Folge 7

  • 7. Hiroshima, 6. August 1945 – Die nukleare Bedrohung

    Folge 7
    6. August 1945, 8:15 Uhr Ortszeit Hiroshima. Der Himmel ist leicht dunstig. Der wohl einzige noch lebende Zeitzeuge, Jesuitenpater Professor Karl Luhmer, damals 26 Jahre alt, war vier Kilometer vom Explosionszentrum der Bombe – vom US-Militär verniedlichend „little boy“ genannt – entfernt. „Ich sah den Feuerball über der Stadt – rot, gelb, violett, gleißend, blendend … die pilzförmige Wolke … und dann kam der Feuersturm und danach der schwarze Regen.“ Die Stadt brannte, Pater Luhmer wurde von Glassplittern verletzt, eilte in das Stadtzentrum, um den Verwundeten zu helfen, sah grässliche Wunden.
    „Von Radioaktivität hatten wir damals keine Ahnung.“ „Mit einem Schlag haben wir 300 000 Menschen ausradiert!“ jubelte der amerikanische Wochenschausprecher wenig später. Der Einsatz der Bombe über Hiroshima und kurz darauf über Nagasaki gegen die „aggressiven japanischen Teufel“, die ohne Vorwarnung Pearl Harbour überfallen hatten, wurde als Heldentat gefeiert, die den Krieg rasch beendete und den japanischen Kaiser zur bedingungslosen Kapitulation zwang. Die heute noch lebenden 400.000 explosionsgeschädigten und strahlenkranken Opfer von damals – „hibakushas“, Feuerbombenmenschen, genannt – wurden zunächst wie Aussätzige gemieden, verstehen sich aber heute als lebendes Mahnmal und unermüdliches Weltgewissen.
    Der Pressefotograf Yoshito Matshuhige war 2,7 Kilometer vom Explosionsherd entfernt und knipste das Grauen. Doch er machte nur fünf Fotos, die um die Welt gingen, dann weinte er, angerührt von den Leiden der Opfer, und legte die Kamera beiseite. Tetsuko Yamashita war nur einen Kilometer von der Explosionsmitte entfernt.
    Sie war ein hübsches Mädchen von 16 Jahren und wurde mit ihrem achtjährigen Bruder verschüttet. Schließlich ausgegraben, erlebte sie medizinische Selektion. Nur wer aus eigener Kraft zum Sanitätszelt kriechen konnte, wurde behandelt. Ihr Bruder starb drei Tage später in den Armen der Mutter. Yoriko Yamashita selbst erkrankte an Schilddrüsenkrebs und hatte mehrere Fehlgeburten. Schließlich gebar sie einen gesunden Sohn, heute ein renommierter Dirigent, in dem sie die Wiedergeburt ihres Bruders sieht. Suzuko Numata, 20 Jahre jung,
    frisch verlobt, 800 Meter entfernt, verlor ihr rechtes Bein, wurde später depressiv und wollte sich im Fluss ertränken.
    Da sah sie, dass aus einem der in der Atomhölle verbrannten Bäume grüne Triebe schlugen. Sie sammelte den Samen dieses Baumes, verpflanzte den Baum vor das Atommuseum in Hiroshima und sitzt heute jeden Tag dort und verschenkt den Samen an Kinder und Jugendliche – in der Hoffnung auf Frieden und niemalige Wiederkehr des damaligen Schreckens. Am 6. August 1945 war die Atombombe genau 20 Tage alt. Das „Manhattan Projekt“ war als Waffe gegen das Hitler-Deutschland konzipiert und von Wissenschaftlern der verschiedensten Nationen entwickelt worden.
    Die erste Atombombe wurde dann am 16. Juli 1945, um 5:25 Uhr, in der Wüste von Nevada gezündet. Forschungsleiter J. Robert Oppenheimer damals: „Wir wussten, die Welt war danach nicht mehr die gleiche.“ Die Wissenschaftler, von denen sich später viele von dem Projekt abwandten, u. a. Albert Einstein und Joseph Rotblat, spürten apokalyptisches Schaudern ähnlich der altindischen Weissagung: „Der mächtige Tod bin ich, der die Vernichtung der Menschheit bringt.“ Der Ort der Explosion wurde „Trinity Site“, Ort der Dreifaltigkeit, genannt.
    Ein Ort, wie Kritiker später formulierten, der unheiligen Allianz von Wissenschaft, Militär und Politik. Autor und Regisseur Bernd Dost kommt in seiner Dokumentation, die auf dem gleichnamigen dtv-Buch des Münchner Historikers Dr. Detlev Bald basiert, zu der überraschenden Schlussfolgerung: Wenn die Opfer der Atombombe von Hiroshima und Nagasaki nicht Jahr um Jahr unser Bewusstsein für die Schrecken atomarer Vernichtung geschärft hätten, wäre möglicherweise die Bombe tatsächlich zum Vernichter der Welt geworden.
    Zeitzeugen für diesen Film sind, neben „hibakushas“ und Jesuitenpater Luhmer, – Exbundeskanzler Helmut Schmidt, – Michail Gorbatschow, – der Atomphysiker Joseph Rotblat, einer der am „Manhattan Projekt“ beteiligten Wissenschaftler und Friedensnobelpreisträger mit der Pugwashbewegung – der Psychoanalytiker Horst-Eberhard Richter, – der Diplomat Hans-Georg Wieck. Pater Luhmer betrachtet noch jeden Tag ein kleines metallenes Kleinod, das er aus Hiroshima gerettet hat: Jesus Christus am Kreuz, geschmolzen im atomaren Brand. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereMi 02.06.1999Das Erste

Cast & Crew

Sendetermine

So 02.08.2015
22:40–23:25
22:40–
Mi 02.06.1999
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