Serienpreview: „The River“ – Review

Grusel-Expedition ins Herz des Banalen – von Ralf Döbele

Ralf Döbele
Rezension von Ralf Döbele – 01.03.2012, 13:27 Uhr

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Wird es Lincoln (Joe Anderson) gelingen seinen Vater zu finden?
Kennen Sie auch diese bemitleidenswerten Figuren, die etwa 45 Minuten in unheimlichem Setting mit großen Augen durch die mitunter exotische Landschaft stolpern, bis sie dann eben doch als Hauptgang auf dem Speiseplan von Aliens, Haien oder Dinos enden? Vermutlich jede dieser Zelluloid-Zielscheiben hat mehr Charaktertiefe zu bieten als irgendeine Hauptfigur in „The River“. Sicher, Bruce Greenwood („Star Trek“, 2009) ist glaubwürdig als Steve Irwin-Verschnitt, sogar liebenswert. Doch, wenn man den interessantesten Schauspieler die ganze Zeit nur in wackeligen Rückblicken sieht, während man selbst beim Depressionen auslösenden Sohnemann und der blass-angespannten Mutti festsitzt, ist Frustration vorprogrammiert. Dass Lincoln sich rebellisch und nun eben vergeblich darum bemüht, nichts mehr mit dem Lebensstil des Vaters zu tun zu haben, versteht sich dabei praktisch von selbst.

Das umgekehrte Klischee stellt Kamera-Tochter Eloise Mumford („L.A. Crash“) dar, die so aufgeweckt und energisch daher kommt, dass sie einem Sahnejoghurt-Spot entsprungen sein könnte. Auch bei unseren beiden Einheimischen ist die Lage nicht besser: Daniel Zacapa als Schiffsmechaniker Emilio und Paulina Gaitan als Jahel, die natürlich für die Crew die abergläubisch-angehauchte Warnung vor dem unerkundeten Gebiet bereithält und sich auch bei anderen Übernatürlichkeiten bestens auskennt. Würde sich all dies in einem ARD-Freitagsfilm der Degeto anstatt in einer teuer produzierten US-Serie abspielen, wäre all dies vielleicht weniger überraschend, wenn auch nicht weniger ärgerlich. Den einzigen Hoffnungsschimmer auf dem Schiff selbst stellt vielleicht Thomas Kretschmann als Bösewicht Kurt dar. Obwohl man ihm wirklich wünscht, dass er bald über Bord springt und am Ufer einer weitaus besseren Serie wieder auftaucht. Vielleicht eine, die geschliffenere Dialoge bietet als „Du solltest Dich schuldig fühlen, denn du warst die Magie in seinem Leben!“

Das größte Handicap erhält „The River“ allerdings praktisch von Anfang an durch seine Machart. Es ist schon erstaunlich wie die Produzenten um den preisgekrönten Michael R. Perry („Dr. House“) es geschafft haben, das „gefundene Filmmaterial“ derart gekünstelt und durchproduziert aussehen zu lassen. So verspielt die Serie bereits in den ersten Minuten ihre Glaubwürdigkeit. Ganz offensichtlich wurde den Darstellern keinerlei Raum für Improvisation eingeräumt – warum auch, manche schreckliche Dialogfetzen wären so ja unter den Tisch gefallen. Bei der späteren deutschen Synchronisation wird dies vielleicht kaum ins Gewicht fallen, doch die „Line Delivery“ im Original, also die Art, wie die Darsteller ihre Dialoge sprechen ist im Verhältnis zur gebotenen Optik einfach nur steif und lächerlich.

Wobei auch die Optik nicht durchgehend überzeugt, trotz aufwendiger Produktion in Puerto Rico und auf Hawaii. Der Hang zu Dokumentarstil und Realismus hörte für die Macher wohl genau dort auf, wo der Coolness-Faktor nach schicken Luftaufnahmen und CGI-Antimationen am Horizont verlangte. Ganz abgesehen davon, dass die Entdeckungen und Bedrohungen, die am Ende des Piloten auf die Crew herniederprasseln, weder besonders kreativ noch furchteinflößend daherkommen. Alles hat der erfahrene Mystery-Fan irgendwo schon einmal gesehen, nur anders und besser. So mischt sich fast durchgehend Langeweile mit Augenrollen, auf Gänsehaut wartet man vergebens. Sollte Ihnen nun aber doch wieder einmal der Sinn nach einer spannenden Flussexpedition stehen, greifen Sie lieber zu den wunderschön restaurierten, frisch gepressten Blu-rays von „Apocalypse Now“ oder „African Queen“. Das sind Dschungel-Ausflüge, die sich lohnen! Außerdem muss ihr eigentlich unschuldiger HD-Fernseher dann keinen Objekten mehr ausweichen, die Sie vor lauter Frust nach ihm werfen. So ist allen geholfen.

Meine Wertung: 1,5/​5
© Alle Bilder: ABC

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Über den Autor

Ralf Döbele ist Jahrgang 1981 und geriet schon in frühester Kindheit in den Bann von „Der Denver-Clan“, „Star Trek“ und „Aktenzeichen XY …ungelöst“. Davon hat er sich als klassisches Fernsehkind auch bis heute nicht wieder erholt. Vor allem US-Serien aus allen sieben Jahrzehnten TV-Geschichte haben es ihm angetan. Zu Ralfs Lieblingen gehören Dramaserien wie „Friday Night Lights“ oder „The West Wing“ genauso wie die Prime Time Soaps „Melrose Place“ und „Falcon Crest“, die Comedys „I Love Lucy“ und „M*A*S*H“ oder das „Law & Order“-Franchise. Aber auch deutsche Kultserien wie „Derrick“ oder „Bella Block“ finden sich in seinem DVD-Regal, das ständig aus allen Nähten platzt. Ralf ist als freier Redakteur für fernsehserien.de tätig und kümmert sich dabei hauptsächlich um tagesaktuelle News und um Specials über die Geschichte von deutschen und amerikanischen Kultformaten.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Star Trek – Enterprise, Aktenzeichen XY … Ungelöst

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