Alles Gute, Jürgen von der Lippe! – Eine Hawaiihemd-bunte Karriere im Rückblick

Der Entertainer der lauten und leisen Töne wird 70

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 08.06.2018, 09:45 Uhr

Extreme Activity
Jürgen von der Lippe und das Frauen-Team (Janine Kunze, Sandy Mölling, Verona Pooth)ProSieben/​Willi Weber

2006 brachte Jürgen von der Lippe das bekannte Gesellschaftsspiel Activity auf die große Showbühne. In „Extreme Activity“ lud er jeweils sechs Prominente zum turbulenten Geschlechterkampf ein. Jeweils ein Männer- und ein Frauenteam mussten ihr zeichnerisches, sprachliches und pantomimisches Talent unter Beweis stellen. Genau wie beim Brettspiel galt es, innerhalb von zwei Minuten möglichst viele Begriffe so zu erklären, zeichnen oder darzustellen, dass die Teamkollegen sie richtig erraten können. Zu den Stammgästen zählten Verona Pooth, Wigald Boning, Janine Kunze und Oliver Petszokat.

Neben den regulären Spielrunden gab es die „Extreme“-Runden, in denen die Kandidaten die Begriffe unter erschwerten Bedingungen erklären mussten – dafür gab es allerdings auch die doppelte Punktzahl zu kassieren. Im „Schleuderrad“ wurde ein Kandidat etwa in ein Aero-Trim eingespannt – ein für die Raumfahrt entwickeltes Gerät aus drei beweglichen Ringen, die sich gleichzeitig um die Quer-, Längs- und Hochachse drehen lassen. Bei „Extreme Vocaling“ durfte für die Erklärungen nur ein bestimmter Vokal verwendet werden. Kultig wurde der „Rüttelstuhl“, bei dem ein Kandidat (mit Vorliebe Verona Pooth) auf einem umgebauten Bürostuhl mit Elektromotor und Unwucht Platz nehmen musste. Der Stuhl versetzte die darauf sitzende Person in so starke Vibration, dass das Sprechen und die Konzentration erheblich erschwert wurden.

Elton im SchleuderradProSieben/​Willi Weber

Von einigen Kritikern als alberner Schwachsinn abgetan, war „Extreme Activity“ in Wirklichkeit ein äußerst unterhaltsamer Spielspaß. Jürgen von der Lippe erhielt für diese Sendung nach „Geld oder Liebe“ seinen zweiten Grimme-Preis. Die Jury urteilte, „dass vordergründige Zweckfreiheit nicht automatisch Geistlosigkeit bedeutet“ und lobte von der Lippes Moderation, in der er „souverän zwischen Kalauer und Bonmot, zwischen einfachem Witz und geistreicher Anspielung changierte“. Die ersten Staffeln der einstündigen Show liefen samstagabends um 20:15 Uhr auf ProSieben – von der Lippes erster und einziger Ausflug zu dem Sender. Danach wurde die Sendung auf Dienstag verschoben, wo die Einschaltquoten jedoch sanken. Zur vierten Staffel im Frühjahr 2007 wurde der Geschlechterkampf abgeschafft, stattdessen traten nun gemischte Teams an und es kam zu Duellen wie „Stromberg“ vs. „Genial daneben“ oder Monrose vs. „Popstars“-Jury. Die fünfte Staffel wurde im Herbst 2007 am Montagabend um 21:15 Uhr gestartet, jedoch nach nur zwei von sieben Folgen vorzeitig abgesetzt. Die restlichen fünf Ausgaben warten bis heute auf ihre Ausstrahlung. Stattdessen legte Sat.1 das Format 2017 unter dem Titel „Paul Panzers Comedy Spieleabend“ inoffiziell neu auf.

Das „Extreme Activity“-Duell „Stromberg“ vs. „Genial daneben“:



Frei von der Lippe
Jürgen von der Lippe auf Meinungsforschung zum Begriff „Schlüpfer“MDR

Ein kleines, aber feines Format präsentierte Jürgen von der Lippe im MDR. In „Frei von der Lippe“ begab er sich auf die Suche nach Auffälligkeiten und Unregelmäßigkeiten in der deutschen Sprache. Inspiriert von Bastian Sicks Besteller „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“ beantwortete der studierte Germanist Fragen, die Pädanten schon lange unter den Nägeln brennen. Es ging um Redewendungen, Beamtendeutsch, Jugendsprache, schräge Ortsnamen, erklärungsbedürftige Schlagertexte und seltsame Aktionen wie „Rettet den Schlüpfer“. Gedreht wurde die aufklärerische Sendung an einem historischen Drehort: auf der Wartburg, wo einst Martin Luther mit seiner Bibel-Übersetzung einen Meilenstein für die deutsche Sprache ins Rollen brachte. Insgesamt 19 Folgen wurden zwischen 2008 und 2011 zumeist an Feiertagen im MDR Fernsehen ausgestrahlt.


Nahezu unbemerkt war Jürgen von der Lippe 2008 auch kurzzeitig für den damals noch jungen deutschen Ableger von Comedy Central im Einsatz. In der Panelshow „Frag den Lippe“ gab ein dreiköpfiges „Expertenteam“ improvisierte Ratschläge zu eingesandten Fragen von Menschen, die sich in einem moralischen Dilemma befanden. Désirée Nick, Dr. Welf Haeger, Olaf Schubert, Vince Ebert und Co. diskutierten Fragen wie: „Muss ich als studierter Jurist die Hasch-Vorräte meiner Eltern melden?“ oder „Mein Chef lässt sich von mir oft etwas vom Kiosk mitbringen – ohne mir dann das Geld zu geben. Was soll ich tun?“. Dies war mal mehr, mal weniger unterhaltsam. Nach nur sechs 45-minütigen Ausgaben wurde das Format wieder eingestellt.

Deutschland ist schön – Die Allstar-Comedy


Immer wieder war Jürgen von der Lippe für Sat.1 tätig. 2007 führte er als Moderator durch die außergewöhnliche Sketchshow „Deutschland ist schön – Die Allstar-Comedy“. Das Format zeichnete sich vor allem durch ein äußerst großes Ensemble aus. Rund 20 „Comedy-Allstars“ Deutschlands waren mit von der Partie, darunter Beatrice Richter, Janine Kunze, Barbara Schöne, Michael Kessler, Volker „Zack“ Michalowski, Michael Müller und Susanne Pätzold. Anders als in anderen Sketchshows waren die Sketche länger und erzählten kleine Geschichten. Die Comedians spielten eine bis drei feste Figuren in unterschiedlichen Rubriken, wie „Kommissar und Assistent“ (Bernhard Hoëcker und Tetje Mierendorf), „Der Verein“ (Ingolf Lück und Mackie Heilmann), „Bewerbungsgespräch“ (Dirk Bach und Judith Döker), „Die feigen Polizisten“ (John Friedmann und Florian Simbeck), „Die Passanten“ (Herbert Feuerstein und Markus Maria Profitlich) und „Politiker Nomsen“ (Mike Krüger). Nach einer achtteiligen ersten Staffel, die freitags um 21:15 Uhr zu sehen war, wurde das Format eingestellt.

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