Von schmalzig bis phänomenal

‚Dresden‘ in der Kritik

Jutta Zniva – 08.03.2006

Der ZDF-Zweiteiler „Dresden“, den am Sonntag 12,68 und montags 11,25 Millionen Zuschauer sahen, wurde in den Feuilletons mit viel Kritik bedacht. Von Kitsch und Schmalz ist die Rede, aber auch von sensibler Umsetzung und phänomenaler Produzentenleistung.

„Bomben-Kitsch“ titelt die „Neue Zürcher Zeitung“: „Dresdens Feuersturm ist in Hollywood angelangt, ohne dass man den Streifen dort hätte produzieren müssen.“ [ …] „Die Suggestion einer Einfühlung in die Opfer des Bombenterrors, die Hofmann und Richter mit ihrer Beschwörung von ‚Authentizität‘ verbreiten, führt in die Irre. Dies ist ein Film von Mittvierzigern, die darauf setzen, bei jungen Leuten anzukommen.“

In der „Süddeutschen Zeitung“ kritisiert Oliver Storz in seinen Nachbetrachtungen zu „Dresden“, dass die Modeerscheinung des Event-Fernsehens nun auch die Historien-Doku erfasst habe: „Den Machern von Dresden selbst, so mein Eindruck, war es vor allem um das quasi Artistisch-Attraktionsmäßige der Sache zu tun, und in diesem Feld kann man den Film nicht genug loben: eine phänomenale Produzentenleistung insgesamt, Regie, Kamera, Sounddesign, Schnitt – alles tatsächlich von ereignishafter Qualität – sofern es mit dem Luftangriff zu tun hat. Bleibt die Frage: Warum in aller Welt hat man als Story-Verpackung der Dresden-Tragödie ein Drehbuch gewählt, das wieder einmal im Ärztemilieu spielt und daher das Herrenparfüm aller Arztserien dieser Welt in das ambitionierte Unternehmen einschleppt?“

„Schmalzbomben auf Dresden“, nennt es der „Tagesanzeiger“. Das ZDF habe mit seinem Kriegs-Liebesfilm einen fragwürdigen Erfolg errungen: „So sind diese drei Fernsehstunden zu einem der aufwändigsten Versuche der Erinnerung und Selbstvergewisserung über die jüngere deutsche Geschichte geworden. Und man merkt dem Film jederzeit an, dass hier größte Vorsicht gewaltet hat: Man wollte politisch korrekt sein und bloß nicht suggerieren, dass die vielen zehntausend Bombentoten von Dresden, fast alle Zivilisten, irgendwie gegen die Millionen Opfer des deutschen Naziterrors ‚aufgerechnet‘ werden könnten. Darum sieht man in Dresdens Straßen jede Menge NS-Brutalitäten, hingerichtete Deserteure, drangsalierte Juden, korrupte Funktionäre.“ [ …] „Doch das Unfreie, reißbretthaft Konstruierte der Fabel schlägt auch künstlerisch zurück. Nichts gegen die Idee, dass sich eine Krankenschwester 1945 in einen abgeschossenen britischen Bomberpiloten verliebt. Aber ‚Dresden‘ verdreht den unmenschlich menschlichen Aberwitz des Krieges ins platte Melodram. Fast nichts stimmt an diesem ZDF-Engländer, nicht mal der synchronisierte Akzent.“

Roger Boyes, Berlin-Korrespondent der Londoner Times, kritisiert in der „Welt“: „Der Film ‚Dresden‘ ehrt nicht die zerstörte Stadt; er läßt sie verschwinden und macht seine Bewohner zu bloßen Statisten. Deutschland sollte es nicht zulassen, daß Filmemacher derartig die historische Erzählung okkupieren. Eigentlich dachte ich, daß dies alles mit Guido Knopps zynischer Archivmaterialauswertung a la ‚Hitlers Frauen‘ und ‚Hitlers Kugelschreiber‘ beendet wäre. Doch dann kam Eichingers ‚Untergang‘. Und nun ‚Dresden‘. Was aus guter Absicht geschah, endet als manipulatives Kino. Dresden hat besseres verdient als ‚Dresden‘.“

Evelyn Finger schreibt in der „Zeit“ vom „ZDF-Katastrophen-Rührstück“: „Doch im Laufe dreier Fernsehstunden entwickelt Richters Antikriegsschmonzette ihre eigene revanchistische Dynamik. Vor dem Hintergrund des drastisch ausgemalten Feuersturms verblasst die Schuld des deutschen Normalbürgers – eine faschistische Partei gewählt, den Holocaust geduldet und die Nazidiktatur mitgetragen zu haben. Wenn in Dresden die Menschen wie lebende Fackeln durch die Straßen rasen, wenn eine Mutter ihren brennenden Kinderwagen hinter sich herzieht, wenn einem Mann beide Beine weggefetzt werden, dann erscheint alles zuvor begangene Unrecht mit einem Schlag abgebüßt. Individuelle Katastrophenerfahrung statt komplizierter moralphilosophischer Debatte: Das ist neuerdings das Prinzip publikumswirksamer Geschichtsklitterung. Indem TV-Produktionen wie ’Die Luftbrücke, ‚Die Sturmflut‘ oder Dresden historische Großereignisse auf das Format von Einzelschicksalen schrumpfen, trivialisieren sie ihren Stoff und machen ihn konsumierbar für das Primetime-Publikum.

Die „taz“ wiederum attestiert dem ZDF, mit „Dresden“ die Probe bestanden zu haben, eine deutsche Kriegstragödie sensibel fürs Fernsehen umzusetzen: „Dresden“ ist ein Film über eine Stadt in Kriegszeiten geworden, über ihre Bewohner und das Leid, das die Bomben über sie bringen.“ Auch vom Ende des Film ist die „taz“ beeindruckt: „Was aus den Protagonisten wird, was aus dem Krieg – ‚Dresden‘ schweigt und verweigert sich so, die Bombardierung als Katharsis zu erzählen. Die Zerstörung erlöst weder die Figuren noch die Geschichte. Was für ein Ende, das sich selbst nicht erlaubt, eines zu sein.“

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am via tvforen.de

    Ich fand den Film so dermaßen beschissen.
    Habe mir den ersten Teil angesehen, da ich auch mitreden wollte. Als sie dann im zweiten Teil diese unglaubwürdige Sexszene im Krankenbett zeigten hab ich weggeschaltet. Ich finde das so eine bodenlose Frechheit eine solche Tragödige auf diese billige Art und Weise zu vermarkten.
    Die Sturmflut fand ich gegen DIESEN Film echt Oscarreif.
    • am via tvforen.de

      Das Dresden Doku-Drama von Guido knopp war doch klasse.Hat auch zahlreiche Preise abgeräumt.Welche Quote hatte das eigentlich?

      Für mich ist Doku-Drama die einzige möglichkeit solche Sachen im TV zu zeigen.Negativ-Beispiel auch die Sturmflut auf SAT1 und das positive Gegenstück in der ARD das Doku-Drama mit Interviews der Zeitzeugen.
      • am via tvforen.de

        Denke auch, dass man vor den schauspielerischen Leistungen und der Leistungen hinter den Kulissen den Hut ziehen muss. Jedoch war ich doch etwas ernüchtert. Es ging vordergründig nur um diese unglaubwürdige Liebesgeschichte. Diese Geschichte drängt zu sehr in den Vordergrund. Der Bombenangriff und das eigentliche Leiden der Bevölkerung gehen dabei fast vollkommen unter. Das sollte wohl nicht der Sinn eines solchen Filmes sein, der sich mit so einem sensibelen Thema befasst. "Schindlers Liste" z.B. finde ich immernoch einen der künstlerisch gelungensten werke, die sich reell mit der Nazi - Geschichte beschäftigen (wollen).
        • am via tvforen.de

          Ja hat denn irgendeiner behauptet, das wäre etwas gehobeneres als eine Telenovela? Es lief im ZDF! Da wo Pilcher und das Traumschiff und Bella Block und der Landarzt und Rosa Roth glücklich bis ans Ende ihrer Tage leben.
          • am via tvforen.de

            Naja, das ZDF hat es als "Fernsehereignis des Jahres" beworben und entsprechend große Erwartungen geschürt. Mit den Quoten wurde ihm das auch gedankt.

            Gleichzeitig ist aber alles, was so "groß" angekündigt wird, immer eine Auflage für Kritiker, einen ebenso "großen" Verriss zu schreiben. Kommt mir vor wie ein Reflex.
          • am via tvforen.de

            Sachen die so groß angekündigt werden, sind meistens in echt nicht so groß.
            Aber ich ´sags noch einmal: von einem Spielfilm darf man sich keine ho´hen Informationsgehalt erwarten-da stehen nun mal Herz-Schmerz- Schnulze im Vordergrund.
            Ansosnten gibts genügend seriöse Dokumentationen, in denen Zeitzeugen zu Worte kommen.
            Für jeden etwas (ich mag beides!)
          • am via tvforen.de

            >Ja hat denn irgendeiner behauptet, das wäre etwas gehobeneres als eine >Telenovela? Es lief im ZDF! Da wo Pilcher und das Traumschiff und Bella Block und >der Landarzt und Rosa Roth glücklich bis ans Ende ihrer Tage leben.

            Was hat denn Bella Block in dieser Auflistung zu suchen? Ist ja wohl mit den anderen nicht zu vergleichen, selbst mit der leichten Abflachung die nach einigen Folgen Einzug hielt. Hast du Bella Block überhaupt schon mal richtig gesehen?

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