NDR Kultur – Das Journal Folge 8: Folge 8 (2017/2018)
Folge 8
Folge 8 (2017/2018)
Folge 8
„Männer für waghalsige Reise gesucht. Geringe Löhne, extreme Kälte. Monatelange völlige Dunkelheit. Permanente Gefahr, sichere Heimkehr ungewiss. Ehre und Ruhm im Falle eines Erfolgs.“ Mit dieser Anzeige wirbt der berühmte Polarforscher Ernest Shackleton 1914 um Teilnehmer für seine Expedition zur Antarktis. 27 Männer wählt Shackleton aus, die mit ihm den eisigen Kontinent durchqueren sollen. Die Expedition geht in die Geschichte ein – nicht wegen ihres Erfolgs, sondern wegen ihres Scheiterns. Während in Europa der Erste Weltkrieg tobt, geraten die Polarforscher völlig in Vergessenheit. Ihr Schiff, die „Endurance“, wird vom Packeis zermalmt. Monatelang warten sie in arktischer Nacht auf Hilfe und Rettung. Der verzweifelte Heroismus der Männer ist Legende, oft beschrieben und verfilmt. Jetzt hat Reinhold Messner, seit seiner ersten Antarktisdurchquerung 1989 von der Shackleton-Mission fasziniert, der Geschichte dieses grandiosen Scheiterns einen dokumentarischen Roman gewidmet: „Wild oder Der letzte Trip auf Erden“ (S. Fischer). An der Wand hingen aus Salzteig gebackene Runen, ihre ganze Kindheit hindurch trug sie Dirndl und geflochtene Zöpfe, Lieder lernte sie aus einem völkischen Liederbuch und vom Deutschlandlied wurden alle Strophen gesungen, der Holocaust geleugnet – Heidi Benneckenstein wuchs in einer Nazifamilie auf. Ihre Ferien verbrachte sie in Zeltlagern einer rechtsextremen, heute verbotenen Jugendorganisation, sie galt als „Vorzeigemädchen“ und machte Wahlkampf für die NPD. Bis sie als eine der ganz wenigen aus der Szene ausstieg. Es gab kein Schlüsselerlebnis, sondern einen schleichenden Prozess. Darüber hat sie jetzt ein Buch geschrieben: „Ein deutsches Mädchen“ (Klett-Cotta), ein erschütternder Insiderbericht aus einer Parallelwelt. Im Kulturjournal blickt Heidi Benneckenstein zurück – mit Beklemmung, fast Scham auf die Person, die sie einst war. Zudem ordnet Andrea Röpke, Kennerin der rechten Szene, die Geschichte von Heidi Benneckenstein ein. Als Musiker interessierte sich Daniel Hope schon immer für die Geschichten hinter den Klängen, die Biografien von Komponisten. Der Film „Der Klang des Lebens“ (Kinostart: 19. Oktober) erzählt nun die ungewöhnliche Geschichte seiner eigenen Familie. Hope, 1973 in Südafrika geboren, ist der Enkel deutscher Exilanten mit jüdischen Wurzeln, die vor den Nazis nach Südafrika flüchteten. Die Familie seines Vaters hat irische Wurzeln.
Hope erlebt als Kind die Apartheid, geht mit seinen Eltern nach London, wo seine Mutter per Zufall eine Anstellung bei dem weltberühmten Geiger Yehudi Menuhin bekommt. Menuhin wird Vorbild und später auch Mentor. „Der Klang des Lebens“ begleitet Daniel Hope durch das Jahr 2016, in dem er wieder nach Berlin zieht, ins Land seiner Vorfahren. Der Film von Regisseur Nahuel Lopez, eine Koproduktion mit NDR/ARTE, ist ein vielschichtiges Portrait des charismatischen Musikers. Mit seinem „Die Vermessung der Welt“ hatte Daniel Kehlmann vor gut zehn Jahren einen sensationellen Erfolg. Der Roman über den Mathematiker Carl Friedrich Gauß und den Naturforscher Alexander von Humboldt machte ihn zum Literatur-Star. Jetzt widmet sich Kehlmann in seinem Buch wieder einer historischen Figur, und die Kritiker sind begeistert. In „Tyll“ (Rowohlt Verlag) erzählt er vom legendären Schalk Till Eulenspiegel aus dem 14. Jahrhundert, der in der Nähe von Braunschweig geboren und in Mölln gestorben sein soll. Doch Kehlmann versetzt den Gaukler, der bei ihm nach alter Schreibweise Tyll Ulenspiegel heißt, in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges: Ein faszinierendes Panorama einer grausamen Zeit, ein Buch über Kriegsschrecken, Aberglaube und Religion, Machtspiele und dem Drang nach Wissen. Kehlmann erzählt kenntnisreich und sprachlich virtuos, sein Roman ist ein wunderbares Lesevergnügen, unser „NDR Buch des Monats“. Daniel Kehlmann stellt „Tyll“ auch in Norddeutschland vor: Am 16.10. Lüneburg, 17.10. Hamburg, Christian – herausragend gespielt vom Dänen Claes Bang – ist Kurator eines bedeutenden Museums für moderne Kunst: einflussreich, wohlhabend, gutaussehend, gebildet, sozial eingestellt. Seine Ausstellung von „The Square“ – einem simplen, auf den Boden gezeichneten Quadrat – soll die Kunst im Museum mit dem echten Leben draußen verbinden, Sinn für gesellschaftliche Verantwortung stiften, das schwindende Vertrauen in die Gemeinschaft hinterfragen. Doch als Christian Handy und Brieftasche gestohlen werden, ist es mit seinem hehren künstlerischen Anspruch und der politischen Korrektheit schnell vorbei. Als er sein Eigentum mit einem Drohbrief wiederbekommen will und ein spektakulär widerwärtiges Video zu seiner Ausstellung das ganze Land empört, gerät sein Leben aus den Fugen. Regisseur Ruben Östlund ist mit dem Film „The Square“ eine grandiose Gesellschaftssatire gelungen, sie ist das Abschluss-Highlight auf dem Hamburger Filmfest und kommt am 19. Oktober in die deutschen Kinos. (Text: NDR)