NDR Kultur – Das Journal Folge 28: Folge 28 (2016/2017)
Folge 28
Folge 28 (2016/2017)
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Die Rückkehr des bösen Wolfes: Kulturgeschichte einer jahrhundertealten Angst Lange galt der Wolf hierzulande als ausgestorben, doch schon seit einer Weile ist er zurück im Norden. Während Tierschützer über die Rückkehr des streng geschützten Wildtiers frohlocken, treibt seine Präsenz den Landwirten Sorgenfalten auf die Stirn. Denn: Der Wolf reißt ihre Tiere, Dutzende Schafe und Rinder sind dem Raubtier hierzulande schon zum Opfer gefallen. All die Meldungen von Wolfsrissen untermauern den Mythos des bösen Isegrims. Autorin Petra Ahne hat über die jahrhundertealte Angst vor dem Wolf geschrieben: „Wölfe“ (Matthes & Seitz Berlin). Darin geht es auch um die Frage, wie viel Natur der Mensch heute noch erträgt. Kluger Streifzug ins Milieu: Nora Bossong erkundet in „Rotlicht“ die männliche Lust Ein Jahr lang hat Nora Bossong Orte erkundet, die meist nur dem männlichen Blick vorbehalten sind: Bars mit Tabledance, Sexkinos. Sie war in Stundenhotels und Laufhäusern, in denen Frauen „Sexarbeiterinnen“ und ausschließlich Dienstleistende sind, hat sich in Swinger- und Saunaclubs umgeschaut, eine Erotikmesse besucht. Ihre teilnehmende Beobachtung hat sie nun in einem klugen Reportageband zusammengefasst: „Rotlicht“ (Hanser). Darin reflektiert Bossong nicht nur die jeweiligen Situationen, männliche (und weibliche) Sexualität, sondern beschreibt eine klare Machtstruktur, nicht nur im Rotlichtmilieu. Das „Kulturjournal“ ist mit Nora Bossong auf der Reeperbahn unterwegs und lässt sich von ihr das rein kommerzielle Geschäft mit Sexualität erklären und was das mit dem gesamtgesellschaftlichen Miteinander der Geschlechter zu tun hat. Wenn der Vater eine Thailänderin liebt: der Dokumentarfilm „Happy“ Es wäre vermutlich für viele Töchter ein Schock: Nach der Trennung der Eltern findet der Vater eine neue Freundin, eine Thailänderin, die genauso alt ist wie die Tochter selbst. Der Hamburger Regisseurin Carolin Genreith ist genau das passiert. Auch sie reagierte ablehnend und hatte viele Fragen: Ist ihr Vater etwa ein Sextourist? Geht es der Frau aus Thailand nur ums Geld oder tatsächlich um Liebe? Wie sieht das zukünftige Familienleben aus? Doch dann versucht sie, ihren Vater und seine neue Liebe zu verstehen. Carolin Genreiths Dokumentarfilm „Happy“
(Kinostart: 16. März) zeigt Vater und Tochter bei gemeinsamen Diskussionen und begleitet sie auf eine Reise nach Thailand, wo Carolin Genreith ihre zukünftige Stiefmutter Tukta kennenlernt. Ein sehr persönlicher und gelungener Einblick in eine ungewöhnliche Familie. Singen gegen das Leid: die Sängerin Dima Orsho beim Festival Salam Syria in der Elbphilharmonie Was als kurzer Studienaufenthalt gedacht war, wurde über Nacht zum Exil. Die syrische Sängerin Dima Orsho studierte am Konservatorium in Boston, als aus den friedlichen Demonstrationen in Syrien Krieg wurde. Und sie wusste, dass in dem „Moment, als das Töten begann, das so schnell nicht enden“ wird. Seitdem lebt sie in den USA, hat eine Greencard und kann deshalb reisen. Sie ist eine gefragte Solistin, hat jüngst für ihre Mitwirkung an der CD „Sing Me Home“ von Yo-Yo Mas & Silk Road Ensemble den Grammy gewonnen. Jetzt ist sie zu Gast bei dem Festival Salam Syria in der Elbphilharmonie (16. bis 18. März). Im „Kulturjournal“ spricht Dima Orsho über ihre musikalische Heimat zwischen Orient und Okzident und die Einsamkeit des Exils. Menschlichkeit inmitten der Barbarei: der Film „Die letzten Männer von Aleppo“ Als die Bomben fielen, Menschen verschüttet wurden, riskierten Freiwillige ihr Leben, um andere zu retten: die „Weißhelme“ im syrischen Aleppo. Die „Weißhelme“, auch Syria Civil Defence genannt, sind ganz normale Leute, zum Beispiel Bäcker, Taxifahrer oder Lehrer. 2016 haben sie für ihren Einsatz den Alternativen Nobelpreis bekommen. Für den Dokumentarfilm „Die letzten Männer von Aleppo“ (Kinostart: 16. März) hat Regisseur Feras Fayyad die Arbeit der freiwilligen Helfer zwei Jahre lang begleitet. Er zeigt sie bei ihrem Einsatz gegen die täglichen Bedrohungen in den zerstörten Straßen, aber auch beim Kampf gegen die eigenen Ängste. Der Film zeigt ein Stück Menschlichkeit und Hoffnung im Krisengebiet. „wahr. schön. gut“: Julia Westlake kommentiert die Kulturwoche Julia Westlake kämpft sich durch die High- und Lowlights der Kulturwoche. Welches Theater muss sich nun schon wieder kaputt sparen? Welchen Kinofilm darf man auf keinen Fall sehen? Und welche Ausstellung sollte man auf jeden Fall verpassen? Mini-Verrisse über skurrile Abgründe der menschlichen Schaffenskraft, Julia Westlake sucht das Wahre, Schöne, Gute und findet oft das Gegenteil. (Text: NDR)