Hollywood-Update: Netflix hält Upfonts kurzfristig online ab, Regisseure verhandeln mit Produzenten

Autorenstreik hat Fernsehindustrie weiterhin im Griff

Bernd Krannich
Bernd Krannich – 11.05.2023, 15:23 Uhr

Hollywood-Update: Netflix hält Upfonts kurzfristig online ab, Regisseure verhandeln mit Produzenten – Autorenstreik hat Fernsehindustrie weiterhin im Griff – Bild: Netflix

Kurzfristige Änderung im Upfronts-Plan: Netflix hat angekündigt, seine Präsentation doch nicht als Präsenzveranstaltung abzuhalten, sondern digital.

Hintergrund ist der Streik der Drehbuchautoren, wobei deren Organisation Writers Guild of America angekündigt hatte, zu Protesten im Umfeld der Upfronts-Veranstaltungen aufzulaufen – auch, um die Mitglieder der befreundeten Schauspielergewerkschaft SAG-AFTRA unter Druck zu setzen, nicht an diesen Veranstaltungen teilzunehmen, da sie dann dazu die „Streiklinien“ durchbrechen müssten.

Die Polizei hatte daraufhin gegenüber Netflix darauf hingewiesen, dass die Sicherheit von Fußgängern im Umfeld des Veranstaltungsortes und bezüglich des dortigen Straßenverkehrs gefährdet sein könnte. Laut Deadline wird Netflix bei seiner Veranstaltung zudem auch keine Schauspieler einbinden.

Upfronts 2023

Die New York Upfronts sind eine traditionsreiche Veranstaltung, bei der die großen Fernsehsender den Werbekunden in New Yorks Madison Avenue jährlich ihr neues Herbstprogramm vorstellen – vor dem Hintergrund, dass die Werbeagenturen direkt anschließend schon mal einen Großteil der Werbezeiten upfront buchen (die die Agenturen dann zusammen mit ihren anderen Dienstleistungen an ihre eigenen Kunden weitergeben). Die Werbeindustrie erhält dabei einen „Mengenrabatt“ und die Sender sichern frühzeitig das Rückgrat ihrer Einnahmen – einige bewusst zurückgehaltene Werbezeiten werden später kurzfristiger auf dem sogenannten scatter market veräußert, wo das Spiel von Angebot und Nachfrage für stärkere Preisschwankungen sorgt.

Netflix bietet ja in den USA seit November auch ein Abo-Angebot mit Werbung an und hat sich daher 2023 erstmalig in die Veranstaltungsreihe eingeklinkt. Dabei nutzte man den Umstand, dass Paramount Global (mit Hauptsender CBS) in diesem Jahr keine einzelne, große Veranstaltung für alle Werbekunden machen wollte, sondern sich lieber direkter mit den einzelnen großen Werbeagenturen treffen will und dadurch deren traditioneller Platz in der Veranstaltungsreihe frei wurde. Das Herbstprogramm hatte CBS bereits gestern veröffentlicht (fernsehserien.de berichtete).

Die Upfronts-Termine im Jahr 2023:

  • Montag, 15. Mai: NBCUniversal (mit NBC, SYFY und Peacock)
  • Montag, 15. Mai: FOX
  • Dienstag, 16. Mai: The Walt Disney Company (mit ABC und erstmalig mit Disney+)
  • Mittwoch, 17. Mai: Warner Bros. Discovery (mit dem Streamingdienst Max)
  • Mittwoch, 17. Mai: Debütveranstaltung von Netflix
  • Donnerstag, 18. Mai: The CW (Pressekonferenz)

Streikupdates

Seit dem 2. Mai streiken die US-amerikanischen Drehbuchautoren des Verbandes WGA, nachdem Verhandlungen um einen neuen Tarifvertrag mit dem Autorenverband AMPTP deutlich gescheitert waren.

In den vergangenen Tagen hatte es größere Unstimmigkeiten in der Industrie gegeben, wie etwa Showrunner mit dem Streik umgehen sollen – ihr Job umfasst die kreative wie wirtschaftliche Leitung einer Serie, Showrunner sind gleichzeitig Produzenten und Autoren. Die Produzenten der AMPTP wollten, dass die Showrunner ihre „Nicht-Autoren-Aufgaben“ weiterhin wahrnehmen, während die WGA argumentiert, ein Showrunner würde immer auch kreative Entscheidungen treffen müssen, die dem Autorenberuf zugerechnet werden müssten.

Letztendlich haben sich die Showrunner wohl vollständig dazu entschieden, der Argumentation der WGA zu folgen. Im Gegenzug haben mehrere Medienunternehmen Produzenten mit „Rahmenverträgen“ in ihren Diensten darüber informiert, dass diese nun ausgesetzt würden. In der Filmindustrie erhalten erfolgreiche Produzenten „Rahmenverträge“, durch die sie für mehrere Jahre an ein Produktionsstudio gebunden sind. Sie betreiben über die so erzielten Einnahmen eigene Produktionsfirmen mit Angestellten, in denen Serienprojekte entwickelt werden, stehen ihrem Auftraggeber aber auch anderweitig zur Verfügung (etwa um jüngere Berufskollegen in das Metier als Showrunner einzuführen oder allgemein Serienproduktionen mit ihrer Erfahrung zu unterstützen). Bekannt wurde etwa dass „The Wire“-Schöpfer David Simon nach 25 Jahren in Diensten von (Vorläufern von) Warner Bros. Discovery nun über die Aussetzung seines Vertrags informiert wurde.

Tarifverhandlungen von DGA mit AMPTP

Wie geplant sind in Hollywood nun die Tarifverhandlungen zwischen dem Regisseur-Verband Directors Guild of America und der Alliance of Motion Picture and Television Producers (AMPTP) angelaufen. Der aktuelle Tarifvertrag zwischen den beiden läuft am 30. Juni aus. Die Verhandlungen zwischen DGA und AMPTP ruhen seit dem Scheitern am 1. Mai.

Bei den Autoren der WGA fürchtet man, dass die AMPTP bewusst etwaige Verhandlungserfolge mit der DGA dafür nutzen könnte, die WGA in der Öffentlichkeit als Bösewicht bei den gescheiterten Verhandlungen und dem folgenden Streik hinzustellen. Die Forderungen der WGA und DGA decken sich nur in Randgebieten.

Beiden geht es etwa darum, wegen der wegfallenden Einnahmen aus Wiederholungen im US-Fernsehen („Residuals“) an den Einnahmen aus dem Streaming beteiligt zu werden – auch an denen, die im Ausland erzielt werden. Dazu müssten die Streamingdienste jedoch Daten offenlegen, die sie bisher als Unternehmensgeheimnisse ansehen. Auch den Regisseuren geht es darum, Einnahmen für ihre Gewerkschaft, die Krankenversicherung und eine gewisse Altersversorgung sichern.

Dabei enden aber eben die Überschneidungen. Die Autoren haben in den vergangenen Jahren ein deutlich verändertes Arbeitsumfeld erhalten (kürzere Staffeln, längere Leerlaufzeiten, längere Zeiten zwischen dem Schreiben eines Drehbuchs durch einen Autoren und dessen filmerische Umsetzung), was deren Einnahmesituation deutlich verändert hat. Hingegen ist die Arbeit der Regisseure im Wesentlichen gleich geblieben.

Die DGA ist in Hollywood zudem dafür bekannt, nie wirklich in einen Streik getreten zu sein. Insofern ist es markant, dass sich die AMPTP die DGA als nächsten Gesprächspartner geladen hatte: Der Tarifvertrag der Schauspielergewerkschaft SAG-AFTRA läuft ebenfalls am 30. Juni aus, und mit der sind vermutlich keine leichten Verhandlungserfolge zu erwarten, die dann für die Auseinandersetzung mit der WGA publikumswirksam ausgeschlachtet werden könnten.

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am

    danke für den informativen Hintergrundbericht!

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