Seit einigen Wochen tobt ein medialer Streit zwischen den Öffentlich-Rechtlichen und ProSiebenSat.1. Anfang Februar nahm der Streamingdienst Joyn die Mediatheken von ARD und ZDF in sein Angebot auf – und das ohne ausdrückliche Erlaubnis. Trotz recht deutlicher Reaktionen und der Ankündigung juristischer Schritte seitens der Verantwortlichen von ARD und ZDF probte Joyn zunächst den Widerstand und die Sendungen der Öffentlich-Rechtlichen blieben weiterhin abrufbar – bis jetzt. Denn kurz vor der morgigen Bilanz-Pressekonferenz, auf der die Geschäftszahlen vorgelegt werden, hat ProSiebenSat.1 reagiert. Die Mediatheken von ARD und ZDF sind nicht mehr auf Joyn zu finden.
Als offizielle Begründung nennt ProSiebenSat.1 das Ende des Beta-Tests, mit dem das sogenannte Embedding des Angebots von ARD und ZDF stets erklärt wurde. Gegenüber DWDL gab das Unternehmen folgendes Statement ab: Kooperation statt Konkurrenz: Joyn und die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nehmen konkrete Gespräche über eine zukünftige Zusammenarbeit auf. Im Zuge dessen schaltet Joyn das vorläufige Beta-Testing auf der Streamingplattform ab. Denn auch wenn wir davon überzeugt sind die rechtliche Grundlage dafür zu haben – sind wir vielmehr darauf bedacht, den Geist echter Kooperation zu leben und gemeinsam umzusetzen.
Seitens Joyn klingt das nun also so, als sei man auf dem besten Wege, sich mit ARD und ZDF anzunähern, um eine Einigung zu erzielen. Ob es wirklich dazu kommen wird, bleibt abzuwarten. Denn insbesondere die ARD ließ in den vergangenen Wochen keinen Zweifel daran aufkommen, dass man das Vorgehen von Joyn scharf verurteilt. Der ARD-Vorsitzende Florian Hager sprach von modernem Raubrittertum, einem Anschlag auf das komplette System und davon, dass Joyn Grenzen überschritten und Vertrauen zerstört habe. Mit aller Härte wolle man daher dagegen vorgehen. Das ZDF äußerte sich weniger forsch, aber auch die Mainzer kündigten an, gegen die unzulässige Übernahme der Inhalte rechtlich vorzugehen. Wie DWDL vom ZDF erfuhr, hat der Sender am vergangenen Freitag beim Landgericht München I tatsächlich einen Antrag auf einstweilige Verfügung gegen Joyn gestellt. Ob ProSiebenSat.1 deshalb nun doch kalte Füße bekommen hat und das Ende des Beta-Tests vielleicht nur eine vorgeschobener Erklärung ist, bleibt im Bereich des Spekulationen.
Wir nehmen zur Kenntnis, dass ProSiebenSat 1 die Integration der Inhalte der ZDFmediathek in die Plattform Joyn offenbar wieder rückgängig gemacht hat. Förmlich informiert wurden wir darüber bislang nicht, äußerte sich ein ZDF-Sprecher gegenüber DWDL. Das Statement der ARD klingt etwas wohlwollender: Wir nehmen die Beendigung des sogenannten ‚Beta-Testings‘ positiv zur Kenntnis und werten sie ungeachtet der weiterhin unterschiedlichen Rechtspositionen als Beitrag zu einer guten Gesprächsatmosphäre. Wir sind weiterhin ausdrücklich offen und bereit für Kooperationen im geltenden rechtlichen Rahmen und im Sinne des öffentlich-rechtlichen Auftrags.
Somit bleibt abzuwarten, ob die geplanten Gespräche zwischen Joyn und den Öffentlich-Rechtlichen nach dieser Aufregung noch zu einer Einigung führen werden. Der alles entscheidende Streitpunkt ist und bleibt das Embedding der Inhalte. Laut ARD und ZDF sei es in den Verhandlungen mit Joyn immer darum gegangen, dass die öffentlich-rechtlichen Mediatheken mittels eines Verlinkungsmodells genutzt werden können – so wie das auch mit anderen Partnern üblich sei. Dies habe Joyn jedoch abgelehnt und wollte stattdessen unbedingt das Embedding-Verfahren – also dass die Video-Inhalte direkt über den Player der Joyn-Plattform abgespielt werden, so wie es auch im sogenannten Beta-Test umgesetzt wurde.
ProSiebenSat.1 beruft sich darauf, dass das Embedding durch die stetige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs rechtlich zulässig sei. Auf Basis dieser Rechtsauffassung bietet Joyn in Österreich schon seit Mitte 2023 Inhalte des öffentlich-rechtlichen ORF an, der dagegen nicht vorgegangen ist – wohl auch deshalb, weil durch das Embedding-Verfahren die Abrufe der ORF-Inhalte auf Joyn dem ORF zugerechnet werden. In Deutschland betrachten das ARD und ZDF jedoch deutlich kritischer und sehen im Embedding-Verfahren auch Urheberrecht und Zweitverwertungsrechte von Produzenten verletzt.
Kommentare zu dieser Newsmeldung
User 1653680 am
Denen muss schon ganz schön die Düse gehen, dass sie solche Guerilla-Aktionen starten! Umsatz sinkt, Ebitda sinkt, schlechte 2025-Prognose, Mitarbeiter sollen erneut (nach den über 400 in 2023) in großem Umfang abgebaut werden. Die Verbleibenden machen wie immer den Job der Gegangenen ;-) Und jetzt will man also weg vom Linearen hin zu Streaming - ganz schön früh und ganz schön schwach
User_929455 (geb. 1978) am
Hoffentlich einigen die sich bald. Ich fands gut, nur eine (und nicht drei) App Joyn auf TV nutzen zu brauchen.
Flapwazzle am
Das man willkürlich und unabgesprochen fremde Inhalte zur Steigerung der Reichweite und der Marke "joyn" integriert hat, ist schon extrem dreist und sollte rechtliche Konsequenzen haben.