Beine hoch!
Der Fernseher und sein lederner Gefährte
Jutta Zniva – 21.01.2006
Es sind die Amerikaner, die die Erfindung des gepolsterten Sitzmöbels mit der zurückklappbaren Lehne und der ausfahrbaren Fußstütze für sich beanspruchen: Im Jahr 1928 entwarfen die Cousins Edward Knabusch and Edwin Shoemaker eine neue Art von Sessel, der einer amerikanischen Vorliebe Rechnung tragen sollte: Zurücklehnen und Beine hochlagern. Die andere Art des Cowboysitzes, sozusagen.
„La-Z-Boy“ hieß das erste US-Modell. Es ist heute noch als Fernsehsessel im Handel und gilt als der Klassiker. Freilich nicht mehr – wie damals – aus Holz, sondern in der Luxusausführung: mit Heizung, integriertem Telefon, Fernbedienung und einem in die Armlehne eingebautem Kühlfach mit Platz für Bier. Exakt sechs Flaschen.
Über den österreichischen Fernsehsessel der 60er Jahre ist nur aus der Erinnerung zu erzählen: glänzendes Holzgestell, Cordbezug (weinrot), Nackenrolle, großzügige Sitztiefe, weich im Rücken- und Lendenbereich und ausschließlich vom Großvater besessen. Wie überhaupt weltweit der lederne Gefährte die Tradition eines reinen Männermöbels pflegt.
Heutzutage sagt man übrigens kaum noch Fernsehsessel. Sowohl Designer als auch Versandhäuser bevorzugen – wellnesskonform – Bezeichnungen wie „Relaxsessel“ oder „Massagesessel“ wegen der zusätzlichen Vibrationsfunktion. Der Mercedes unter den Sitzmöbeln für den zahlungsfreudigen Fernsehfreund ist derzeit der „Quest X3ME“. Er ist ans Heimkino anschließbar ist, hat integrierte Lautsprecher und rotiert für 5.299 Dollar sehr gerne auch auf Achsen. Erhältlich auch als „Loveseat“ (also für zwei). Kosten: 10.299 Dollar.