Ausschnitt aus dem „College Fieber“-Vorspann der dritten Staffel
Bild: Netflix/Screenshot
Anfang Februar brachte der Streamingdienst Netflix den Serienklassiker „College Fieber“ zurück auf die Bildschirme (fernsehserien.de berichtete). Das Spin-Off zur „Bill Cosby Show“ wurde zwischen 1987 und 1993 produziert und wurde in Deutschland zuletzt vor über 20 Jahren im Fernsehen ausgestrahlt. Zunächst bestand also unter Fans Grund zur Freude, doch diese wich schnell Enttäuschung und Unmut. Denn die Serie wurde nicht in ihrer ursprünglichen Form veröffentlicht. Stattdessen bekommen die Zuschauer nachbearbeitete Fassungen zu sehen, die eigentlich das Seherlebnis verbessern sollen – aber das Gegenteil bewirken.
Der Grund für das Drama lautet: Upscaling bzw. auf Deutsch: Hochskalierung. Mit Hilfe von KI (Künstlicher Intelligenz) werden ältere Sendungen, die damals noch in SD-Video-Qualität produziert wurden, künstlich auf das hochauflösende HD-Bild (High Definition) mit 1920×1080 Pixeln hochgerechnet. Inzwischen gibt es mehrere KI-gesteuerte Programme, die dafür eingesetzt werden, um aus SD-Ursprungsmaterial ein HD-Resultat zu zaubern. Viele Zuschauer haben sich nämlich in den vergangenen Jahren inzwischen an die hochauflösende Bildqualität gewöhnt und sind kaum noch bereit, sich minderwertige SD-Qualität auf ihren HD-Screens anzusehen. Die KI versucht beim Hochskalieren, fehlende Bildinformationen zu ergänzen. Das Problem dabei: Das Upscaling-Verfahren ist alles andere als ausgereift und gerät insbesondere bei unscharfen Bilddetails an seine Grenzen. Somit führen die Ergebnisse des Upscalings derzeit noch oft eher zu einer Verunstaltung als zu einer Verbesserung, insbesondere wenn das verwendete Ausgangsmaterial unzureichend ist. Im Fall von „College Fieber“ wurde offenbar ein altes Videoformat im Zeilensprungverfahren hochgerechnet – was ziemlich schiefging.
So wirken die Gesichter der Schauspieler auf unnatürliche Weise faltenlos und glattgebügelt – fast wie Avatare. Problematisch sind vor allem Szenen mit Menschen im Hintergrund. Die Darsteller wirken mit ihren matschigen Gesichtern dann teilweise wie eine Grusel-Freakshow. Die Gesichter verschwimmen zu einem geometrischen Brei.
Die matschigen Gesichter der Personen im Hintergrund sind das Ergebnis des KI-Upscalings. Netflix/ScreenshotNetflix/ScreenshotNicht mehr zu erkennen: Die Gesichter der Familie Huxtable auf dem Familienfoto. Netflix/Screenshot
Noch deutlicher wird das Problem des Upscalings, wenn im Hintergrund einer Szene unscharfe Beschriftungen zu sehen sind. Die Buchstaben verschwimmen regelrecht zu Hieroglyphen, was zu einem insgesamt unruhigen Bild führt.
Die KI hat hier schlichtweg Artefakte, die sie nicht eindeutig aus dem Ausgangsmaterial erkennen konnte, „auf gut Glück“ erraten und fehlerhafte Buchstabenfolgen generiert. Unscharfe Pixel eines mehr als 30 Jahre alten, mangelhaften Ursprungsmaterials lassen sich eben auch nicht per KI-Upscaling schärfen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist das Hochskalierungsverfahren leider oft nur gut gemeint, aber selten gut gemacht.
Was auf dem Plakat geschrieben steht, ist nicht mehr zu entziffern. Netflix/Screenshot
Noch dazu wurde das ursprüngliche 4:3-Originalbildformat in der künstlich generierten HD-Version in das 16:9-Seitenverhältnis transferiert, wodurch das Bild beschnitten wurde. Für deutsche Zuschauer kommt zu allem Überfluss noch hinzu, dass nicht auf die Original-Synchronfassung zurückgegriffen wurde, die Anfang der 1990er Jahre angefertigt wurde. Diese konnte – warum auch immer – nicht verwendet werden. Stattdessen ließ Netflix sämtliche sechs Staffeln komplett neu synchronisieren – diese ist aber zumindest auf herkömmlichem Weg entstanden und nicht durch den Einsatz von KI.
Der Streamingdienst Netflix hat sich bezüglich des KI-Upscalings bisher noch nicht geäußert. Auf der Webseite der verantwortlichen Produktionsfirma Carsey-Werner ist allerdings zu lesen, dass bereits auch „Die Bill Cosby Show“ in HD-Qualität restauriert wurde. Auch die Sitcom „Roseanne“ soll demnächst folgen.
Der Einsatz von KI in der Filmindustrie bleibt weiterhin stark umstritten. Letztes Jahr sorgten KI-genenierte Bilder in der Netflix-True-Crime-Doku „Jennifers Tat“ für Unmut. Ebenso geriet der Streamingdienst Anfang des Monats in die Kritik, weil in der Doku „American Murder: Gabby Petito“ generative KI eingesetzt wurde, um die Stimme der Social-Media-Influencerin Gabby Petito zu reproduzieren, die laut FBI 2021 von ihrem Verlobten ermordet wurde. Erst vor wenigen Wochen sorgte MagentaTV für Aufruhr, als dort die Serie „Murderesses“ veröffentlicht wurde, deren deutsche Synchronfassung mit Künstlicher Intelligenz erstellt wurde. Die Kritik an dem mangelhaften Ergebnis sorgte dafür, dass MagentaTV die Serie daraufhin offline nahm (fernsehserien.de berichtete). Doch der Einsatz von KI scheint unaufhaltsam zu sein: Prime Video hat jüngst ein Pilotprogramm zur KI-Synchronisation lizenzierter Filme und Serien angekündigt. Mit Hilfe von KI sollen Titel synchronisiert werden, für die in manchen Ländern und Regionen bisher keine Synchronfassung verfügbar ist.
Kommentare zu dieser Newsmeldung
Chan am
Das bei Gabby Petito wird hoffentlich nicht zum Standard. Eine Tote durch KI ihre eigenen Tagebucheinträge vorlesen zu lassen – übelst geschmacklos.
Phili (geb. 1975) am
Zuvor hatte allerdings bereits der tote Andy Warhol per KI auf Netflix aus seinen Tagebüchern vorgelesen. Ist also vielleicht schon Standard...
Tiuri7 (geb. 1976) am
Insbesondere bei Synchronisierungen würde ich mir einen vermehrten Einsatz von KI wünschen, vor allem wenn ikonische Sprecher das Zeitliche gesegnet haben. Die neuen Pumuckl-Folgen zeigen ja, wie gut das funktionieren kann. :)
User 1446213 am
Das Bildformat (4:3, 16:9 etc.) sollte in jedem Fall unberührt bleiben und dem Ursprungsmaterial entsprechen, sonst ist der Eingriff zu groß.
Auch die ÖR haben sich schon am KI-Einsatz versucht, hier der rbb bei "Liebling Kreuzberg". Die Optik ist halt recht glattgebügelt, was mancher TV-Zuschauer sogar schon ähnlich am Flachbild-TV (falsch) eingestellt hat.
Die Kanten wirken unnatürlich, kein Bildrauschen, Details sind teils seltsam usw. Es liegt nicht mal so sehr an der KI selbst, sondern an viel zu aggressiven Einstellungen in den Modellen. Weniger ist da manchmal viel, viel mehr.
Grundsätzlich wäre das ja kein Problem, wenn man bei solchen Sachen alternativ einfach auch die Originalversion zur Verfügung stellen würde. Wer dann bei sowas mit allen möglichen Nachteilen die auf 16:9 geschnittene KI-Version sehen will, soll es machen. Und der Rest kann dann einfach die 4:3-Version schauen, ohne die möglichen KI-Probleme. Kann man bei solchen Streamingdiensten doch effektiv dem Zuschauer selber überlassen.
Die grundsätzliche Frage lautet für mich eher: warum?
Die meisten Leute, die sich für die Serie interessieren, dürften ohnehin die sein, die sie noch von früher kennen. Und dann halt genau so sehen wollen wie sie ursprünglich war. Also ungeschnitten (Bildformat) und nicht gekürzt oder sonstwie verfremdet.
Ich dachte immer schon, es ist ein Verbrechen dass schwarz-weiss-Filme später nachträglich eingefärbt wurden. Aber gegen das, was hier gerade beschrieben wird, war das ja harmlos.
Hätte ich ein Netflix-Abo, würde ich es spätestens jetzt kündigen. Der Einsatz von KI in diesem Bereich sollte stärker reguliert, wenn nicht sogar verboten werden!
Helmprobst schrieb: ------------------------------------------------------- > Die grundsätzliche Frage lautet für mich eher: > warum? > > Die meisten Leute, die sich für die Serie > interessieren, dürften ohnehin die sein, die sie > noch von früher kennen. Und dann halt genau so > sehen wollen wie sie ursprünglich war. Also > ungeschnitten (Bildformat) und nicht gekürzt oder > sonstwie verfremdet.
Jene Leute haben aber meist inzwischen andere Fernseher als damals. Auf den Bildschirmen von früher machte sich die mickrige Bildqualität oft nicht so stark bemerkbar - bei den neuen Geräten hingegen schon. Die Leute wollen eher, dass sich dasselbe Gefühl von damals wieder einstellt. Dieses stellt sich aber nicht ein, wenn man jetzt sieht, wie matschig manches aussieht.
User 1446213 am
Ich nehme ein paar "Artefakte" im Hintergrund gerne in Kauf, wenn dadurch nicht das gesamte Bild verschwommen ist. Es sind unfassbar gute Verbesserungen in Sachen Bildschärfe und Bildqiederholungsrate (FPS) möglich. Wenn man einmal gesehen hat, was zb. aus Serien wie den Star Trek-Ablegern "Voyager" oder "Deep Space nine", welche nur in SD-Qualität vorhanden sind, durch KI herauszuholen ist, der möchte es wohl kaum noch in der alten Qualität "ertragen" müssen. Ich sage nur 4K mit 60FPS, als wäre es gestern gedreht worden, unglaublich scharf und brilliant. Eine glasklare Aufwertung durch KI. Es gibt diverse Kurzvideos auf Youtube, an denen man sich davon selbst überzeugen kann. Dabei sollte man sich, wenn man verschwommene Artefakte im Hintergrund beklagt, auch immer darüber bewusst machen, wie unscharf das Ausgangsmaterial wirklich im direkten Vergleich ist (zb. indem man mal einen Videorecorder an seinen 50Zoll-TV anschließt und so das Original-Material seiner alten Serie anschaut, in dem Wissen darüber, was KI daraus machen könnte..) Da sag ich nur viel Spaß gute Reise damit.. Also Leute, freut euch einfach über diese wirklich tolle Technologie, welche sich automatisch in Zukunft bessern wird, die ein faszinierendes Aufwertungspotenzial von veraltetem Bild- und Videomaterial bietet. Und ja die Technologie ist noch nicht ganz ausgereift aber irgendwann und irgendwie muss man ja mal anfangen damit dann die Industrie darauf anspringt und die entsprechenden Fortschritte und Verbesserungen an dieser Technologie gemacht werden können.
Stephan Zürich am
Das errinnert mich an den Hype als Avatar in 3d herausgekommen ist. Da haben auf einmal alle billig konventiert und alles lag im Nebel dadurch. Haben die Verantwortlichen es nicht vorgeprüft oder wollten Sie die Kunden einfach nur wieder mal melken.
Melchior am
Der Artikel ist etwas missverständlich. Die Neusynchro, die für Netflix erstellt wurde, ist keine KI-Synchro! Der Abschnitt erweckt auch ein bisschen den Eindruck, dass diese schlecht sei, was nicht der Fall ist.
Vielleicht könnten man den Artikel dahingehend überarbeiten.
eg87161979 (geb. 2003) am
ich meinte mit meinem Kommentar eigentlich den Abschnitt über MagentaTV und Amazon Prime und ihr Einsatz von KI
Hallo, danke für die Anmerkung. Eigentlich geht das aus dem Artikel hervor, aber um Missverständnissen vorzubeugen habe ich noch einen Nebensatz zur Klärung ergänzt.