„Das Mädchen und die Nacht“ im ZDF: Dranbleiben? – Review

Internationale Adaption des Guillaume-Musso-Thrillers mit Ioan Gruffudd an der Côte d’Azur

Rezension von Fabian Kurtz – 02.08.2023, 18:30 Uhr

Ivanna Sakhno als Vinca Rockwell in „Das Mädchen und die Nacht“ – Bild: ZDF/François Lefebvre
Ivanna Sakhno als Vinca Rockwell in „Das Mädchen und die Nacht“

Die Vergangenheit wird dich einholen … Du musst dich deiner Vergangenheit stellen … Die Vergangenheit wird vergangenes Vergehen nicht der Vergänglichkeit überlassen …

Es gibt dieser pathetischen Flüsterfloskeln viele im Thriller, doch nur selten trieb man es so sehr ins Belanglose wie es die Sender-Union aus France Televisions, RAI und dem ZDF nun mit der Adaption des Romans „Die junge Frau und die Nacht“ von Guillaume Musso getan haben. Dabei müsste die erzählte Geschichte eigentlich fest im Sattel sitzen, ist sie doch so generisch und vorhersehbar wie das Amen in der Kirche.

Kirchlich zu geht es in „Das Mädchen und die Nacht“ schon einmal nicht. Erzählt wird die Geschichte des Schriftstellers Thomas Degalais, der im Abschlussjahr gemeinsam mit seinem Freund Maxime den Philosophielehrer Alexis Clement erschlug, da dieser die geheimnisvolle und überaus attraktive Vinca Rockwell vergewaltigt haben soll. Nun, 25 Jahre später, anlässlich des Klassentreffens, reist Degalais aus London in seine Heimatstadt Nizza, um gemeinsam mit Maxime – inzwischen ein Lokalpolitiker im Wahlkampf – den Abriss der Sporthalle ihrer alten Schule zu verhindern, in deren Wand beide ihrerzeit die Leiche des Lehrers einbetonierten.

Thomas sieht sich beständig mit seiner Vergangenheit konfrontiert und ist bemüht, der genaueren Umstände seiner Tat und deren Verflechtungen in die Motive anderer Bewohner an der Côte d’Azur Herr zu werden. Immer wieder steht er vor den vermeintlichen Toren der Wahrheit, die dann jedoch bloß kühle Vorzimmer der Vorzimmer bleiben – überbordend spannungsgeladen verabschiedet sich jede Folge dann mit einem Schulbuch-Cliffhanger, der jedoch bloß gähnend auf die Uhr schauen lässt.

Thomas Degalais (Ioan Gruffudd) besucht nach 25 Jahren seine alte Schule. ZDF/​François Lefebvre

Nun will man’s auch wissen … Ganze sechs Folgen braucht es mit pathetisch aufgeladenen küchenphilosophischen Sätzen, genannten Spannungsretorten und auf Biegen und Brechen verlöteter Logikfäden, bis der Hammer endlich fällt und man den Aha-Moment erreicht. So hatten es sich vermutlich die Verantwortlichen Bill Eagles und Marston Bloom erhofft, die für Regie (Eagles) und Drehbuch (Bloom) verantwortlich zeichnen. Doch der Aha-Moment ist bloß ein „Endlich geschafft“.

Dabei hat man eigentlich eine Geschichte, die tatsächlich spannend ist und ein Rezept, das eigentlich Erfolg verspricht. Vergleiche mit „Die purpurnen Flüsse“ oder der ebenfalls vom ZDF stammenden „Parfum“-Miniserie sind genauso berechtigt wie mit Neil Jordans „Riviera“. Dass die genannten Referenzen obsiegen, liegt jedoch vor allem daran, dass sie wissen, welches Genre sie bedienen. „Das Mädchen und die Nacht“ tut sich da ziemlich schwer.

Schon angefangen beim Intro: Hier lassen sich inszenatorische Tropen der Nachmittags-Soaps erkennen, durch Überbelichtung, einen sinnlich dahergewimmerten Titelsong und Nahaufnahmen der Hauptfiguren, die in die Kamera lächeln. Bei den Außenaufnahmen der Serie geht es nun sogar in der Sendezeit weiter gen Mittag, denn wir sehen matte und lieblos gefilmte Expositionen vermeintlich exotischer Orte, die dabei das Bild von Nizza bedienen, welches man aus dem Reiseführer sehr wohl kennt.

Leider viel zu spät wird „Das Mädchen und die Nacht“ erstmals interessant – stilistisch wie erzählerisch. ZDF/​François Lefebvre

Hin und wieder nur gelingt es Kameramann Fabrizio Fontemaggi auch mal interessante Bilder einzufangen, wie die Abenddämmerung über der Küstenstadt oder ein in beklemmendes Grün getauchtes Krankenhauszimmer. Da kann man sich gewaltig glücklich schätzen, dass Schnittmeisterin Lois Bygrave solche Bilder nicht vollständig über Bord warf, wie es in der ersten Folge der Serie der Fall ist. Hier wird wild und zusammenhangslos herumgeschnitten, es bleiben keine Momente der Ruhe, des Schwelgens, geschweige denn Eindrücke der Gefühlswelt unseres Protagonisten, die mal nicht bloß kopfschmerzhafte Rückblenden hergeben können.

Dabei ist Thomas Degalais mit Ioan Gruffudd auf den ersten Blick perfekt besetzt. Er kann jedoch erst in den letzten zwei Folgen sein Können unter Beweis stellen, wird er in den vorigen Episoden erstmal von A nach B und von Geheimnis zu Geheimnis gescheucht. Auch Ivanna Sakhno, Rupert Graves oder Dervla Kirwan schaffen es nicht, wirklich Tiefe in ihre Figuren zu bringen, weshalb allesamt Schablonen ihres Genre-Stereotyps bleiben. Die Femme fatale, die unterkühlte Mutter, der lüsterne Vater, der skandalscheue Politiker und der ins Erzählen verliebte Schriftsteller, dem sogar das Film-noir-Topos der Erzählstimme zugeteilt wird, sind nebst russischer Mafia und Eifersuchtsskandalen altbekannt – und vom Drehbuch darin beschränkt.

Doch warum Erwartungen in etwas stecken, das eigentlich keine Erwartungen zulässt? In der Mediathek ist „Das Mädchen und die Nacht“ vermutlich genau am richtigen Ort. Es ist ein Lückenfüller für Stunden regnerischer Tage, wenn nicht nur die Straße, sondern auch der Geist berieselt werden soll. Wer sich erzählerische Überraschungen wünscht, die wirklich welche sind und nicht bloß so tun, ist gut damit beraten, die kostbare Zeit anderswo zu investieren. Wer etwas nebenbei laufen lassen will, der kann getrost auf Play drücken.

Diese Rezension basiert auf der Sichtung aller sechs Episoden der Serie „Das Mädchen und die Nacht“.

Meine Wertung: 2/​5

„Das Mädchen und die Nacht“ ist ab den 4. August komplett in der ZDFmediathek abrufbar. Ab dem 13. August wird die Serie auch linear sonntags ab 22:15 Uhr in Doppelfolgen im ZDF ausgestrahlt.

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am via tvforen.de

    ... vorhersehbar fand ich es nicht.
    Aber trotzdem nicht besonders gut. Alles viel zu Schickimicki, die Personen irgendwie steril.
    • am

      Danke für die offene Kritik. Mir fehlt inzwischen einfach die Zeit für schlechte Serien. Somit wurde sie von meiner Watchlist gestrichen.
      • (geb. 1967) am

        Da hast du vollkommen Recht, es gibt viel zu viele schlechte Serien mittlerweile!!

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