Laura Karasek: „Gleichberechtigung haben wir im deutschen Fernsehen erst, wenn eine Frau eine Quizshow moderiert!“

Interview über „Die Höhle der Lügen“, Böhmermann-Sendeplatz und Frauenmangel in der TV-Unterhaltung

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 02.09.2020, 11:00 Uhr

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Laura Karasek ZDF/​Klaus Weddig

fernsehserien.de: Bei „Die Höhle der Lügen“ handelt es sich um eine Gameshow im Unterhaltungsbereich, die Sie als Frau moderieren. Wie ist das möglich, wo doch ARD-Unterhaltungschef Volker Herres kürzlich meinte, dass ihm keine Frauen einfallen würden, die so eine Show präsentieren können?

Laura Karasek: Ich glaube, das ZDF ist einfach mal richtig mutig gewesen und hat sich gedacht: Wir trauen es einer Frau zu, dass sie es schafft, durch so eine Sendung zu führen. Ich finde, das verdient sehr viel Anerkennung! Ich könnte mir vorstellen, dass der ARD-Unterhaltungschef seine Aussagen im Nachhinein bereut hat und gern revidiert hätte. Gleichberechtigung haben wir im deutschen Fernsehen allerdings erst dann erreicht, wenn eine Frau eine Quizshow moderiert! Das wäre die Sensation! Also ich würde mich ja anbieten … (lacht)

Was glauben Sie, weshalb sich die Sender anscheinend so schwer damit tun?

Laura Karasek: Ich sehe da zwei Probleme. Ich glaube, viele Verantwortliche haben gewisse Frauen einfach nicht auf dem Radar. Das hat Carolin Kebekus schön in ihrer Show beleuchtet und ganz viele dieser Frauen genannt, die ich sehr bewundere. Ich habe mich gefreut, dass ich als Neuling in der TV-Welt da auch schon wahrgenommen wurde. Ich fühle mich oft nicht zugehörig. Das zweite Problem an der Sache ist, dass es offenbar ein Publikum gibt, das sich gewisse Dinge lieber von Männern als von Frauen erzählen lassen möchte. Das finde ich sehr schade und ich frage mich, woher das kommt. Warum trauen wir als Publikum oft den Frauen weniger zu? Warum sind männliche Moderatoren beliebter? Das betrifft nicht nur den Unterhaltungsbereich. Dokumentationen werden beispielsweise auch überwiegend mit männlichen Off-Sprechern produziert, obwohl Frauen mir genauso erzählen könnten, wo der Tapir auf Nahrungssuche geht … (haha)

ZDF/​Klaus Weddig

Bei unserem letzten Gespräch haben Sie mir von Ihrem früheren Job in der Kanzlei erzählt, den Sie als Männerdomäne beschrieben haben. Haben Sie den Eindruck, dass auch das Fernsehen noch so männerdominiert ist? War es schwierig für Sie, sich durchzusetzen?

Laura Karasek: Die Kanzlei war in der Hinsicht schon eine gute Schule für mich. Ich würde von mir behaupten, dass ich keine schwierige Person bin – „schwierig“ wird gern im Zusammenhang mit Frauen verwendet – , aber inzwischen sage ich auch zu manchen Sachen „nein“. Ich musste erst lernen, dass ich deshalb kein schlechtes Gewissen haben muss. Als Frau denkt man sofort, dass man dann als weniger liebenswert oder als unfreundlich gilt, aber das ist Quatsch. Niemand sollte „ja“ sagen, nur um jemand anderem zu gefallen. Bei Männern wird Widerspruch meistens positiv als Ehrgeiz bewertet, während Frauen eingetrichtert wird, lieber nicht zu widersprechen, um „likeable“ zu bleiben. Ich arbeite ja wirklich gerne mit Männern zusammen, finde es aber prinzipiell wichtig, dass Teams diverser besetzt werden. Ob in der Kanzlei oder in einer Fernsehredaktion: Es ist immer gut, wenn verschiedene Köpfe verschiedene Dinge denken und dadurch auf unterschiedliche Ideen kommen.

Vor längerer Zeit habe ich mit Jeannine Michaelsen gesprochen. Sie meinte, dass Frauen selbst gegenüber anderen Frauen im Fernsehen oft sehr kritisch eingestellt sind und sich häufig über deren Figur und Outfit auslassen – anstatt ihre Geschlechtsgenossinnen zu unterstützen.

Laura Karasek: In diese Richtung argumentierte ja auch Volker Herres, als es darum ging, dass Männer im Unterhaltungsfernsehen lieber gesehen werden als Frauen. Da ist leider schon etwas dran und der Feminismus ist hinsichtlich Komplizinnenschaft da noch nicht weit genug. Vielleicht wurde uns zu lange diese vermeintliche „Stutenbissigkeit“ eingetrichtert. Ich habe die Notwendigkeit lange Zeit gar nicht verstanden, weil ich in einem sehr offenen Elternhaus aufgewachsen bin und meine Mutter für mich ein echtes Vorbild in Bezug auf Frauenförderung ist. Aber auch ich bekomme über Social Media immer wieder abfällige Kommentare wie „Frau Karasek zeigt schon wieder zu viel Haut“ oder „Wie sieht die denn aus?“, wenn ich im Fernsehen auftrete. Leider lese ich so etwas auch von Frauen. Männer kommentieren anders, da wird es eher belästigend oder komplett ausfallend. Ich will das aber den Zuschauerinnen nicht zum Vorwurf machen. Man sollte sich eher Gedanken darüber machen, worauf solche Reaktionen zurückzuführen sind.

Was glauben Sie, was die Gründe dafür sind?

Laura Karasek: Ich glaube, Frauen wird immer noch anerzogen, stets niedlich und nett zu sein und bloß keinen Neid zu erzeugen. Das fängt schon in der Kindheit an und hängt auch mit fehlenden weiblichen Vorbildern zusammen. Wie viele Kinderbücher gibt es mit Pilotinnen oder Ärztinnen? Der Gedanke ist tief verwurzelt, dass es für Frauen nur eine begrenzte Anzahl an Plätzen gibt, die man sich erkämpfen muss. Deshalb betrachten sich Frauen schnell als Konkurrentinnen. Sie vergleichen sich direkt, wenn sie eine aufgebrezelte Mutter im Fernsehen arbeiten sehen. Aber man sollte doch andere Lebensentwürfe akzeptieren können, ohne sich dadurch in seinem eigenen Lebenskonzept angegriffen zu fühlen. Das, was die eine Frau macht, ist keine Bedrohung für andere Frauen, auch nicht im beruflichen Zusammenhang. Es wäre so wichtig, dass sich Frauen gegenseitig helfen und unterstützen, anstatt zu denken: „Warum hat sie das und nicht ich?“ Gegen dieses Gefühl von Neid und Missgunst muss man selbst aktiv angehen, aber das kann man lernen.

Laura Karasek mit ihren Talkgästen ZDF/​Steffen Matthes

Als wir das letzte Mal miteinander gesprochen haben, waren Sie mitten in der Produktion der zweiten Staffel von „Laura Karasek – Zart am Limit“. Zunächst wurde mit Publikum aufgezeichnet, weitere Ausgaben dann ohne Zuschauer, bevor die Produktion aufgrund der Corona-Krise schließlich ganz abgebrochen wurde. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Laura Karasek: Als der Lockdown kam, wussten wir erst mal nicht, wie wir weiterdrehen sollen, weil manche Gäste nicht mehr anreisen konnten. Das hat sich ja inzwischen zum Glück wieder verändert und die Situation ist anders als im Frühjahr. Wir konnten sehen, wie andere Shows mit den neuen Bedingungen umgehen und Sicherheitsmaßnahmen in Form von Trennwänden und Masken getroffen haben. Deshalb geht es im Herbst weiter. Die Staffel ist vergrößert und um weitere Folgen verlängert worden. Wir wissen noch nicht, ob es sich dabei dann offiziell um die dritte Staffel oder noch um die zweite Staffel handelt. Aber ich werde nach der ersten Staffel von „Die Höhle der Lügen“ quasi an mich selbst mit den neuen Folgen von „Zart am Limit“ übergeben. Das ist natürlich sensationell, gerade wenn man an die ARD denkt. Gleich zwei Mal Frau auf einmal!

Neben Ihrer Tätigkeit als Moderatorin sind Sie auch Schriftstellerin. Sie haben mir bereits verraten, dass Ihr Roman „Drei Wünsche“ verfilmt wird. Wie ist der aktuelle Stand?

Laura Karasek: Ich arbeite daran fleißig mit. Ich bin aber etwas abergläubisch und habe Angst, dass etwas schiefgehen könnte, wenn ich zu früh schon zu viel darüber erzähle. Es ist in jedem Fall ein echter Lebenstraum von mir, dass ein Roman von mir verfilmt wird. Ich liebe es, die Figuren und die Dialoge zu entwickeln. Drehbucharbeit ist etwas, das ich in Zukunft gerne noch mehr machen würde.

ZDF/​Klaus Weddig

Und wie sieht es mit dem Schreiben von Büchern aus?

Laura Karasek: Die stille und oft sentimentale Arbeit als Schriftstellerin ist mir weiterhin total wichtig, weil das einfach der totale Gegensatz zu der sehr lauten Welt des Fernsehens ist. Während des Lockdowns habe ich damit begonnen, meinen dritten Roman zu schreiben. Themen wie Liebe, weibliche Lust, Sexualität, Sexismus und Mobbing beschäftigen mich sehr und werden auch in diesem Buch wieder eine Rolle spielen.

Vielen Dank für das erneut spannende Gespräch und alles Gute für die Zukunft!

Die erste Folge der neuen Spielshow „Die Höhle der Lügen“ läuft am 3. September um 22:35 Uhr. Weitere sieben Ausgaben sind dann jeweils donnerstags um 22:15 Uhr bei ZDFneo zu sehen.

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Über den Autor

Glenn Riedmeier ist Jahrgang ’85 und gehört zu der Generation, die in ihrer Kindheit am Wochenende früh aufgestanden ist, um stundenlang die Cartoonblöcke der Privatsender zu gucken. „Bim Bam Bino“, „Vampy“ und der „Li-La-Launebär“ waren ständige Begleiter zwischen den „Schlümpfen“, „Familie Feuerstein“ und „Bugs Bunny“. Die Leidenschaft für animierte Serien ist bis heute erhalten geblieben, zusätzlich begeistert er sich für Gameshows wie z.B. „Ruck Zuck“ oder „Kaum zu glauben!“. Auch für Realityshows wie den Klassiker „Big Brother“ hat er eine Ader, doch am meisten schlägt sein Herz für Comedyformate wie „Die Harald Schmidt Show“ und „PussyTerror TV“, hält diesbezüglich aber auch die Augen in Österreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten offen. Im Serienbereich begeistern ihn Sitcomklassiker wie „Eine schrecklich nette Familie“ und „Roseanne“, aber auch schräge Mysteryserien wie „Twin Peaks“ und „Orphan Black“. Seit Anfang 2013 ist er bei fernsehserien.de vorrangig für den nationalen Bereich zuständig und schreibt News und TV-Kritiken, führt Interviews und veröffentlicht Specials.

Lieblingsserien: Twin Peaks, Roseanne, Gargoyles – Auf den Schwingen der Gerechtigkeit

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am via tvforen.de

    Was aber sogar mir als Mann immer unangenehm auffällt, wenn es in Krimis oder andern Spielfilmen ein Hauptrollenduo gibt, wird meistens der Mann zuerst genannt. Außer, die Frau ist die Titelheldin, z.B. die Chefin oder Kommissarin xy.
    • am via tvforen.de

      Was ist daran unangenehm?
    • am via tvforen.de

      Unangenehm ist, dass das die Regel ist. Zum Beispiel wurde bei "Die Toten von Marnow" zuerst der Herr Gersak genannt, dann die Frau Schmidt-Schaller. Wobei Gersaks Rolle mit seinem Familienleben schon ein wenig breiter angelegt war, aber dann müsste man sich auch fragen, ob das Drehbuch noch gender-gerecht ist.
    • am via tvforen.de

      Okay, jetzt habe ich einen Begriff davon, wie du es meinst.
      Warum es dir unangenehm ist, verstehe ich trotzdem nicht. ;)
      Soll die Frau zuerst genannt werden, *weil* sie eine Frau ist?
    • am via tvforen.de

      hasendasen schrieb:
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      > Okay, jetzt habe ich einen Begriff davon, wie du
      > es meinst.
      > Warum es dir unangenehm ist, verstehe ich trotzdem
      > nicht. ;)
      > Soll die Frau zuerst genannt werden, *weil* sie
      > eine Frau ist?

      Ihm fehlt wohl eher die Ausgewogenheit.
    • am via tvforen.de

      genau
  • am via tvforen.de

    "Gleichberechtigung haben wir im deutschen Fernsehen erst, wenn eine Frau eine Quizshow moderiert!"

    Erinnert sich noch jemand an "Der Schwächste fliegt"?
    Gleichberechtigung wurde schon vor 20 Jahren eingeführt.
    • (geb. 1969) am

      Ich finde ja gut, dass jetzt überall auf mehr Diversität geachtet wird, aber wenn das so aussieht, dass jedes Format und jede Produktion jetzt zwanghaft Figuren umwürgt und mit Menschen anderer Ethnien besetzt, dabei aber andere Gruppen wie z. B. Frauen, insbesondere blonde Frauen (und ab einem bestimmten Alter und Gewicht ist es gerade für Frauen eh vorbei bis auf ganz wenige Ausnahmen), immer mehr an Boden verlieren, statt endlich einmal annähernd genauso viele Chancen zu bekommen wie Männer, dann ist das die falsche Richtung. Was wird bei jedem Film, der rauskommt, wo ein paar Frauen in größeren Rollen zu sehen sind, gleich geplärrt, dass das feministischer Dreck ist (so geschehen z. B. beim 6.(?) Terminator, beim Kinder-/Zeichentrickfilm "Scoob" (!!!) etc.), während den blonden Mädchen Cinderella weggenommen wird, dann stimmt was nicht. Dann muss man neue (haben sie eh verdient statt Abgelegtes) Rollen für Menschen anderer Ethnien einfügen, den blonden Charakteren aber ihren Raum lassen. Blonde Männer betrifft das natürlich eh nicht, noch nie gab es so viele (rot-) blonde Hauptrollen wie derzeit - weil ja Frauen das Problem bei der Diskriminierung anderer Ethnien und allgemein sind, genau. Ich hätte nix gegen mehr weibliche Moderatoren, gerne blond (nicht nur brünett wie Kebekus und J.Klum und wie sie alle heißen), schlechter/unobjektiver als der vielgelobte Kai Pflaume kann eine Frau auch nicht moderieren. Und hab ich das vorhin richtig mitbekommen (hab nur kurz ins Ende reingeschaltet): im DSDS-Finale sind tatsächlich nur Männer? 4 Männer, soweit ich weiß alle Heteros (zwei davon afroamerikanisch, die Gruppe ist abgedeckt)? Wo bleibt da die Diversität? Ludi, Michelle und Pia-Sophie waren (was ich mitbekommen habe) auch fantastisch, aber in Casting-Shows fliegen bei Publikumsentscheid gerne ja als erstes und gehäuft Frauen raus. Das kann man nicht ändern? Alles andere aber schon/will man erzwingen? Da machen die Medien es sich zu leicht. Auch da haben sie eine Verantwortung. Die Gruppe (und das ist die Hälfte der Menschheit, über alle Hautfarben, Formen, Größen, etc. hinweg), die immer noch am meisten diskriminiert wird (und das nach Hexenverfolgung und Ehrenmorden etc.) sind und bleiben Frauen - da braucht man wegen anderer Sachen keinen Aufriss machen, hier ist Handlungsbedarf. Und wirklich besch...: die Stutenbissigkeit, die den Frauen immer wieder anerzogen werden soll, damit auch die Frauen selbst bei der Unterdrückung von Frauen schön mitmachen: dieser Verrat muss endlich aufhören!
      • am via tvforen.de

        Ich habe zwar gerade Lauras Fähigkeiten nicht vor Augen, was aber gerne übersehen wird: Wenn man talentlosen Frauen immer wieder Sendungen gibt, dann wird das nichts mit der Gleichberechtigung.
        • am via tvforen.de

          kleinbibo schrieb:
          -------------------------------------------------------
          > Ich habe zwar gerade Lauras Fähigkeiten nicht vor
          > Augen, was aber gerne übersehen wird: Wenn man
          > talentlosen Frauen immer wieder Sendungen gibt,
          > dann wird das nichts mit der Gleichberechtigung.

          Talentlosen Männern gibt man doch auch immer wieder Sendungen ohne das das männlichen Moderatoren allgemein schadet.

          Das ist alltäglicher Sexismus, wenn ein Mann etwas nicht kann ist er einfach nur ein Mann der etwas nicht kann, wenn eine Frau etwas nicht kann ist sie ganz schnell ein Beispiel das Frauen das vermutlich einfach nicht so gut können.

          Ausnahme sind Hebammen: Größtenteils ein Haufen schrecklich sexistischer Weiber, die glauben ihr Geschlecht gibt ihnen eine besondere Qualifikation gegenüber männlichen Geburtshelfern.
        • am via tvforen.de

          Sie hat das vor allem scherzhaft gemeint, am besten mal das Interview lesen...!

          Da wollte der Wunschliste-Autor wohl eine besonders reißerische Headline haben:-( Das Zitat aus dem Zusammenhang gerissen erweckt einen völlig falschen Eindruck.
        • am via tvforen.de

          DerKelte schrieb:
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          > Da wollte der Wunschliste-Autor wohl eine
          > besonders reißerische Headline haben:-(

          Selbiger Autor konnte auch nicht darauf verzichten, direkt auf den berühmten Papi zu verweisen.
          Es sind immer die gleichen gedankenlosen Reflexe, Schubladen und Klischees.
      • (geb. 1967) am

        Verstehe ich jetzt nicht mit der ARD. Das sind doch beides Sendungen von Ihr für zdf_neo! Was hat die ARD damit zu tun?

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