Missing – Review

Aufwändiger ABC-Thriller nutzt Potential nicht – von Ralf Döbele

Ralf Döbele
Rezension von Ralf Döbele – 02.04.2012, 12:10 Uhr

  • Seite
Was als erstes an „Missing“ enttäuscht ist der Look. Für ein international gedrehtes Prestigeprojekt wirkt die erste Episode erschreckend billig. Was bringt es Darsteller und Crew um die halbe Welt zu schicken, wenn man später in der Endfertigung den Bildkontrast derart aufdreht, dass man als Zuschauer kaum noch sagen kann, wann Ashley Judd vor einer Blue-Screen steht und wann nicht? Wenn man schon Geld in die Arbeit an Original-Schauplätzen steckt, sollte die Mühe später für das Publikum auch deutlich erkennbar sein.

Missing Cast
Doch wer brauchte in den guten, alten Agenten-Zeiten des „Kobra“-Teams oder von „La Femme Nikita“ überhaupt Original-Schauplätze, wenn die Storys und die Besetzung derart aufregend und einladend waren? Ähnliche, essentielle Ankerpunkte bietet „Missing“ leider ebenfalls nicht. Die erste Episode wirkt wie eine recht lieblos zusammengeschusterte Schnitzeljagd. Die einzelnen Stationen sind dabei verbunden durch eine fantasielose Spurensuche, deren einzelne Komponenten man zahllose Male bereits gesehen hat, in Kinothrillern oder auch nur im „C.S.I.“ der Woche. Die Szenen im Pariser CIA-Hauptquartier, in denen Agent Dax Miller im „Wie schwer kann das denn sein?!“-Modus seine Computer-Nerds vor sich her treibt um Becca zu finden wirken dabei besonders lächerlich.

Ashley Judd /​ Caleb Barton Smith
Ashley Judd ist adäquat als Hauptdarstellerin, bringt jedoch keinerlei überraschenden oder mitreißenden Facetten zu ihrer Doppelrolle zwischen „Soccer Mom“ und Action-Heldin. Inwiefern man sie dafür verantwortlich gemacht werden kann ist in Anbetracht von zahlreichen Dialogen im Stil von „Ich bin keine Agentin, ich bin eine Mutter!“ dann wieder eine andere Frage.

Währenddessen nutzen die Produzenten von „Missing“ ihre eigentlich interessanteste Schauspielwaffe praktisch gar nicht. Sean Bean, der gerade auch hierzulande in „Game of Thrones“ brilliert, wird als Beccas vor Jahren verstorbener Ehemann vollkommen verschwendet. Im Piloten hat er gerade mal eine einzige Szene. Und auch obwohl er später noch in mehreren Flashbacks auftaucht kann man nicht umhin sich zu fragen, ob die Hetzjagd durch Europa mit ihm im Zentrum nicht praktisch sofort interessanter ausfallen würde. Stattdessen wird man als Zuschauer gezwungen Zeit mit Interpol-Mann Rossi zu verbringen, den Adriano Giannini zwar nicht schlecht verkörpert, der aber dennoch keinerlei Chemie mit Becca besitzt. Dass früher zwischen den beiden die große Leidenschaft gebrodelt haben soll kauft man Judd und Giannini keine Sekunde lang ab.

So bleibt auch bei „Missing“ der vielleicht größte Vorwurf, den man einem neuen Serienformat machen kann und in der jüngeren Vergangenheit immer öfter machen musste: Potential wäre reichlich vorhanden, Geld scheinbar auch. Doch durch Fehler beim Casting, in den Details der Konzeption und durch mangelnde Qualitätskontrolle beim Drehbuch hat man jenes Potential gründlich gegen die Wand gefahren. Wieder einmal ein Fall von gewollt, aber definitiv nicht gekonnt. Die Liga des Spionage-Thrillers erweist sich hier für die Macher als eindeutig eine Nummer zu groß. Spätestens wenn am Ende der ersten Episode das Interesse des Zuschauers ebenso sehr dahin dümpelt wie Becca in der Seine, dann sollte man erkennen, dass diese Mission gescheitert ist.

Meine Wertung: 2/​5
© Alle Bilder: ABC Studios

zurück

Über den Autor

Ralf Döbele ist Jahrgang 1981 und geriet schon in frühester Kindheit in den Bann von „Der Denver-Clan“, „Star Trek“ und „Aktenzeichen XY …ungelöst“. Davon hat er sich als klassisches Fernsehkind auch bis heute nicht wieder erholt. Vor allem US-Serien aus allen sieben Jahrzehnten TV-Geschichte haben es ihm angetan. Zu Ralfs Lieblingen gehören Dramaserien wie „Friday Night Lights“ oder „The West Wing“ genauso wie die Prime Time Soaps „Melrose Place“ und „Falcon Crest“, die Comedys „I Love Lucy“ und „M*A*S*H“ oder das „Law & Order“-Franchise. Aber auch deutsche Kultserien wie „Derrick“ oder „Bella Block“ finden sich in seinem DVD-Regal, das ständig aus allen Nähten platzt. Ralf ist als freier Redakteur für fernsehserien.de tätig und kümmert sich dabei hauptsächlich um tagesaktuelle News und um Specials über die Geschichte von deutschen und amerikanischen Kultformaten.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Star Trek – Enterprise, Aktenzeichen XY … Ungelöst

Kommentare zu dieser Newsmeldung

    weitere Meldungen