen Unterschied macht, ob man aus dem Osten oder dem Westen kommt. In alter Manier liefern sie die passenden Botschaften zum Zeitgeist und führen dabei ihren Kraftklub-Sound konsequent fort. Doch sind die Songs melancholischer, reifer, selbstkritischer als früher.
    Autorin: Lilli Klinger (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 13.11.2022Das Erste
  • Folge 36
    Iran – die mutige Entscheidung der Frauen:
    Zwei Monate dauern die Demonstrationen im Iran schon an gegen das islamische Regime – und das trotz Folter und ersten durchgeführten Exekutionen. Vor allem Frauen gehen auf die Straße, um für ihre Freiheiten zu kämpfen. Offen reden können allerdings nur diejenigen, die vom Ausland aus die Proteste verfolgen. So wie Liraz Charhi, die israelische Sängerin mit iranischen Wurzeln, die 2022 unter größter Gefahr sich mit iranischen Musikerinnen traf und heimlich in einem Untergrundstudio in Istanbul das Album „Roya“ aufnahm, eine Phantasie von Freiheit für die iranischen Frauen, wie Liraz sagt.
    Ihre Entscheidung, nur noch auf Persisch und für den Kampf der Frauen im Iran zu singen und zu schreiben, habe sie „geheilt“, sagt sie. Donya Madani, ist eine bekannte Schauspielerin im Iran. Sie drehte ohne Lizenz einen kritischen Kurzfilm. Als sie damit zu den Filmtagen nach Hof eingeladen wurde und ausreisen wollte, wurde sie festgehalten, ihr Pass kurzfristig eingezogen und man sagte ihr, es gebe eine Akte, sie werde schon lange beobachtet.
    Das war der Punkt, an dem sie entschied, nicht mehr zurückzukehren. Sie nahm in Hof das Kopftuch ab, sprach unverschleiert, was ihr Film eigentlich kritisiert und darüber, dass im Iran Mädchen ins Gefängnis kommen und vergewaltigt werden, Schulmädchen erschossen werden, viele Künstler verschwunden sind und nicht hunderte, sondern tausende bei den Demonstrationen schon erschossen wurden. Donya Madani hat sich entschieden, keine Angst mehr zu haben und jetzt aus dem Ausland eine Stimme der Frauen und des Protests zu sein.
    „ttt“ hat Donya Madani in Deutschland getroffen, drei Wochen nach ihrer Entscheidung, ihr altes Leben aufzugeben um zu kämpfen. Und „ttt“ hat Liraz während eines Konzerts ihrer Welttournee besucht und mit ihr über die Kraft der Musik gesprochen und darüber, was es ihr bedeutet, mit iranischen Musikerinnen und Musikern zusammen die Songs eingespielt zu haben, die jetzt bei den Protesten gespielt werden. Zwei beeindruckende starke Frauen.
    Warum die Krise der US-Demokratie noch nicht gebannt ist:
    Nun ist es offiziell: Donald Trump möchte 2024 erneut Präsident werden. Und das, obwohl seine Kandidaten für die Midterms deutlich schlechter abgeschnitten haben als erwartet und sein Rückhalt in der Partei bröckelt. Dass bei den Kongress-Zwischenwahlen ein Erdrutschsieg der Republikaner, als auch der prophezeite Untergang der Demokraten ausgeblieben ist, sei ein Sieg der Vernunft, sagt der Journalist und Pulitzerpreisträger Evan Osnos. Dennoch sei die Gefahr für die US-amerikanische Demokratie nicht gebannt. Als langjähriger China-Korrespondent des „New Yorker“ kehrte er zurück nach Washington, kurz bevor das Kapitol erstürmt wurde und fragt sich in seinem Buch „Mein wütendes Land“, wie es so weit kommen konnte.
    Auch die Finanzexpertin und Rechtsanwältin Sandra Navidi hat einen besonderen Blick auf ihre Wahlheimat USA: Die deutsche Buchautorin machte als Wirtschaftsprüferin an der Wallstreet Karriere und warnt seit Jahren vor faschistischen Tendenzen in den USA und davor, dass die Gewaltenteilung in der ältesten Demokratie der Welt ihre Aufgabe nicht mehr voll erfülle. In ihrem Buch „Die DNA der USA“ beschreibt sie, dass die amerikanische „Alles-ist-möglich-Kultur“ auch dazu verleite, eigene (Fake-)Realitäten zu gestalten. „ttt“ hat mit Sandra Navidi und Evan Osnos über die Situation in den USA gesprochen – und darüber, wie weit das Land entfernt sei von einem Abdriften in die Autokratie.
    „Healing“ – Kunstwerke, die die Welt wieder ins Gleichgewicht bringen wollen:
    Der Künstler Alejandro Durán sammelt Plastikmüll aus dem Meer, macht aus dem Abfall der Welt wunderschöne großformatige Fotos. Klima und Umwelt brauchen ein Healing, Durán stößt uns darauf mit seinem Kunstwerk. Auch der Mensch braucht ein Healing, seine Beziehung zur Natur ist krank, in der Verbindung mit der Natur liegt das Healing. Besonders indigene Gesellschaften fordern es ein in unterschiedlichen Kontexten: Regenwald, Geschichte, Kolonisation, Sklaverei. Die Ausstellung „Healing“ im Frankfurter Weltkulturen Museum bringt internationale Künstler mit den hauseigenen ethnologischen Exponaten indigener Kulturen zusammen und zeigt muliperspektivisch, wie Heilung gelingen kann. „ttt“ hat einige Künstler:innen wie Alejandro Durán, Michael O’Neill und Roberta Carvalho getroffen.
    Queerness im Metal – Wie das harte Musikgenre diverser wurde:
    Metal ist laut, schnell, hart. Aber geht es deswegen bei dieser Musik einfach nur um primitive Wut, Macht und Mackertum? Die wirklich großen Metal-Bands nutzen die Härte ihrer Songs, um ihre eigene Zerbrechlichkeit auszustellen. Metal ist und war auch schon immer eher der Sound der Underdogs, der Ohnmächtigen, der Am-Rande-des-Schulhofs-Steher. Und somit auch der queeren Community. „ttt“ spricht mit Gaahl und Roddy Bottum über Männlichkeitsbilder, Härte und die Queerness im Metal. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 20.11.2022Das Erste
  • Folge 37
    Radikalisierung der Klimabewegung?
    Die Apokalyptiker von „Letzte Generation“ und ihre Moral. Der Paradigmenwechsel von Selbstverwirklichung (frühere Revolten, 68er) zu Selbsterhalt. Berührt sind dabei folgende Fragen: Legitimität, Demokratieverständnis und Moral. Wie radikal darf Klima-Protest sein? Gibt es Grenzen? Wo liegen diese? Ist Gewalt legitim? – „ttt“ versucht eine Einordnung der aktuellen gesellschaftlichen Ruptur und hat deshalb Protagonisten befragt, deren Kritiker, und den Vordenker der neuen Bewegungen.
    Ken Burns
    Der einflussreichste lebende Dokumentarfilmer im Portrait. Neben Robert Flaherty (gestorben 1951) gilt Ken Burns als einflussreichster Dokumentarfilmer aller Zeiten. Warum? Die Auswahl seiner Themen ist spektakulär: Muhammad Ali, Vietnam, die Brooklyn Bridge, der amerikanische Bürgerkrieg („Civil War“). Ken Burns hat eine ganz eigene Erzählweise etabliert, eine literarische, fast poetische Herangehensweise, sehr musikalisch, Stimme und Sound sind nicht nur zufälliges Beiwerk. Zwei seiner Dokumentationen wurden für einen Academy Award und sechs seiner Arbeiten für einen oder mehrere Emmy Awards nominiert. Er gewann insgesamt drei Emmy Awards für The Civil War, für Baseball und für Unforgivable Blackness oder seine neueste Dokuserie: „The US and the Holocaust“, bei der er die USA beschuldigt, die Juden im Stich gelassen zu haben. Das Credo von Ken Burns lautet: „The big mistake is that history is back down and the past is gone. History is right now, history is is, not was.“
    Vera Lentz – unterwegs in den Anden
    Vera Lentz lässt am Fenster die spektakuläre Anden-Landschaft auf sich wirken – so wie schon einmal vor mehr als 30 Jahren. Damals – in den 90ern, während des grausamen Bürgerkriegs in Peru – fuhr sie auf der Ladefläche eines LKW in die Anden und stieg in der Provinz Ayacucho aus. Als sie damals in dem Dorf Socos ankam, schoss sie mit ihrer Spiegelreflex-Kamera Schwarzweiß-Fotos, die bis heute das Gedächtnis des Grauens in Peru darstellen. Dort waren zuvor Bauern und Kinder ermordet worden von der maoistischen Guerilla „Leuchtender Pfad“. Ihre Fotos erscheinen in Newsweek, Time und im Spiegel.
    Jetzt hat sich ARD Korrespondent Matthias Ebert für „ttt“ auf Spurensuche mit der bekanntesten Fotografin des peruanischen Bürgerkrieges begeben. Auf ihrer Reise trifft sie jetzt auf Menschen von früher. Veras Fotos von Massakern und Überlebenden, Massengräbern, zerstörten Dörfern und Flüchtlingen helfen der Kommission für Wahrheit und Versöhnung zur Aufarbeitung des 15 Jahre währenden Terrors in Peru, bei dem 70.000 Menschen starben.
    „Vandana Shiva – Ein Leben für die Erde“
    Wie wurde die eigensinnige Tochter eines Waldhüters aus dem Himalaya zum schlimmsten Albtraum von Monsanto? Ein Dokumentarfilm erzählt die bemerkenswerte Lebensgeschichte der gandhistischen Öko-Aktivistin Dr. Vandana Shiva, wie sie sich gegen die Konzerngoliaths der industriellen Landwirtschaft behauptete, in der Bewegung für Ernährungsgerechtigkeit zur Berühmtheit aufstieg und einen internationalen Kreuzzug für Veränderungen inspirierte. Kinostart am 1. Dezember 2022.
    Ernsthaft?! – Albernheit und Enthusiasmus in der Kunst
    „Melde gehorsamst, dass ich blöd bin“, so untertitelte George Grosz, der große Maler und Karikaturist der Weimarer Republik, seine Karikatur eines Soldaten, in der er mit beißendem Humor den Uniformdünkel seiner Zeit kritisierte. Auf der einen Seite sehr ernst, auf der anderen Seite ausgesprochen komisch beleuchtet die gesamte Ausstellung die enthusiastische Peinlichkeit in der modernen und zeitgenössischen Kunst, die auch vor dem Albernen, dem Unvernünftig-Dummen nicht zurückschreckt. Werke von rund 100 Künstlerinnen und Künstlern aus der ganzen Welt sind hier ausgestellt vom 16. Jahrhundert bis in die unmittelbare Gegenwart. In der Moderne geraten die Autoritäten arg ins Wanken. Die Schau kokettiert mit dem Humor der Katastrophe, dem schlechten Geschmack, dem Camp-Ansatz, der B-Movie-Kultur, Science-Fiction und Horror, aber auch mit der Unreife, der Idiotie, der Intuition und natürlich der Leidenschaft – und nicht zu vergessen mit dem Enthusiasmus. Bundeskunsthalle Bonn.
    Hans Magnus Enzensberger
    Einen wie ihn hat es kaum je gegeben. Er hat für frische Luft gesorgt in der Literatur der alten Bundesrepublik, war Aufklärer, Anstifter, Kritiker – vor allem aber einer der großen Dichter des Landes. Immer mit Geist und Witz, pointiert, stets den Schalk im Nacken, ein Großmeister der kleinen Beobachtung. Ein eleganter Plauderer, dessen Leichtigkeit ihn über den Dingen schweben ließ. Hans Magnus Enzensberger ist am Donnerstag im Alter von 93 Jahren in München gestorben. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 27.11.2022Das Erste
  • Folge 38
    Die geplanten Themen:
    Olaf Heine – „Human Conditions“ Retrospektive des bekannten Fotografen in der „Camera Work“ und Bildband: Menschen, Landschaften, Orte: Der Blick durch seine Kamera zwinge ihn, nachzudenken und den Dingen auf den Grund zu gehen, sagt der Fotograf Olaf Heine. Seine hintergründigen, ironisch-pathetischen Porträts machen Popstars zugänglich. HUMAN CONDITIONS – was Menschen inspiriert, was Leben unberechenbar, zu einer ständigen kreativen Herausforderung macht, ist Thema seiner aktuellen Arbeit und einer Ausstellung in der Berliner Galerie Camera Work. Ob Fury in the Slaughterhouse, Die Ärzte oder Rammstein – wenn eine deutsche Band in den Neunzigern ein Album-Cover benötigte, riefen die Verantwortlichen meistens Olaf Heine an. Musiker wie Iggy Pop, Sting, Snoop Dog oder auch die Bands Coldplay, U2 und R.E.M schätzen Heines unprätentiöse Schwarz-Weiß-Fotografie.
    In seinem berührenden Fotoprojekt „Rwandas Daughters“ zeigte er Frauen und ihre Töchter, die aus Vergewaltigungen während des Völkermordes in Ruanda entstanden.
    Autor: Andreas Lueg
    „She Said“ – Maria Schraders Verfilmung der Recherche der New York Times, die zur Aufdeckung des Missbrauchsskandals um den Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein führte: Maria Schrader hat in ihrem ersten amerikanischen Film „She Said“, der ab 8. Dezember in die deutschen Kinos kommt, die Geschichte der beiden New York Times Reporterinnen Jodi Kantor und Megan Twohey über ihre sehr hartnäckige Recherche, die den Weinstein-Skandal auslöste, verfilmt. „Eine Revolution“, nennt Maria Schrader die Ergebnisse und die Wirkung, die die Enthüllung der beiden Journalistinnen ausgelöst hat und die zur #Metoo-Debatte um soziale Herrschaftsverhältnis geführt hat. In ihrem Hollywood-Debüt erzählt Maria Schrader sehr dicht, sehr sehenswert und emotional die Geschichte hinter der Geschichte, eine „True story“, die auch ihre eigene Welt verändert hat. „ttt“ hat mit Maria Schrader und der Journalistin Jodi Kantor gesprochen.
    Autor: Dennis Wagner
    Chelsea Manning – Meine Geschichte, eine Autobiografie: Im Frühjahr 2010 erschien auf der Enthüllungsplattform WikiLeaks ein Video unter dem Titel „Collateral Murder“. Es zeigt die US-Besatzungsmacht im Irak bei einem Anti-Terror-Einsatz in der Nähe von Bagdad. Von einem Hubschrauber aus wird eine Gruppe von Zivilisten beschossen. Es kommen Unschuldige ums Leben, darunter zwei Journalisten der Agentur Reuters, die von den Angreifern irrtümlicherweise für Aufständische gehalten wurden. Das Video löste weltweit Empörung aus.
    Hochgeladen hat das Video der damals 22jährige Gefreite Bradley Manning, ein für den Nachrichtendienst zuständiger Mitarbeiter der US-Armee. Manning wurde festgenommen. Er verbrachte zwei Monate in einem Stahlkäfig auf einem US-Militärstützpunkt in Kuweit, dann neun Monate unter extremen Haftbedingungen in einem Gefängnis in Virginia. Während die Welt über WikiLeaks und die zwiespältige Rolle von Whistleblowern diskutierte, wurde Manning vor Gericht gestellt. Sein Argument, er habe die US-Öffentlichkeit informieren wollen über die Wahrheit der Terrorbekämpfung im Irak, wurde nicht gehört. Seine Strafe fiel drastisch aus: 35 Jahre Haft. In der Haft begann Bradley Manning eine Geschlechtsumwandlung, wurde zu Chelsea. 2017 kam Chelsea Manning frei. Barack Obama gewährte ihr bei seiner Verabschiedung aus dem Amt eine Haftkürzung. Die Geschichte der Chelsea Manning ist jetzt in dem Buch „Readme.text“ nachzulesen.
    Autorin: Hilka Sinning
    Ein Jahr voller guter Nachrichten – der slowakische Künstler Martin Smatana trotzt der Welt: So viel Krise war nie: von Klimakatastrophe bis Coronapandemie, Ukrainekrieg und Inflation. Die Nachrichten sind schlechte Nachrichten, wir haben uns daran gewöhnt. Dass hinter den alltäglichen Horrormeldungen immer noch überraschend viele Entdeckungen von Menschlichkeit, Empathie und Hilfsbereitschaft möglich sind, das bezeugt der slowakische Filmregisseur und Autor Martin Smatana. Bekannt wurde er mit seinem anrührenden Animationsfilm „The Kite“: die Erinnerungen eines Enkels an seinen Großvater. Der Film lief auf der Berlinale und hat seitdem über 60 internationale Auszeichnungen erhalten.
    Das New Yorker MoMa nahm „The Kite“ in seine Film Collection auf. Smatanas neues Werk ist ein Buch mit dem Titel „Ein Jahr voller guter Nachrichten“. Begonnen im Jahr der weltweiten Corona-Lockdowns, hat Smatana über 50 Nachrichten gesammelt, die normalerweise in der Flut von breaking news untergehen: „Unscheinbare Handlungen und Fakten, die am anderen Ende der Straße genauso gut zu finden sind wie am anderen Ende der Welt“. „ttt“ hat Martin Smatana in seinem Studio in Trnava (Slovakei) getroffen und mit ihm über positive Nebenwirkungen positiver Nachrichten gesprochen.
    Autor: Rayk Wieland (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 04.12.2022Das Erste
  • Folge 39
    - Die Debatte um kulturelle Aneignung – Warum sie jetzt auch Musiker wie Peter Fox trifft
    - Die Kurden in Iran und ihre besondere Rolle bei den Protesten
    - Indie-Folk-Star Weyes Blood – Der Soundtrack zu den Krisen unserer Zeit
    - Hype um die Brettspiele – Warum der Mensch spielen muss (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 11.12.2022Das Erste
  • Folge 40
    Cancel Culture: Wie eine moralische Panik die Welt erfasst.
    Visionen mit Licht und Farbe: Ruth Baumgartes Afrikakunst in der Wiener Albertina.
    Auf der Suche nach dem Glück: Die Nobelpreisträgerin Annie Ernaux und ihre Super 8 Tagebücher.
    Spannende Bekenntnisse: Annette Friers Projekt #undwarumbistduhier.
    Ich rebelliere also bin ich: Künstler zwischen Widerstand und Aktionismus. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 18.12.2022Das Erste

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