„Barry“: Ein Killer auf der Suche nach der Rolle seines Lebens – Review

Deutschlandpremiere der HBO-Comedy bei Sky Atlantic

Bernd Krannich
Rezension von Bernd Krannich – 08.05.2018, 17:00 Uhr

Bill Hader als „Barry“ – Bild: HBO
Bill Hader als „Barry“

Sky Atlantic HD beginnt am heutigen Dienstag mit der Ausstrahlung der HBO-Serie „Barry“. Wöchentlich gegen 23:00 Uhr wird die erste Staffel der Serie gezeigt, in der Bill Hader die Titelfigur spielt: Einen orientierungslosen Ex-Soldaten, der zum Auftragsmörder geworden ist und durch seinen jüngsten Auftrag in die Szene der auf ihren Durchbruch wartenden Schauspieler von Los Angeles gestolpert ist. In den USA wurde die Serie bereits für eine zweite Staffel verlängert.

Schon seit dem Ende seiner Armee-Zeit ist Barry orientierungslos. Das nutzte einst Monroe Fuches (Stephen Root, „News Radio“) aus: Unter dem Vorwand, dass er Barrys Vater versprochen habe, „sich um den Jungen zu kümmern“, hat ihn der windige Funches zum Auftragskiller gemacht. Der schlafwandlerisch durch sein Alltag gehende Barry hat sich aufschwatzen lassen, dass er – wie damals in der Armee – hier nur die bösen Jungs abserviert.

Allerdings ist Barry in letzter Zeit in eine Unruhe gekommen, die sein sparsames Leben in Unordnung bringt. Fuches ist das aufgefallen, denn immer häufiger gönnt sich Barry „zur Beobachtung seiner späteren Opfer“ Extra-Tage auf seinen „Dienstreisen“ – Urlaub vom drögen Alltag in seiner kalten Heimatstadt, wo er die Freizeit mit Videospielen verbringt – und das geht zu Lasten der Einnahmen, von denen Barry sowieso nicht viel zu sehen bekommt. Fuches verbindet das Angenehme mit dem Nützlichen und hat Barry einen Auftrag im sonnigen Los Angeles verschafft. Dort soll er für armenische Gangster einen Hit übernehmen.

Als die typisch eigenwilligen Gangster „NoHo“ Hank (Anthony Carrigan aus „Gotham“) und Goran Pazar (Glenn Fleshler) die Zielperson vorstellen, kommen Barry schon erste Zweifel: Fitnesslehrer Ryan ist das Opfer, denn der hat mit Gorans Frau auch zwischen den Bettlaken Fitnessübungen gemacht …

Geradezu mechanisch macht sich Barry trotzdem an sein Werk, während er gedanklich beim letzten Streitgespräch mit Fuches verharrt und über seine pespektivenlose Zukunft nachsinnt. Als Barry auf Ryans Fersen in einen Schauspielkurs stolpert, wird er von seinem eigentlichen Opfer zwangsverpflichtet, bei einer Dialog-Aufführung den Stichwortpartner zu geben.

Mit dem ersten Lob, das Barry für seinen tapsigen Auftritt dort erhält, beginnt für ihn der Anfang vom Ende seines bisherigen Lebens. Die positive Ermunterung zieht ihn an wie das Licht die Motten. Und als er sich später den von großen Rollen träumenden Kursteilnehmern beim Besuch einer Bar anschließt, findet er in deren Lebensfreude genau das, was er lieber möchte, als sein bisheriges Leben und was er zuvor noch nicht benennen konnte. So verzichtet er schließlich auch darauf, am Ende des Abends Ryan zu erledigen.

Sehr zum Unwillen der Armenier, die Ryan einen Beobachter auf den Hals gehetzt hatten, der nun statt eines Mordes eine herzliche Umarmung beobachten muss. So kommt Fuches eilig in die Stadt und versucht, Barry die Flausen auszureden. Dabei macht er ihm unmissverständlich klar, dass ihm als Auftragskiller eine Karriere im Scheinwerferlicht verwehrt sei. Während Barry noch mit sich hadert, ob er im Umfeld des nächsten Schauspielunterrichts nun Ryan erledigen oder seine Existenz als Killer drangeben soll, entwickeln die Dinge eine Eigendynamik.

Die Armenier haben es schließlich doch selbst in die Hand genommen, Ryan zu erledigen. Dummerweise wurde Barry Zeuge und erschießt in Selbstverteidigung die Mörder. Die schnappen sich bald darauf Barry und Fuches – und schon beginnt das typische Abenteuer, in dem der Protagonist seine eigenen Wünsche und Sachzwänge auszubalancieren versucht. Denn der von Barry getötete Killer sollte eigentlich noch jemand anderes umbringen, und das muss nun Barry erledigen, sonst ist Fuches geliefert. Derweil untersucht die Polizei den Fall des ermordeten Ryan und kommt schnell auf die Verbindungen zu den Armeniern und zum Schauspielkurs.

Parallel hat Barry durch teils banale Schauspielübungen begonnen, sich selbst und seine Gefühle zu entdecken. Aber auch durch die Reaktion der anderen Kursteilnehmer auf Ryans Tod. Oder durch die Zeit mit der lebenslustigen Sally (Sarah Goldberg), die versucht, aus dem schüchternen Barry irgendetwas herauszuholen.

Besondere Erwähnung verdient auch der abgehalfterte Schauspiellehrer Gene Cousineau (Henry Winkler). Sein ohnehin bescheidener Ruhm ist lange verblasst. Gene klammert sich so sehr daran fest, dass er eben auch zahlreiche peinliche Geschichten kundgibt – Hauptsache, eine Berühmtheit kommt darin vor. Er beherrscht es meisterlich, immer wieder die Realität zu verdrängen, dass er als Schauspieler und auch als Mensch gescheitert ist. Aber dann und wann blitzt echtes Feuer durch, wenn es darum geht, sein (vermeintliches) Wissen an (noch) hoffnungsvolle Nachwuchsschauspieler weiterzugeben.

„Barry“ liefert eine muntere Mischung aus altbekannten, schrägen Gangsterklischees, nicht weniger schrägen Schauspielerklischees sowie einem Bill Hader, der dabei brilliert, einen tumben Killer dabei zu spielen, wie dieser sich und seine Umwelt im Erwachsenenalter mit geradezu kindlicher Naivität selbst entdeckt.

Meine Wertung: 4/​5

Trailer zu „Barry“

Über den Autor

Bernd Krannich ist Jahrgang 1974 und erhielt die Liebe zu Fernsehserien quasi in die Wiege gelegt. Sein Vater war Fan früher Actionserien und technikbegeistert, Bernd verfiel den Serien spätestens mit Akte X, Das nächste Jahrhundert und Buffy. Mittlerweile verfolgt er das ganzes Serienspektrum von „The Americans“ über „Arrow“ bis „The Big Bang Theory“. Seit 2007 schreibt Bernd beruflich über vornehmlich amerikanische Fernsehserien, seit 2014 in der Newsredaktion von fernsehserien.de.

Lieblingsserien: Buffy – Im Bann der Dämonen, Frasier, Star Trek – Deep Space Nine

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