RTL-Reporter manipulierte systematisch und vorsätzlich

Mitarbeiter täuschte nachweislich Redaktion und Zuschauer

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 24.07.2019, 14:15 Uhr

RTL-Reporter manipulierte systematisch und vorsätzlich – Mitarbeiter täuschte nachweislich Redaktion und Zuschauer – Bild: MG RTL D

Im Juni berichtete RTL in eigener Sache darüber, dass ein Reporter des Regionalsenders RTL Nord offenbar sieben Beiträge im nationalen RTL-Programm manipuliert habe. RTL Nord trennte sich daraufhin mit sofortiger Wirkung von dem Mitarbeiter – und leitete eine Überprüfung sämtlicher Beiträge des Reporters inklusive der Abnahmeverfahren ein.

Nun informierte RTL über das vorläufige Zwischenergebnis, das noch mehr Fälle von systematischer und vorsätzlicher Manipulation offenbart. Ein sechsköpfiges Überprüfungsteam sichtete alle 104 Reportagen, die der ehemalige Mitarbeiter überwiegend für das Mittagsjournal „Punkt 12“ als Autor anfertigte. Hierbei stießen sie auf bislang 14 weitere Manipulationsfälle. Weitere Verdachtsmomente konnten noch nicht abschließend verifiziert werden. Laut Senderangaben habe der Reporter über einen Zeitraum von knapp zehn Jahren sowohl die eigene Redaktion als auch die Zuschauer immer wieder systematisch und vorsätzlich getäuscht.

Bei den nun nachgewiesenen Manipulationen traten wiederkehrende Muster auf: Einerseits täuschte der Reporter bei Selbstversuchen mehrmals die angebliche Dauer seiner Experimente vor. Bei einem Obdachlosen-Experiment vor zehn Jahren gab er vor, eine Nacht auf der Straße geschlafen zu haben. Ein Kameramann und eine weitere Zeugin haben ausgesagt, dass er zwischendurch zu Hause geschlafen hat. Und in der Reportage „Scharf extrem“ vor knapp zwei Monaten gaukelte er vor, einen Monat lang scharf gegessen zu haben. Der eigentliche Zeitraum war jedoch deutlich kürzer.

Andererseits hat der Reporter mehrfach Menschen dazu überredet, Dinge zu behaupten, die ihnen niemals widerfahren sind oder Geschichten nachzuerzählen, die ihm Protagonisten, die nicht gefilmt werden wollten, berichtet hatten. Meistens wurde verdeckt gedreht. Gegenüber den Protagonisten gab der Reporter vor, Szenen nur nachzustellen. In Wirklichkeit band er sie allerdings aber in seine Beiträge als „echte“, verfremdete Szenen ein. In nachweislich neun Fällen griff der Reporter auf Alibi-Protagonisten (Praktikanten, Kameraassistenten und Bekannte) zurück, die er gezielt instruierte. In einem Beitrag über Einbrecher-Tricks setzte er eine Praktikantin ein, die sich als Einbruchsopfer ausgab und vorgegebene Statements abgab. In einem anderen Fall berichtete der Reporter darüber, dass man in Polen schnell und unkompliziert seinen Führerschein zurückbekommen könne. Im Beitrag sprach eine Frau darüber, dass ihr in Deutschland der Führerschein wegen Alkohol am Steuer entzogen sei und dass sie jetzt in Polen ihren Führerschein erneuern wolle. Bei der Überprüfung entlarvte eine Zeugin die Protagonistin als Bekannte des TV-Teams, die die Rolle gespielt habe.

Um seine Thesen zu untermauern und seine Beiträge stärker zu machen, nutzte der Reporter darüber hinaus häufig Archivbilder. Dies kennzeichnete er jedoch nicht, sondern suggerierte mehrmals, dass er die Bilder frisch gedreht habe.

„Wir sind erschrocken, dass trotz unserer umfangreichen Kontrollmechanismen ein Mitarbeiter über Jahre hinweg vorsätzlich täuschen und manipulieren konnte. Aus diesem Grund haben wir gemeinsam mit dem Qualitätsmanagement unserer Abnahmeverfahren deutlich ausgebaut und werden zusätzlich Beiträge von unseren Reportern stichprobenartig kontrollieren“, so Michael Wulf, Chefredakteur RTL. Zu den bereits eingeleiteten Maßnahmen gehört eine fortlaufende Überprüfung und gegebenenfalls Optimierung der Bestell- und Abnahmeprozesse durch das Qualitätsmanagement von infoNetwork.

Zusätzlich wird künftig ein Team von wechselnden Mitarbeitern zu den sendungsverantwortlichen CvDs regelmäßig und stichprobenartig Beiträge überprüfen und dazu auch das Rohmaterial sichten. In einem neu eingerichteten Postfach können Mitarbeiter auch anonym Hinweise auf mögliche Unregelmäßigkeiten geben, Zweifel anmelden und Verdachtsmomente benennen. Schließlich werden die Chefredaktion und das Qualitätsmanagement noch mehr Podiumsdiskussionen zu Fragen der Qualitätsoptimierung der journalistischen Arbeit und interner Arbeitsprozesse abhalten.

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • (geb. 1967) am

    Wer den Nachrichten im deutschen TV vertraut dem ist eh nicht zu helfen.

    Wer sich für die Wahrheit zu diversen Themen interessiert sollte dazu besser selbst recherchieren.

    Trotz allem meinen Respekt für den "Gurkensender" RTL, das diese so einen Fall überhaupt öffentlich publizieren.
    • (geb. 1983) am

      Naja, ein einzelner Missetäter, der versucht eine kleine Sparte des TV-Programm zu manipulieren, ist doch eher ein kleiner Fisch.
      Eine selbsternannte "Zeitung", die sich mithilfe 4 weißer Buchstaben auf roten Hintergrund und auf biologisch kaum degradablem Stinkepapier gedruckt, ganze Ausgaben aus dem Finger saugen, ist weitaus schlimmer ...

      Und auch mehrfach nachgewiesen wurde!

      Bedeutet im Umkehrschluß aber auch, daß wenn ein einzelner "Reporter" (also kein richtiger Journalist!) aus dem Presseumfeld gekickt wird, MUSS das auch für die Schandmaul-Erzeugnisse des Springer Verlags wie auch allen anderen Skandalblätter gelten.

      Schließlich hat (und braucht!) es niemanden unter die Nase gerieben zu werden, welche Form die Köttel und Scheißehaufen von B- bis Z-Promis haben, wie sie riechen oder wer dafür (aus welchen Gründen auch immer) dafür verantwortlichen sein könnte.

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      Allerdings würde das u.a. erklären, wieso die 4-Buchstaben-Auspresseerzeugniß so unfaßbar stinkt!
      • am

        Oh Gott, "Denunziantenmodell". Das ist hier nicht die Stasi, die RTL Mitarbeiter verpfeiffen soll, weil sie Joyn auf dem Smartphone installiert haben und in der Pause auf dem Klo heimlich Sat 1 schauen.

        " Journalismusausbildung/ Qualität der Volontariate verbessern: Lernenden klar machen, wie wichtig investigativer Journalismus ist "

        Ich glaube, jemandem, der über ein Jahrzehnt hinweg seine Beiträge fälscht, ist so etwas egal. Da hätte auch eine Moralpredigt in der Ausbildung nichts geholfen.

        "- Einstellungsverfahren optimieren: versuchen, nicht auf Blender reinzufallen sondern stärker auf andere Kriterien (z.B. Motivation, Arbeitsbeispiele) achten "

        Nochmal: Der Mann hat über 10 Jahre seine Beiträge gefälscht, ohne, dass es jemand gemerkt hat. Ich glaube, so jemand kann seine "Motivation" und seine Arbeitsbeispiele richtig gut fälschen.

        "- Reporter fair entlohnen und ihnen die Möglichkeit geben, ausreichend Zeit für Berichte zu haben statt "auf Masse" arbeiten zu müssen, evtl. mehr Festanstellungen statt auf freie Mitarbeiter nach Bedarf zu setzen."

        Klar, ist alles die Schuld von RTL. Hätten sie ihm mehr gezahlt und mehr Zeit gegeben, hätte er nicht betrügen müssen. Der Reporter ist hier das Opfer!
        • (geb. 1979) am

          Vor allem,  wie viele behaupten jetzt, sie hätten von nichts gewusst und wären ebenfalls ein Opfer und in Wirklichkeit...
          Naja. RTL war eh noch nie wirklich seriös für mich. Und einem Sender wie RTL sollte so etwas nicht in so einem gewaltigen Umfang passieren. Das ist mehr als peinlich. 
          • am via tvforen.de

            TV Wunschliste schrieb:
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            > "Wir sind erschrocken, dass trotz unserer
            > umfangreichen Kontrollmechanismen ein Mitarbeiter
            > über Jahre hinweg vorsätzlich täuschen und
            > manipulieren konnte. Aus diesem Grund haben wir
            > gemeinsam mit dem Qualitätsmanagement unserer
            > Abnahmeverfahren deutlich ausgebaut und werden
            > zusätzlich Beiträge von unseren Reportern
            > stichprobenartig kontrollieren", so Michael Wulf,
            > Chefredakteur RTL. Zu den bereits eingeleiteten
            > Maßnahmen gehört eine fortlaufende Überprüfung
            > und gegebenenfalls Optimierung der Bestell- und
            > Abnahmeprozesse durch das Qualitätsmanagement von
            > infoNetwork.
            >
            > Zusätzlich wird künftig ein Team von wechselnden
            > Mitarbeitern zu den sendungsverantwortlichen CvDs
            > regelmäßig und stichprobenartig Beiträge
            > überprüfen und dazu auch das Rohmaterial
            > sichten. In einem neu eingerichteten Postfach
            > können Mitarbeiter auch anonym Hinweise auf
            > mögliche Unregelmäßigkeiten geben, Zweifel
            > anmelden und Verdachtsmomente benennen.
            > Schließlich werden die Chefredaktion und das
            > Qualitätsmanagement noch mehr Podiumsdiskussionen
            > zu Fragen der Qualitätsoptimierung der
            > journalistischen Arbeit und interner
            > Arbeitsprozesse abhalten.
            >

            Gute Ideen, aber anstatt ein Denuziationsmodell (anonymes Postfach) einzurichten, könnte man auch über folgende Vorschläge nachdenken:

            - Journalismusausbildung/ Qualität der Volontariate verbessern: Lernenden klar machen, wie wichtig investigativer Journalismus ist

            - Einstellungsverfahren optimieren: versuchen, nicht auf Blender reinzufallen sondern stärker auf andere Kriterien (z.B. Motivation, Arbeitsbeispiele) achten

            - Reporter fair entlohnen und ihnen die Möglichkeit geben, ausreichend Zeit für Berichte zu haben statt "auf Masse" arbeiten zu müssen, evtl. mehr Festanstellungen statt auf freie Mitarbeiter nach Bedarf zu setzen.

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