Macht das „Roseanne“-Revival Comedy great again? – Review

Sitcom-Comeback punktet mit Aktualität und Retro-Charme

Glenn Riedmeier
Rezension von Glenn Riedmeier – 28.03.2018, 19:00 Uhr

„Roseanne“: Der Cast des Revivals 2018 – Bild: ABC
„Roseanne“: Der Cast des Revivals 2018

Wer hätte vor einiger Zeit wirklich daran geglaubt, im Jahr 2018 ein Review zu neuen Folgen von „Roseanne“ schreiben bzw. lesen zu dürfen? Die Kult-Sitcom mit Roseanne Barr und John Goodman lief neun Staffeln lang von 1988 bis 1997 und war mit 221 Episoden eine der langlebigsten Comedyserien überhaupt. Gleichermaßen war sie prägend, brach mit Konventionen und Seriengesetzen. In den Alltagssorgen der Arbeiterfamilie Conner aus der unteren Mittelschicht fanden sich viele Zuschauer wieder. Anders als es in Heile-Welt-Sitcoms wie „Full House“ oder „Die Bill Cosby-Show“ der Fall war, zeichnete sich „Roseanne“ durch realitätsnahen Galgenhumor aus und behandelte Themen wie Arbeitslosigkeit, Scheidung, häusliche Gewalt, Rassismus und Homophobie. Roseanne Conner gab als weibliches Oberhaupt der Familie den Ton an – ebenfalls untypisch für die damalige Zeit.

Nun, ziemlich genau 20 Jahre nach dem Serienende, kehren wir zurück in das Haus an der Kreuzung Third Avenue und Delaware Street in Lanford, Illinois. Im Zuge der allgemeinen Retro- und Reboot-Serienwelle bedurfte es laut Roseanne Barr überhaupt nicht viel Überzeugungskraft, um vom US-Network ABC grünes Licht für die Neuauflage zu erhalten. Neben der Frage, ob die damals so perfekte Widerspiegelung des Zeitgeistes noch in die Gegenwart des Jahres 2018 passt, ist natürlich spannend, auf welche Weise auf das kontroverse Serienfinale reagiert wird, mit dem sich „Roseanne“ im Mai 1997 verabschiedet hatte. Zur Erinnerung: In der letzten Szene wurde offenbart, dass die gesamte Handlung der surrealen neunten Staffel rund um den Lottogewinn lediglich Roseannes Fantasie entsprungen war. Roseanne gibt sich aus dem Off als Autorin zu erkennen. Sie schrieb die wirren Handlungsstränge, um damit den Tod ihres Ehemanns Dan zu verarbeiten, der in der achten Staffel einen Herzinfarkt erlitten hatte.

Roseanne und Dan
Um es kurz zu machen: Dieses Thema wird innerhalb der ersten Minute der neuen Folge auf ironische Weise abgehakt. Roseanne wacht in ihrem Bett neben Dan auf, der ein Beatmungsgerät im Gesicht trägt. Erstaunt ruft Roseanne: „Dan?! Ich dachte, du wärst tot!“ Dan erwidert: „Warum denken alle, dass ich tot bin?“ Roseanne: „Du hast so glücklich ausgesehen – da dachte ich, du hättest dich vom Acker gemacht.“ Thema erledigt.

Es folgt der Vorspann zur ersten neuen Episode, bei dem man sich direkt in die Zeit zurückversetzt fühlt. Es ertönt der altbekannte Saxophon-Titelsong und die Familie Conner ist wieder rund um den Esszimmertisch versammelt, während die Kamera rotiert. Und alle sind wieder mit dabei: Laurie Metcalf als Roseannes Schwester Jackie, Sara Gilbert als Tochter Darlene, Alicia Goranson als Tochter Becky und Michael Fishman als Sohn D.J.. Darüber hinaus ist auch Sarah Chalke wieder an Bord, die in den späteren Staffeln als alternative Becky-Darstellerin zu sehen war. In der Neuauflage spielt sie eine neue Rolle. Darüber hinaus ist die Conner-Familie um eine Generation gewachsen: Neu dabei ist Jayden Rey als D.J.s Tochter Mary. Die aus „Shameless“ bekannte Emma Kenney porträtiert Darlenes älteste Tochter Harris, während Newcomer Ames McNamara deren jüngeren Bruder Mark spielt.

Auf den ersten Blick scheint die Zeit bei „Roseanne“ stehengeblieben zu sein. Die Einrichtung des Häuschens ist nahezu unverändert – inklusive des alten Wandtelefons, des Spielzeug-Dinos und der Häkeldecke auf dem Wohnzimmersofa. Roseanne und Dan liefern sich amüsante Wortgefechte, während sich Tochter Darlene um deren Gesundheitszustand sorgt, weil ihre Eltern schon am frühen Morgen ungesunde Marshmallows zu sich nehmen – zusammen mit Medikamenten gegen Bluthochdruck.

Jackie und Roseanne
Zwischen Roseanne und ihrer Schwester Jackie gab es einen heftigen Streit, der sich durch die gesamte erste neue Folge zieht. Roseanne hat bei der Präsidentschaftswahl für Donald Trump gestimmt, woraufhin sich Jackie über die versprochene Gesundheitsreform und die Waffenpolitik der Republikaner lustig macht. Beim gemeinsamen Abendessen spricht Roseanne ein Tischgebet und beendet es mit den Worten: „Thank you for making America great again!“ Inhaltlich ergibt es vollkommen Sinn, dass Roseanne Conner (wie übrigens auch Roseanne Barr) glühende Trump-Anhängerin ist – schließlich will der Präsident ja angeblich die Interessen des einfachen amerikanischen Volkes vertreten, zu dem die White-Trash-Familie Conner zweifelsohne zählt. Jackie bildet den Gegenpart und trägt in Anspielung auf die Unterstützerinnen von Hillary Clinton ein „Nasty Woman“-Shirt

Mit Darlenes Sohn Mark spricht die Serie vor allem in der zweiten Folge das Thema Geschlechtsidentität und die Gender-Debatte an. Der neunjährige Junge trägt schrille bunte Klamotten, lackiert sich die Fingernägel und legt ein eher weibliches Verhalten an den Tag – was vor allem bei Dan für Stirnrunzeln sorgt. Entgegen des Willens von Darlene versucht ihr Vater immer wieder, Mark „männlicher“ zu machen. Roseanne hingegen setzt sich für Marks individuelle Persönlichkeit ein – wenn auch auf eigenwillige Weise. Darlenes 14-jährige Tochter Harris entspricht eher dem typischen pubertären Mädchen – und erinnert Roseanne und Dan an ihre eigenen Erfahrungen mit Darlene, als sie in dem Alter war. D.J.s Tochter Mary ist dunkelhäutig – ihre Mutter Gina befindet sich gerade auf einem Kriegseinsatz als Soldatin in Syrien.

Becky (r.) hat ihrer Familie eine Neuigkeit zu verkünden

Noch mehr als zuvor spricht „Roseanne“ aktuelle gesellschaftliche und politische Themen an, ohne dabei den Fokus auf allzu familiäre Probleme zu vernachlässigen. Darlene hat ihren Job verloren, ist alleinerziehende Mutter von zwei Kindern und wieder bei ihren Eltern eingezogen, weil sie mit der Situation überfordert war. Ihre Schwester Becky sorgt für den nächsten Unfrieden innerhalb der Familie, als sie verkündet, sich als Leihmutter für eine wohlhabende Frau zur Verfügung zu stellen, um dadurch an 50.000 Dollar zu kommen. Es handelt sich um eine Person, die „Roseanne“-Zuschauer bereits kennen – allerdings in anderer Funktion … Dan hält Beckys Vorhaben jedenfalls für unmoralisch und zieht sich wütend – wie früher – in die Garage zurück.

Trotz der ganzen Reihe an ernsten Themen, die allein in den ersten beiden neuen Episoden angesprochen werden, kommt natürlich der Humor nicht zu kurz. Obwohl der Cast seit 20 Jahren keine neue Folge mehr gedreht hat, merkt man sofort, wie eingespielt das Team ist. Vor allem Roseanne und Darlene schießen wieder unverblümt freche Sprüche aus der Hüfte. Ganz typisch für eine Familien-Sitcom spielt sich die Handlung zu 90 Prozent in den eigenen vier Wänden der Conners ab. Den Machern ist der Spagat zwischen Nostalgie und Gegenwart gelungen. Altmodisch ist in Wirklichkeit nur die Einrichtung und der Kleidungsstil der Familie Conner – die Serie selbst hingegen ist brandaktuell. „Roseanne“-Fans dürften sich sofort wieder wohlfühlen und es kaum erwarten können, den Rest der Staffel zu sehen.

Die neue „Roseanne“-Staffel umfasst insgesamt neun Folgen, die wöchentlich am Dienstagabend auf ABC ausgestrahlt werden. Quotentechnisch sind die ersten beiden Episoden durch die Decke gegangen: Die erste Folge sahen 17,7 Millionen Zuschauer bei einem Zielgruppen-Rating von 4.9, die unmittelbar im Anschluss gezeigte zweite Folge konnte sich sogar auf 18,6 Millionen und ein Rating von 5.3 steigern. Noch ist nicht bekannt, wann und auf welchem Sender die neue Staffel in Deutschland zu sehen sein wird.

Dieser Text basiert auf Sichtung der ersten beiden neuen Folgen des „Roseanne“-Revivals.

Meine Wertung: 4/​5

Glenn Riedmeier


© Alle Bilder: ABC


Über den Autor

Glenn Riedmeier ist Jahrgang ’85 und gehört zu der Generation, die in ihrer Kindheit am Wochenende früh aufgestanden ist, um stundenlang die Cartoonblöcke der Privatsender zu gucken. „Bim Bam Bino“, „Vampy“ und der „Li-La-Launebär“ waren ständige Begleiter zwischen den „Schlümpfen“, „Familie Feuerstein“ und „Bugs Bunny“. Die Leidenschaft für animierte Serien ist bis heute erhalten geblieben, zusätzlich begeistert er sich für Gameshows wie z.B. „Ruck Zuck“ oder „Kaum zu glauben!“. Auch für Realityshows wie den Klassiker „Big Brother“ hat er eine Ader, doch am meisten schlägt sein Herz für Comedyformate wie „Die Harald Schmidt Show“ und „PussyTerror TV“, hält diesbezüglich aber auch die Augen in Österreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten offen. Im Serienbereich begeistern ihn Sitcomklassiker wie „Eine schrecklich nette Familie“ und „Roseanne“, aber auch schräge Mysteryserien wie „Twin Peaks“ und „Orphan Black“. Seit Anfang 2013 ist er bei fernsehserien.de vorrangig für den nationalen Bereich zuständig und schreibt News und TV-Kritiken, führt Interviews und veröffentlicht Specials.

Lieblingsserien: Twin Peaks, Roseanne, Gargoyles – Auf den Schwingen der Gerechtigkeit

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • (geb. 1967) am

    Sehr gut!! Ich freue mich auf die Neuen Folgen.

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