Welt der Tiere (2000) Gefangen auf der Tulpeninsel
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Gefangen auf der Tulpeninsel
Das Fohlen hatte einen dramatischen Start ins Leben. Es wurde im elend heißen Hochsommer in Südrussland geboren, als die Temperaturen in der vorkaspischen Steppe auf fast plus 40 Grad Celsius anstiegen. Dieser Landstrich mit vielen Salzseen und Salzsümpfen ist ein Relikt aus der Zeit vor fünf Millionen Jahren, als das Tethys-Urmeer vom Atlantik bis weit in das vorderasiatische Tiefland hineinreichte. Ob das in Salz und Hitze gefallene Pferdekind überlebt? Ob die junge Mutterstute genug Milch für ihr Junges hat während der Dürre, die im August diese Region heimsucht? Niemand weiß, wie diese Pferde hierher kamen, niemand weiß, wie sie es schaffen, hier zu überleben. Verschiedene Legenden kursieren über ihre Herkunft, wie etwa dass sie den Kriegern von Dschingis Khan entlaufen sind, dass sie von Donkosaken auf ihrer Flucht vor der Roten Armee zurückgelassen wurden oder dass sie einfach ausgerissen sind. Heute kennen diese großgewachsenen schönen Tiere keinen
Sattel und sind keine Menschenhand gewöhnt. Stark und robust führen diese „Don-Mustangs“ ihren hartnäckigen Überlebenskampf auf einer kargen Insel, gefangen inmitten eines 150 Kilometer langen und 15 bis 18 Kilometer breiten Salzsees in der Nähe des Don-Deltas. Das Rückzugsgebiet der Don-Mustangs kann Paradies und Hölle sein. Anfang April beginnt hier der stürmische Frühling. In kürzester Zeit zeigt sich die Steppe als ein riesiges blühendes Tulpenfeld. Aber schon Ende Mai bringen asiatische Winde die Hitze aus der Wüste Kara-Kum. Alles verdorrt, und die Wasserreserven auf der Tulpeninsel werden knapp. Für die Don-Mustangs ist es eine lebensbedrohliche Situation, denn jedes erwachsene Tier braucht mindestens 80 Liter Wasser täglich. Das extreme Klima fordert Pferdeleben. Die Situation hat sich geändert, seit die Insel zum Nationalpark Rostowskij gehört. Für das Augustfohlen sind jetzt die Chancen gut, dass es seinen ersten Sommer überlebt. (Text: hr-fernsehen)