Folge 184

  • Folge 184

    30 Min.
    Annie Ernaux: Ein literarisches Ereignis:
    Sie sind schmal, dicht und ungeheuer: Die Romane der Französin Annie Ernaux kehren ein Leben ins Außen, es ist ihres. Seit 1974 schreibt sich die mittlerweile 81-Jährige in ihre eigene Biografie. Sie konstruiere keine Romanfiguren, sondern dekonstruiere das Mädchen, das sie gewesen sei, sagte sie einmal. Unter der Hand gelingt ihr damit die Beschreibung einer Epoche.
    Für dieses Schreiben, das oftmals mit dem Marcel Prousts verglichen wird und das die Grenzen von Scham, Moral, Norm negiert, das trotzdem niemals bewertet hat sie gerade einen weiteren Preis bekommen: den mit 25.000 Euro dotierten Würth-Preis für Europäische Literatur. Gewürdigt wird damit zudem ein Schreiben, das den unsichtbaren Klassismus in unserer Gesellschaft offenlegt und die staatlichen Repressalien gegenüber Frauen, die sich nicht in ihre zugeteilten Plätze fügen.
    Annie Ernaux wächst in kleinen Verhältnissen in der Normandie auf, arbeitet als Lehrerin, bis sie mit dem Projekt ihrer eigenen Ethnologie beginnt. In Büchern wie „Die Jahre“ oder „Die Scham“ begeistert sie mit der Verquickung einer distanzierten Erzählpersönlichkeit und dem kollektiven Erleben. Ihr Roman „Das Ereignis“ ist gerade verfilmt worden. Die Geschichte einer jungen Literaturstudentin, die 1963 schwanger wird und eine ebenso illegale wie traumatische Abtreibung hinter sich bringen muss.
    Im Gespräch mit Denis Scheck spricht Annie Ernaux über ihr feministisches Schreiben und wie sie als literarische Soziologin agiert.
    Annie Ernaux: „Die Scham“, „Das Ereignis“, „Erinnerung eines Mädchens“ u. v. m. übersetzt von Sonja Finck
    Fatma Aydemir: Die Geister, die man rief:
    Anhand mehrerer Generationen der Familie Yilmaz führt Fatma Aydemir in die Seele von Arbeitsmigranten im „kalten, herzlosen“ Deutschland, zu den Geistern der Vergangenheit und Gegenwart und in den Gendertrouble vor über 20 Jahren.
    Ein Dschinn ist ein Geist, aber er kann Dämon oder Schutzgottheit gleichermaßen sein. In Fatma Aydemirs Buch sind gleich mehrere körperlose Wesen unterwegs, die für das stehen, was nicht
    gesagt, nicht kommuniziert wird. Sechs Kapitel führen zu den persönlichen Dschinns der Familie Yilmaz, die in Istanbul zusammenkommt, weil der Vater dort einem Herzinfarkt erliegt. Fast dreißig Jahre lang hat er auf eine Wohnung in seiner Sehnsuchtsstadt hingearbeitet, hat seinen Körper im Ruhrgebiet zerschlissen, aber die neue Heimat, die er seiner Familie damit bereiten will kann er nicht mal einen Tag lang genießen.
    Zur Beerdigung trifft man sich im heißen Istanbuler August. Zwei Söhne und zwei Töchter und auch seine Frau Emine, denen jeweils ein Kapitel gewidmet ist, tragen ihre eigenen Päckchen: Frausein in einer patriarchalischen Gesellschaft, Junge sein in einem heteronormen Umfeld, Studentin sein mit bildungsfernem Hintergrund … alle diese Konflikte kommen mit eigenen Stimmen und eigener Musikalität zur Sprache. „Dschinns“ ist Fatma Aydemirs zweiter Roman nach ihrem preisgekrönten Debüt „Ellbogen“. Die Zeit zum Schreiben muss sich die 1987 in Karlsruhe geborene Aydemir neben ihrem Job als Journalistin und Kolumnistin nehmen.
    Ihre literarischen Themen nimmt sie aus der eigenen Biografie: Ihre Großeltern sind als Arbeitsmigranten aus der Türkei nach Deutschland gekommen, als Fatma Aydemirs Eltern Teenager waren. Für die genaue Schilderung der Befindlichkeiten hat die Autorin viele Gespräche während des Schreibprozesses geführt. Im Gespräch mit Denis Scheck erzählt sie über die Entstehung dieses Familienromans, der genauso sanft wie wütend, genauso aktuell wie zeitlos ist und eine große Leseempfehlung dieses Frühjahrs.
    Fatma Aydemir: Dschinns
    Empfehlung Denis Scheck: Lucy Fricke: Die Diplomatin:
    Eine Selfmade-Frau wird in eine blutige Entführung verwickelt und in diktatorische Machenschaften in der Türkei … Lucy Fricke gelingt das Kunststück, einen höchst spannenden, unterhaltsamen und humorvollen politischen Roman aus der Welt der Diplomatie zu schreiben, deren Regel Nummer eins lautet: „Lächeln, lügen, Lachs fressen“. Ein Buch, dem die Quadratur des Kreises gelingt.
    Und wie immer: Denis Schecks pointierte Revue der Spiegel-Bestsellerliste, diesmal Belletristik, musikalisch eingeläutet von dem renommiertesten deutschen Bariton Christian Gerhaher! (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 22.05.2022Das Erste

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