Danke „HalliGalli“! – Eine der letzten TV-Spielwiesen verabschiedet sich

Rückblick auf die Erfolgsgeschichte von Joko und Klaas

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 20.06.2017, 14:00 Uhr

  • Seite
Joko & Klaas im „Circus HalliGalli“ – Bild: ProSieben/Claudius Pflug
Joko & Klaas im „Circus HalliGalli“

Heute Abend fällt der letzte Vorhang – für eine TV-Show namens „Circus HalliGalli“ ist dieses Wortspiel unvermeidlich. Doch in Wirklichkeit verabschiedet sich nicht nur eine Fernsehsendung, sondern ein Erfolgskonzept, das 2009 den Grundstein für die Karriere des Comedy-Duos Joko und Klaas legte. Die beiden Moderatoren betonen regelmäßig, dass sie acht Jahre lang ein und dieselbe Show präsentierten – lediglich mit wechselnden Namen und auf unterschiedlichen Sendern.

Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf sind zwei der letzten Exemplare der ehemaligen Nachwuchs-Moderatorenfabrik MTV/​Viva – kurz bevor die beiden Sender endgültig in der Bedeutungslosigkeit verschwanden. Joko präsentierte ab 2005 bei MTV „Total Request Live“, Klaas zunächst „VIVA Live!“ und später seine erste Comedy „Klaas’ Wochenshow“. Der richtige Erfolg kam allerdings erst mit dem Geniestreich, die beiden gemeinsam eine Show moderieren zu lassen: Klaas wechselte zu MTV, wo er zusammen mit Joko ab dem 12. Juni 2009 „MTV Home“ präsentierte.

Am Anfang war MTV Home – Die Sendung mit dem Haus


MTV

„MTV Home“ wurde in der Fernsehwerft in Berlin aufgezeichnet – damals noch völlig ohne Publikum. Das Studio stellte eine WG dar, in der Joko und Klaas zusammen mit ihrer Kollegin Palina Rojinski wohnten, die in der Sendung ihre Fernsehkarriere begann. In Grundzügen erinnerte das Gerüst der Show bereits an die späteren Etappen. Klaas nahm stets an einem Schreibtisch Platz, während es sich Joko auf einem Sofa gemütlich machte. Neben regulären Interviews mit Sängern und Schauspielern gab es die sogenannten Gespräche in der Kiste: Joko oder Klaas stiegen regelmäßig in eine Kiste, in der sich Prominente aufhielten. In abgewandelter Form gab es diese Rubrik auch später bei „neoParadise“ und „Circus HalliGalli“. Ebenfalls über die diversen Formate hinweg beibehalten wurde die wöchentlich wechselnde Hausband: Eine zumeist unbekannte Band hatte vor und nach den Werbepausen ihre kurzen Einsätze – so lange, bis Palina den Vorhang vor ihnen zuzog. Den Abschluss der Show bildete der Auftritt eines bereits bekannten Musikacts.

Schon damals wurden die legendären Rubriken „Wenn ich du wäre“ und „Aushalten“ eingeführt, in welchen sich Joko und Klaas in diversen absurden Wettbewerben duellierten. Der erste virale Hit war der Einspieler „Porno Ping Pong“: Joko und Klaas gingen in die Erwachsenenabteilung einer Videothek und lasen sich gegenseitig lustige Pornotitel vor – wer sich das Lachen nicht verkneifen konnte, verlor das Spiel. In Anlehnung an das Format „MTV Cribs“ überraschte Joko in seiner Rubrik „Zuschauer-Cribs“ ahnungslose Menschen mitten in der Nacht. Schlaftrunken mussten diese dann ihre eigene Wohnung vorstellen. Auch Assistentin Palina wurde nach und nach immer mehr in den Vordergrund gerückt und erhielt mit „99 Dinge, die ein Mann in seinem Leben getan haben sollte“ ihre eigene Reihe, in der sie von Joko und Klaas Mutproben gestellt bekam. In der Anfangszeit wurde „MTV Home“ noch live am Freitagnachmittag ausgestrahlt und Palina las Kommentare aus den sozialen Netzwerken vor. Schon bald wechselte sie allerdings auf einen Late-Night-Sendeplatz und wurde fortan voraufgezeichnet. Für viele Fans ist und bleibt die „MTV Home“-Phase die beste, weil Joko und Klaas damals ihre Spielfreude entdeckten. Die Rivalenkämpfe wirkten noch authentisch und hatten keine größenwahnsinnigen Dimensionen eingenommen.

Am 10. März 2011 lief die letzte Folge von „MTV Home“. In der Zwischenzeit war MTV bereits zum Pay-TV-Sender umgewandelt geworden, während VIVA das Format in der letzten Phase ebenfalls ausstrahlte. Trotz der zunehmenden Popularität wurde „MTV Home“ schließlich Opfer der allgemeinen Einsparmaßnahmen des an Relevanz verlorenen Senders.

neoParadise – Die studentische Zwischenstation bei ZDFneo


ZDFneo/​Jule Roehr

Nur ein halbes Jahr nach dem Ende von „MTV Home“ durften die Fans aufatmen, denn die Reise von Joko und Klaas ging bei ZDFneo weiter. Unter dem neuen Namen „neoParadise“ wurde das Showkonzept ab dem 6. Oktober 2011 fortgeführt – donnerstags auf dem 22.15-Uhr-Sendeplatz, den ein paar Jahre später Jan Böhmermann einnahm. Gesendet wurde aus einem etwas größeren Studio, in dem nun auch Publikum anwesen war. Neu mit im Team war Oma Violetta (ein rothaarige ältere Dame), die die Funktion von Palina Rojinski übernahm und die wöchentlich wechselnde „Schrankband“ nach deren Kurzauftritten zurück in den Schrank scheuchte. Zusätzlich war sie in absurden, dadaistischen Einspielfilmen zu sehen und führte Z-Promis wie Moneyboy in ihrer Rubrik „Violetta will’s wissen“ vor. Die Gästeauswahl bestand überwiegend aus Prominenten aus Film und Musik, aber auch Persönlichkeiten der Hochkultur fanden sich ein. So statteten unter anderem Hellmuth Karasek, Max Moor, Josef Hader und Detlev Buck „neoParadise“ einen Besuch ab.

Insgesamt war der Humor intellektueller, griff politische Themen auf und enthielt popkulturelle Anspielungen auf Film- und Serienklassiker, die nur eine bestimmte Zielgruppe verstand. Dieser etwas gehobenere Anspruch wurde von Joko und Klaas satirisch aufgegriffen, weshalb ihre Duell-Rubrik fortan „Wenn ich Sie wäre“ hieß. Unvergessen bleibt auch die ungewöhnliche Freundschaft zwischen Klaas und seiner Schildkröte namens Sven Gewalt. Fest im Ensemble dabei war damals Singer-Songwriter Olli Schulz, der in der Rubrik „Erotik aus Deutschland“ vulgäre Gedichte, Reime und Geschichten mit überwiegend sexuellem Inhalt vortrug. Zusätzlich gab es die ersten „Buddytage“ und den ersten Auftritt seiner Kunstfigur Charles Schulzkowski. Kabarettist Serdar Somuncu kritisierte in „Aufzeichnungen aus dem Kellerloch“ die Fernsehbranche und auch Palina Rojinski blieb der Sendung in unregelmäßigen Einspielfilmen erhalten.

Nach insgesamt 52 Folgen verließen Joko und Klaas am 24. Januar 2013 ZDFneo und wechselten zu ProSieben, da der Mainzer Sender es verpasst hatte, dem Duo die erhoffte größere Bildschirmpräsenz im Hauptprogramm zu verschaffen. „Aber erfreulich ist doch: Seit wann ist es üblich, dass die Privatsender an unseren Moderatoren interessiert sind und unsere Programme quasi übernehmen wollen?“, kommentierte damals ZDF-Intendant Thomas Bellut den Verlust.

weiter

weitere Meldungen