„Nee, bitte keine Meinung“: Collien Ulmen-Fernandes kritisiert mangelnde Freiheiten in der TV-Unterhaltung

Wenig Mut, vorgesetzte Moderationstexte und mieser Umgang bei VIVA-Abschiedsshow

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 21.07.2020, 19:07 Uhr

Collien Ulmen-Fernandes – Bild: ZDF/Britta Krehl
Collien Ulmen-Fernandes

Nach dem fragwürdigen Statement des ARD-Programmdirektors Volker Herres, dass ihm kaum geeignete Frauen für TV-Unterhaltungsshows einfallen würden, ist eine Diskussion entbrannt. Zahlreiche Moderatorinnen fühlten sich verständlicherweise davon angegriffen und übersehen (fernsehserien.de berichtete). Leider ist dies nicht ein Missstand, den die ARD exklusiv für sich gepachtet hat. Auch auf anderen Sendern dürfen sich Moderatorinnen im Fernsehen häufig nicht so ausleben, wie sie es gerne würden. Collien Ulmen-Fernandes sprach im YouTube-Format „Webtalkshow“ von Nico Gutjahr Klartext darüber, was teilweise hinter den Kulissen bei der Konzeption von Sendungen passiert.

Da gibt’s so Moderationsbesprechungen, wo du haarklein mit was weiß ich wie vielen Departments besprechen musst, wie genau der Satzbau ist. Bis sich dann alle auf einen Promptertext geeinigt haben, dauert das ewig. Deswegen ist Fernsehen auch oft so steif, weil man da eben steht mit einem Satz, der von 20 Leuten abgenommen wurde, erklärt Ulmen-Fernandes im Interview. Dann heiße es: So, wir haben hier einen Text geschrieben. Du stellst dich da vor den Prompter und liest den ab.

Die Moderatorin erinnert sich an einen besonders prägnanten Fall: Ich hatte einmal eine Besprechung, da ging es darum, ob das ‚aber‘ am Anfang des Satzes ist oder in der Mitte. Dann habe ich gedacht: Das kann nicht sein, dass wir jetzt hier fünf Minuten darüber reden, ob das ‚aber‘ am Satzanfang oder in der Mitte ist! Doch die Verantwortlichen meinten das ernst. Und du weißt: Wenn ich mich jetzt am Prompter verlese und das ‚aber‘ aus Versehen in die Mitte packe, obwohl alle gesagt haben: ‚Es muss am Anfang stehen‘, dann kriege ich richtig Ärger.

Problematisch sei außerdem für so manchen Fernsehmacher, wenn Moderatorinnen und Moderatoren in einer Sendung ihre Meinung äußern. Bei anderen Sendern habe ich auch oft gehört: ‚Nee, bitte keine Meinung.‘ Klar, es gibt Formate, da passt es nicht, wenn man eine eigene Meinung vertritt. Aber grundsätzlich wirst du ja als Moderator auch greifbarer, wenn du so was hast wie ‚ne Meinung und die auch kundtun kannst. Dadurch lernen die Leute einen wirklich kennen, so Ulmen-Fernandes.

Beim ehemaligen Musiksender VIVA habe die Moderatorin diesbezüglich insgesamt mehr Freiheiten gehabt als bei anderen Sendern. Ich durfte außerhalb von VIVA nie so sein wie ich war, erläutert sie – wenngleich sie in anderen Interviews auch schon erzählte, dass dort ihre selbst geschriebenen Moderationstexte oft nicht akzeptiert und rot durchgestrichen wurden, weil sie einen „Männerhumor“ habe, den die Vorgesetzten nicht von ihr hören wollten – von einem Klaas Heufer-Umlauf hingegen schon.

Zudem sei auch bei der letzten VIVA-Sendung, mit dem sich der Musiksender Ende 2018 nach mehr als 25 Jahren aus der TV-Landschaft verabschiedete, nicht alles rosig verlaufen. Das war sehr absurd mit dieser Abschiedssendung, erinnert sich Ulmen-Fernandes in der „Webtalkshow“. Angekündigt war, dass sie gemeinsam mit Jan Köppen die Show moderieren werde. Als sie das Moderationsbriefing bekam, war sie jedoch sehr überrascht. Jan, Jan, Jan, Jan – ah, hier darf Collien mal in die Werbung moderieren. Jan, Jan, Jan, Jan. Deshalb habe sie dann gesagt: Ich fühle mich da ehrlich gesagt nicht wohl mit, wenn er die ganze Zeit moderiert und ich dann irgendwann so aufs Stichwort sage: ‚Und jetzt kommt die Werbung.‘ Daher bat sie die Verantwortlichen darum, nicht mehr zu kommunizieren, dass sie die Abschiedssendung moderieren würde. Wenn ich alle halbe Stunde mal sagen darf, dass jetzt die Werbung kommt, fühle ich mich auch nicht als Moderatorin. Und dann bin ich spontan dazu übergeswitcht, Gast zu sein und nicht mehr zu moderieren, weil mir das zu blöd war. Ein bemerkenswerter Umgang mit der langjährigsten VIVA-Moderatorin, die dem Sender von 2003 bis 2015 treu geblieben ist.

In jüngster Zeit ist Collien Ulmen-Fernandes verstärkt für ZDFneo tätig. Nachdem im April die äußerst kurzfristig produzierte Sozialdokumentaton namens „Familien allein zu Haus“ ausgestrahlt wurde, liegt inzwischen die Fortsetzung in der ZDFmediathek bereit. Darin geht es vor allem um die Frage „Was bleibt?“. Welche Auswirkungen hatte die Corona-Pandemie insbesondere auf die Familien, die strukturell und finanziell zu den Benachteiligten gehören?

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am

    Die Dokus über Helikopter Eltern und Corona sind am Wochenende im ZDF Nachmittagsprogramm gelaufen. Ich gehöre schon lange nicht mehr dieser Generation an und habe die Dokus trotzdem als sehr interessant und informativ gefunden. In irgendeinem Interview hat sie erzählt, dass die Corona Dokus relativ spontan und für ZDF Neo entstanden sind, also dürfte sie dort doch mehr Freiheit haben, als man einem öffentlich rechtlichen Sender vielleicht "zutraut". Umgekehrt, wenn man ihre Berichte liest, wundert einen etwas weniger, wieso so viel Programm in so vielen Sendern an so viel Publikum "vorbei" produziert wird. Offenbar ist noch niemand auf die Idee gekommen, so etwas wie Zuseherbefragungen, Umfragen usw. zu machen, was für die Zuseher, für die doch das Programm eigentlich gemacht werden sollte, interessant zu sehen wäre und zwar nicht nur dem Inhalt nach, sondern auch z.B. die Sendezeit betreffend usw. Man kann natürlich nicht für jeden das passende Programm "stricken", aber etwas mehr an der Realität sollte doch möglich sein. Textbausteine und Wortsetzung stehen aber ganz bestimmt nicht auf der Liste der Zuseherwünsche,egal wie alt die sind und welchen Sender sie gerade sehen.
    • am

      Fehlende Meinungsfreiheit bemängeln und beim ZDF landen !?

      Interessant !!!
      • (geb. 1968) am

        Ich kann mich erinnern an eine denkwürdige Moderation auf dem Bravo-TV Hausboot, da war die Redaktion nicht fertig geworden und weil es schnell gehen sollte, hat sie freihändig moderiert - sie war großartig! Leider ist das der Redaktion nicht Recht gewesen, es kam nicht in die Sendung.
        • (geb. 1991) am

          Gottlieb Taft: Ich nehme an das es immer schlimmer wird weil man ja mittlerweile mit jeden Wort jemanden beleidigen kann. Das ist sicherlei einer der Gründe warum man Heute noch die Moderatoren von früher kenn, aber kaum sagen kann wer gerade im Moment eine Sendung moderiert die man vielleicht sogar selber schaut.

          Außerdem wird das auch dazu beitragen das es einige wenige gibt die sagen "ich mache alles" (egal worum es in der Sendung geht) und einige sich das nicht antun. Wenn ich es könnte würde ich auch moderieren. Aber ich würde mit nicht da hinstellen und etwas vorlesen wie ein 6-Jähriger. Dazu braucht man kein Talent.
          • am via tvforen.de

            Ich dachte der Beruf des Moderators besteht darin, sich selbst Moderationen mehr oder weniger spontan auszudenken. Werden da nur Texte abgelesen? Stelle ich mir grauenhaft vor! Andererseits ist mir das noch nie aufgefallen.
            • am via tvforen.de

              Was Collien da beschreibt kann ich mir durchaus vorstellen, bloß nirgends anecken mit einem falschen Wort, geht ja heute schnell mit so einem Shitstorm. Deswegen kommen Moderatoren wie z.B. Steven Gätjen wahrscheinlich auch so langweilig rüber - weil vorher jedes Wort genehmigt werden muß. Mir fällt nur immer die zum Teil grauenhafte Grammatik und die Rechtschreibfehler in den Einblendungen auf, inzwischen leider nicht nur bei den Privaten.
              • am via tvforen.de

                Dann schau dir mal Steven Gätjen bei den Rockets Beans an - da ist er auch langweilig.
                Die haben keinen Prompter.

                Das mit der Grammatik passiert halt, wenn es live ist.
                Dann ist Rocket Beans TV auch nichts für dich.
                Es ist ein Internetsender.
              • am via tvforen.de

                Du meins wenn wer was spontan Macht kann man fehler machen tun?

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