Maren Kroymann: „Der Humorbereich in Deutschland war sexistisch und von Männern dominiert“

Interview über Rollenbilder, Feminismus und LGBTQ-Sichtbarkeit im Fernsehen

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 21.07.2021, 16:00 Uhr

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Radio Bremen/​Joseph Strauch

fernsehserien.de: Wenn man sich hingegen so manches deutsche Comedyformat vergangener Jahrzehnte anschaut, ist es erschreckend, wie sexistisch oder frauenfeindlich manche Sketche waren. War das einfach ein anderer Zeitgeist oder ist Ihnen das damals schon negativ aufgefallen?

Maren Kroymann: Absolut! Ich empfand das damals schon als entsetzlich rückschrittlich. Der Humorbereich in Deutschland war sexistisch und von Männern dominiert. Auch so beliebte Sendungen wie „Sketch Up“ oder die Rudi-Carrell-Shows waren reiner Männerhumor. Das war ganz schrecklich und furchtbar altbacken. Deshalb hätte ich auch nicht gedacht, dass ich überhaupt in diesem Beruf Fuß fassen können würde. Damals war es wirklich etwas Neues, dass ich als Feministin an die Reihe kam – denn das war ich immer, schon bei meinem ersten Bühnenprogramm „Auf du und du mit dem Stöckelschuh“. Es gab wenige deutsche Vorbilder für eine feministische Haltung. Außer mir gab es noch Lisa Fitz und etwas später die Misfits. Generell sind wir feministischen Kabarettistinnen aber alle erst spät ins Fernsehen gekommen. Die Kabarettszene hat mich irgendwann entdeckt und es war für mich und mein Selbstverständnis ganz wichtig, als ich 1985 von dem von mir verehrten Kollegen Dieter Hildebrandt zum ersten Mal als Partnerin in den „Scheibenwischer“ eingeladen wurde.

Woher kam denn bei Ihnen dieses frühe Interesse am Feminismus?

Maren Kroymann: Das hängt mit meinem Studium zusammen. Ich habe Romanistik und Anglistik-Amerikanistik studiert. In einer Zeit, als es noch keine Gender Studies gab, habe ich erste Versuche feministischer Literaturbetrachtungen gemacht. In meinem späteren Soloprogramm habe ich dann deutsche Schlager und amerikanische Popsongs wie in einer Gedichtinterpretation auf die gesellschaftliche Darstellung von Frauen und Männern hin analysiert. Das Prinzip habe ich in der Literaturwissenschaft gelernt und dann einfach auf die Popmusik übertragen. Mein erstes Programm war eigentlich eine Radiosendung auf der Bühne – nur, dass ich die Lieder selbst gesungen und statt Moderationen Sketche gemacht habe. Das war eigentlich eine kleine Musiksoziologie unter Genderaspekten. Hätte ich das damals so genannt, wäre natürlich niemand gekommen (lacht).

Wenn Sie auf die vergangenen Jahrzehnte zurückblicken, würden Sie sagen, dass sich in Sachen Gleichberechtigung von Frauen in der Unterhaltungs- und Schauspielbranche schon viel getan hat? Oder haben Sie den Eindruck, dass alles immer noch männerdominiert ist?

Maren Kroymann: Beides. Es hat sich viel getan, aber ich bin auch bei dem Verein ProQuote Film, der fordert, dass mehr Frauen als Autorinnen, Regisseurinnen und Ideengeberinnen besetzt werden. Das ist ein Kampf, den wir ausfechten müssen. Es braucht diese Quotenregelung, weil die Männer von alleine diese Jobs meistens nicht weitergeben. Die MeToo-Debatte hat dazu geführt, dass sich mehr Frauen darüber äußern, was sie in Bezug auf Übergriffe und Belästigungen erlebt haben. Wir nehmen uns als Subjekte wahr, die es wert sind, dass deren Geschichten erzählt werden. Das trägt stark dazu bei, dass Frauenthemen in der breiten Gesellschaft ernster genommen werden. Mit „Nachtschwester Kroymann“ war ich letztendlich die Vorhut einer Entwicklung, die jetzt erst richtig einsetzt.

Radio Bremen/​bildundtonfabrik

Sie setzen sich nicht nur für Frauen ein, sondern sind auch eine wichtige Vertreterin der LGBTQ-Community. Wie erleben Sie persönlich die Entwicklung der Sichtbarkeit von Homosexuellen im Fernsehen?

Maren Kroymann: Es muss noch viel getan werden, aber es ist auch schon einiges passiert. Inzwischen versuchen die Verantwortlichen – manchmal organisch, manchmal ein bisschen holzschnittartig – die Gruppierungen außerhalb des Mainstreams vorkommen zu lassen. Es gibt schon mal Geschichten über zwei Schwule oder eine lesbische Beziehung, auch People of Color werden mehr eingesetzt. Aber im Grunde liegt es an den Geschichten, die geschrieben werden. Deshalb ist auch ProQuote Film so wichtig, was die Menschen hinter der Kamera betrifft.

Als Sie Ihr Coming-out hatten, waren Sie neben Hella von Sinnen lange Zeit die einzige deutsche Schauspielerin, die offen zu Ihrer Sexualität stand. War es damals eine Belastung für Sie, sozusagen als Galionsfigur für lesbisches Leben zu stehen?

Maren Kroymann: Ich wollte keine Galionsfigur sein, sondern nur eine, die einen Dominoeffekt auslöst und andere ermutigt, es auch zu tun. Ich dachte eigentlich, dass es viel schneller gehen würde und sich die Nächsten vielleicht ein Jahr später outen würden. Aber es kam nicht dazu. Und da Hella zu der Zeit nicht mehr in Talkshows ging, war ich die Einzige, die man dazu befragen konnte und deshalb habe ich zwangsläufig diese Rolle eingenommen. Immerhin kamen dann irgendwann Ulrike Folkerts, Anne Will und Miriam Meckel nach. Aber ich fand es schon schade und war auch erschüttert darüber, dass es so lange gedauert hat.

In der jüngsten Folge Ihrer Sketchshow „Kroymann“ haben Sie im Rahmen eines Musikvideos die schwierige Situation von queeren Schauspielerinnen und Schauspielern thematisiert.

Maren Kroymann: Richtig, das haben wir bewusst eine Woche vor ActOut gemacht und wollten diesem Manifest im SZ-Magazin so ein bisschen den roten Teppich ausrollen. Ich hoffe, dass wir damit dazu beitragen können, dass gesellschaftlich darüber diskutiert und mehr gesehen wird, dass es uns gibt. Und hoffentlich ermuntert es auch andere dazu, sich zu outen und dazu zu stehen, wer sie sind. Das ist ein langer Prozess, der jetzt angestoßen wurde und am Laufen gehalten werden muss. Wir, die gerade so kämpferisch sind und in einem relativ liberalen Land leben, müssen dafür sorgen, dass es irreversibel bleibt und LGBTQ-Menschen nicht nur anerkannt, sondern auch gestützt werden und ganz selbstverständlich zu sehen sind.

Dass es in anderen Ländern alles andere selbstverständlich ist, hat kürzlich die Absage der UEFA gezeigt, das Stadion in München während des EM-Spiels zwischen Deutschland und Ungarn in Regenbogenfarben zu beleuchten, um ein Zeichen der Toleranz gegenüber LGBTQ in Richtung Viktor Orbán zu senden.

Maren Kroymann: Dass solche schwulenfeindlichen Leute wie Orbán an der Macht sind und auch das, was gerade in Polen passiert, ist grausam! Ich möchte auch nicht, dass in Deutschland rechte Kräfte wie die AfD weiter erstarken. Wir als Deutsche könnten da für andere Länder ein Zeichen setzen, doch im Moment sieht es leider danach aus, dass die Orbáns dieser Welt zu einer Spaltung führen werden. Als die Allianz Arena in München in Regenbogenfarben erleuchten sollte, aber dann die UEFA auch vor Orbán gekuscht hat, haben aber zumindest viele begriffen, dass es da wirklich ein Problem gibt. Schön war wiederum, dass es zu einer großen Mobilisierung in der Gesellschaft geführt hat und die Regenbogenflaggen trotzdem überall sichtbar waren.

Sie können auf eine lange und vielseitige Karriere zurückblicken. Sie haben in sehr vielen beliebten Filmen und Serien mitgespielt. „Oh Gott, Herr Pfarrer“, „Vera Wesskamp“, „Flemming“, „Mein Leben & ich“ – um nur einige zu nennen. Gibt es eine Sendung, an die Sie sich besonders gerne zurückerinnern oder mit der Sie etwas Besonderes verbinden?

„Oh Gott, Herr Pfarrer“ mit Robert Atzorn und Maren Kroymann ARD

Maren Kroymann: Mein Einstieg ins Fernsehen mit „Oh Gott, Herr Pfarrer“ war schon sehr wichtig. Diese Rolle lag mir so, weil ich Tübingerin war und den Kirchen-Background hatte. Bis dahin habe ich Fernsehen eigentlich ziemlich verachtet, weil es mir zu oberflächlich war. Mit der Serie habe ich dann gemerkt, dass man auch um 20:15 Uhr in der ARD aufklärerisch arbeiten kann. Es war für mich eine wichtige Erkenntnis, dass ich auch in diesem Medium dauerhaft arbeiten kann, wenn ich die richtigen Verbündeten finde. Mein erstes Bühnenprogramm „Auf du und du mit dem Stöckelschuh“ hat allerdings auch eine besondere Bedeutung, weil es der Anfang von allem war, was ich schauspielerisch und kabarettistisch gemacht habe. Aber natürlich ist mir „Nachtschwester Kroymann“ wahnsinnig wichtig, weil das einfach mein eigenes Projekt war. Ebenso stolz bin ich auch auf meine aktuelle Sendung „Kroymann“.

Die wurde inzwischen schon zwei Mal mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet. Sie arbeiten dort mit dem jungen Team der bildundtonfabrik zusammen. Wie ist es für Sie, mit solch jungen Kollegen zu arbeiten?

Maren Kroymann: Großartig, ich liebe es! Die sind ganz anders verankert in der aktuellen Comedyszene und ich habe sie mir in erster Linie auch ausgesucht, weil sie mit Böhmermann so tolle und ästhetisch hochwertige Musikvideos gemacht haben. Da habe ich mir gedacht: Mit der Firma will ich arbeiten. Die könnten altersmäßig meine Kinder sein und kommen aus einer ganz anderen Ecke, sind dabei total politisch. Obwohl mit Philipp Käßbohrer und Matthias Murmann zwei Männer die Firma leiten, musste ich sie gar nicht überreden, etwas Feministisches zu machen, weil sie absolut meiner Meinung sind. Sie sind das Gegenteil dieser verknöcherten Machos meiner Generation, die mir am Anfang solche Schwierigkeiten bereitet haben. Ich kann nur allen Feministinnen, die konfliktfrei arbeiten möchten, empfehlen, mit jüngeren Menschen zusammenzuarbeiten. Die sind schon so aufgeklärt, dass sie durch jemanden wie mich gar nicht zu schocken sind (lacht)!

Vielen Dank für das aufschlussreiche und sympathische Gespräch! Alles Gute für die Zukunft!

Die Komödie „Mutter kündigt“ ist am 22. Juli um 20:15 Uhr im ZDF zu sehen. Schon jetzt liegt sie alternativ in der ZDFmediathek auf Abruf bereit. Zahlreiche Folgen der aktuellen Sketchreihe „Kroymann“ sind in der ARD Mediathek verfügbar.

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Über den Autor

Glenn Riedmeier ist Jahrgang ’85 und gehört zu der Generation, die in ihrer Kindheit am Wochenende früh aufgestanden ist, um stundenlang die Cartoonblöcke der Privatsender zu gucken. „Bim Bam Bino“, „Vampy“ und der „Li-La-Launebär“ waren ständige Begleiter zwischen den „Schlümpfen“, „Familie Feuerstein“ und „Bugs Bunny“. Die Leidenschaft für animierte Serien ist bis heute erhalten geblieben, zusätzlich begeistert er sich für Gameshows wie z.B. „Ruck Zuck“ oder „Kaum zu glauben!“. Auch für Realityshows wie den Klassiker „Big Brother“ hat er eine Ader, doch am meisten schlägt sein Herz für Comedyformate wie „Die Harald Schmidt Show“ und „PussyTerror TV“, hält diesbezüglich aber auch die Augen in Österreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten offen. Im Serienbereich begeistern ihn Sitcomklassiker wie „Eine schrecklich nette Familie“ und „Roseanne“, aber auch schräge Mysteryserien wie „Twin Peaks“ und „Orphan Black“. Seit Anfang 2013 ist er bei fernsehserien.de vorrangig für den nationalen Bereich zuständig und schreibt News und TV-Kritiken, führt Interviews und veröffentlicht Specials.

Lieblingsserien: Twin Peaks, Roseanne, Gargoyles – Auf den Schwingen der Gerechtigkeit

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • (geb. 1976) am

    Faszinierend, wie sehr die Kommentare hier Kroymann bestätigen.
    • am

      Selten so viel unwidersprochenen Schwachsinn in einem einzigen Interview gelesen. Fakt ist dass alles ausnahmslos beim Zuschauer floppt was da gerade medial inkompetent gehypt wird. Keine Kroymann Sdg erreicht jemals auch nur ansatzweise einen zweistelligen Marktanteil, während bei Nuhr und Co regelmäßig doppelt so viele gucken. Und auch früher waren schon Mary, Diether Krebs oder Harald und Eddi ultrakomisch ohne sexistisch oder missionarisch wiederholend zu sein - aber eben halt auch mega erfolgreich im Ggs zu dem Trash heute! Tipp fürs nächste Interview: Zahlen mal vergleichen...
      • (geb. 1980) am

        Vollkommen richtig. Wie heisst es doch so schön: Go woke, go broke :-)
    • am via tvforen.de

      Der Fragesteller hat es zutreffend formuliert: MANCHE Sketche waren sexistisch oder frauenfeindlich. Als Beispiel würde ich hier den Rudi-Carrell-Sketch mit Joachim Fuchsberger als Fluggast und Andrea Rau als Stewardess nennen. Mit ihrem völlig überzogenen Pauschalurteil "Der Humorbereich in Deutschland war sexistisch" entwertet Frau Kroymann dieses Thema, zieht es ins Lächerliche.

      Sie sollte sich z. B. mal den Sketch mit Peter Frankenfeld als Nachrichtensprecher anschauen oder den Sketch mit Diether Krebs "1000-Mark-Schein gefunden" oder den Sketch mit Carrell und Krebs im Patentamt. Da ist nichts dran sexistisch und solche Sketche waren bei weitem in der Mehrheit. Abstrus ist die Vorstellung, bei "Sketch Up" hätten nur die männlichen Zuschauer gelacht ("reiner Männerhumor"), das geht völlig an der Realität vorbei, zumal in vielen Sketchen auf lustige Weise männliche Schwächen demaskiert wurden.
      • am via tvforen.de

        Aus dem Interview:
        "Ich empfand das damals schon als entsetzlich rückschrittlich. Der Humorbereich in Deutschland war sexistisch und von Männern dominiert. Auch so beliebte Sendungen wie "Sketch Up" oder die Rudi-Carrell-Shows waren reiner Männerhumor. Das war ganz schrecklich und furchtbar altbacken."

        Jaaanaaaeiin.

        "Gestorben war sie mit 17 Jahr - just als sie zu gebrauchen war!" (Otto Waalkes)

        Ein schlimmer Satz! Davon gab es noch etliche mehr.

        Aaaber: ohne Leute wie Otto, Insterburg und Co. und andere wäre der Humor in deutschen Landen noch sehr viel länger in der verklemmten und spießbürgerlichen Form der 50er und 60er Jahre stecken geblieben. Sie haben Anfang der 70er die Tore geöffnet, um den Humor für das zu öffnen, was die Menschen - bis dahin nur insgeheim - bewegte! Insbesondere gingen sie auch mal deutlich unter die Gürtellinie, wenn sie auch manchmal dabei "daneben griffen" (s. o.). Auch die bürgerliche Doppelmoral war oft Zielscheibe, etwa Ottos Büttenrede zum Segen der Chemie. Insterburgs "Kaulquappe" wäre Jahre zuvor im Fernsehen undenkbar gewesen:

        Die Kaulquappen im Ententeich,
        die haben Füsse nicht so gleich.

        Die wachsen später erst dem Tier.
        Sie geben ab ihre Kiemen dafür.

        Und dann verlieren sie ihr Schwänzelein.
        Ich möchte NIE eine Kaulquappe sein !!!

        Will heißen: der Humor dieser damaligen Trendsetter war in Teilen sexistisch und frauenfeindlich, ja! Insofern waren die betreffenden Künstler unverkennbar in ihre Zeit eingebunden. Aber sie darauf zu reduzieren, wird ihnen nicht gerecht. Andere, insbesondere Frauen, haben das Spektrum des Humors in der Folgezeit erweitert und uns Männern Kontra gegeben. Und das war gut so! Aber ohne die "TV-Revoluzzer" Anfang der 70er hätte das vermutlich noch deutlich länger gedauert.

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