2015/2016, Folge 115–124

  • 30 Min.
    Denis Scheck empfiehlt: Michael Fehr Im September empfiehlt Denis Scheck ein Buch, das er sofort in den Kreis der Weltliteratur aufnehmen würde: „Simeliberg“ ein Krimi, mit radikaler Sprache und radikaler Weltsicht. In dem Krimi hat der 1982 geborene Autor Michael Fehr das Märchen von Gier und Geld in unsere Gegenwart übersetzt. Rafik Schami „Sophia oder der Anfang aller Geschichten“ Die Top Ten Denis Schecks Kommentar zur aktuellen Spiegel-Bestsellerliste Sachbuch Helen Macdonald: „H wie Habicht“ In England ist „H wie Habicht“ schon ein Bestseller. Jetzt gibt es das Buch auch auf Deutsch. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereSo 06.09.2015Das Erste
  • 30 Min.
    Salman Rushdie: „Zwei Jahre, acht Monate und achtundzwanzig Nächte“ „Zwei Jahre, acht Monate und achtundzwanzig Nächte“ – zusammengerechnet ergibt das genau Tausend und eine Nacht. Und gleich denkt man an Flaschengeister, verführerische Frauen und die schillernde Welt orientalischer Erzählkunst, wie sie Salman Rushdie schon in seinem ersten Bestseller „Die Mitternachtskinder“ aufblitzen ließ. Magisch-realistische Erzählfäden verwebt der in Bombay geborene Schriftsteller geschickt mit Motiven aus der Hollywood-Ikonografie seines amerikanischen Exils, aus der Fantasy- und Comicwelt, im ewigen Kampf des Guten mit dem Bösen.
    Mit einem guten Ende: Die terroristischen Geister, die man rief, werden zurück in die Flasche verbannt. „Madame Bovary ist auch nicht viel realistischer als ein Fliegender Teppich,“ sagt Salman Rushdie, „und wenn er etwas von Märchenerzählern gelernt habe, dann sicher das.“ Denis Scheck hat den Booker-Preisträger in New York getroffen, um mit ihm über die Welt am Abgrund und verblüffende Erzählstrategien in seinem neuen Roman zu sprechen.
    Jenny Erpenbeck: „Gehen, ging, gegangen“ Ein Professor im Ruhestand, ein Altphilologe, mischt sich unter die afrikanischen Flüchtlinge, die sich auf dem Oranienplatz in Kreuzberg im Hungerstreik befinden. Er erhält Einblick in ihren Alltag, hört ihnen zu, notiert ihre Geschichten. Schließlich nimmt er einige bei sich auf, versucht damit nicht nur ihnen zu helfen, sondern auch sich selbst. Denn auch sein Leben ist aus der Bahn geraten ist. Jenny Erpenbeck erzählt von ihren eigenen Recherchen durch das Prisma ihres Protagonisten, dabei gelingen ihr empathische Inneneinblicke in die wirklichen Probleme der Flüchtlinge, die einem zuvor nicht bewusst waren. In den dokumentarisch gehaltenen Gesprächsnotizen des Rentners mit den Asylbewerbern gelingen ihr die eindrücklichsten Passagen. In der ganzen Flüchtlingsdebatte verliert sich oft der Blick auf den einzelnen Menschen – dagegen setzt Jenny Erpenbeck ihren Roman. Denis Scheck hat mit ihr in Berlin gesprochen.
    Denis Scheck empfiehlt „S“ von J.J. Abrams und Doug Dorst Denis Scheck stellt den Roman „S“ von J.J. Abrams und Doug Dorst vor, der vom „New Yorker“ als eines der schönsten Bücher des Jahres empfohlen wurde. Ein raffiniert verschachtelter Roman, in dem zwei Studenten einem unter Pseudonym schreibenden Autoren auf der Spur sind, dessen Roman „Das Schiff des Theseus“ von einem unbekannten Übersetzer herausgegeben wurde. In den Fußnoten entdecken die beiden einen geheimnisvollen Code. Und sie geraten dadurch in Gefahr. Und wie immer: die Top Ten Denis Schecks’ Rezension der aktuellen Spiegel-Bestsellerliste. Diesmal Belletristik. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 04.10.2015Das Erste
  • 30 Min.
    Jonathan Franzen beklagt das Auseinanderbrechen familiärer Bindungen und beschwört die Gefahren des Internets: „Unschuld“ (Rowohlt): Familiengeheimnisse und sexuelle Obsessionen, Geschäftspraktiken von Großkonzernen und die Gefahren des Internets – Jonathan Franzen verwebt in seinem neuen Roman „Unschuld“ Selbstfindungsgeschichten Heranwachsender mit den aktuellen gesellschaftlichen Fragen Amerikas. Schuldig werden sie fast alle in diesem neuen Roman von Jonathan Franzen: Mütter, die ihre Kinder mit dem eigenen Schicksal beladen, abwesende Väter, Unternehmer, die mit Massentierhaltung ein Vermögen machen, eigennützige Whistleblower und Internetkonzerne, die mit ihrer digitalen Daten-Sammelwut alle bedrohen. „Unschuld“ nimmt den maroden Zustand unserer Zeit ins Visier und öffnet ein kleines Fenster für eine verheißungsvolle Zukunft: Es gibt eine unbestechliche Jugend, die zeigt, dass man trotz aller Verlockungen und Herausforderungen dieser Welt das Gute im Menschen bewahren kann.
    Überwachung, Isolation und Folter – Ilija Trojanow setzt den Dissidenten der ehemaligen Volksrepublik Bulgarien ein literarisches Denkmal: „Macht und Widerstand“ (S.Fischer): Es ist die Zeit der gesellschaftlichen und politischen Umbrüche: Der Zweite Weltkrieg ist zu Ende, weite Teile Osteuropas geraten unter eine kommunistische Gewaltherrschaft. Auch Bulgarien stürzt ins Chaos: Macht und Willkür auf der einen, Protest und Widerstand auf der anderen Seite. Der gebürtige Bulgare Ilija Trojanow schildert, wie in einer Spitzelgesellschaft alle zwischenmenschlichen Beziehungen kontaminiert werden und ein ganzes Land auseinanderbricht.
    Zwischen 1945 und 1989 haben – so Trojanow – rund 3 Millionen Denunzianten ihre Mitmenschen systematisch verfolgt, ausspioniert und verraten. Die vom Autor über Jahre hinweg gesammelten Aufzeichnungen seiner Gespräche mit Zeitzeugen, sowie authentische Abhörprotokolle und Denunziationsschreiben verdichten sich zu einem politischen Roman über einen traurigen Abschnitt in der Geschichte Bulgariens. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 01.11.2015Das Erste
  • 30 Min.
    Druckfrisch – Neue Bücher mit Denis Scheck. Am Sonntag, 29. November 2015, um 0:20 Uhr über frustrierte Sales Manager und Gewalt im alten Rom
    In der nächsten Ausgabe von „Druckfrisch“ am Sonntag, 29. November 2015, um 0:20 Uhr im Ersten trifft Denis Scheck Ulrich Peltzer, geboren 1956 in Krefeld, dessen Romane u.a. mit dem Berliner Literaturpreis und dem Heinrich-Böll-Preis ausgezeichnet wurden. Sein neuestes Buch handelt von einer Zukunft, die schon vorbei ist. Über Mord und Totschlag im alten Rom spricht Denis Scheck mit Robert Harris, geboren 1957 in Nottingham, der einst Reporter bei der BBC und Kolumnist bei der „Sunday Times“ war und dessen historische Thriller meist zu internationalen Bestsellern avancieren.
    Ulrich Peltzer: Das bessere Leben Geld regiert die Welt, das haben wir gelernt. Aber wie geht das eigentlich genau? Wenn nicht einmal mehr Wallstreet-Banker durchschauen, mit welchen obskuren Derivaten sie gerade ihre Milliardenpleiten hinlegen? Und wenn man nicht mehr Teil einer Familie, einer Stadt, einer Gesellschaft ist, sondern nur noch einer Wertschöpfungskette? Wie lebt man in solch völlig fremdbestimmten Verhältnissen? Ganz einfach: Wir müssen uns das Leben von Jochen Brockmann ansehen. Der Mann haust in wechselnden Hotels, hatte mal Ideale und ist jetzt ein ziemlich frustrierter Sales Manager, was nichts anderes heißt, als dass sein Leben sich ausschließlich in finanziellen Einheiten bemisst.
    Es ist die ernüchternd akribische, komplett desillusionierte Beschreibung des Lebens in der modernen westlichen Welt, die Ulrich Peltzer vornimmt. Die Stärke dieses Romans ist es, trotz der düsteren Analyse unserer Gegenwart ein romantisches Gefühl zu erzeugen, eine Ahnung davon, wie das Leben einmal war, wie es sein könnte – oder wie es eigentlich sein sollte. Robert Harris: Dictator Wer etwas über Macht und Gewalt erfahren will und darüber, wie simpel und brutal Politik manchmal funktioniert, der braucht gelegentlich auch einigen Abstand zu seinem Gegenstand.
    Die Distanz von England nach Italien zum Beispiel. Und die Zeit von gut 2000 Jahren. Robert Harris nimmt sich in seinem neuen Roman eine Schlüsselstelle in der Geschichte der Antike vor: die Auseinandersetzung zwischen Marcus Tullius Cicero, dem größten Redner seiner Zeit, und Gaius Julius Caesar, dem mächtigsten Feldherrn Roms, 60 Jahre vor Christi Geburt. Cicero, vor kurzem noch Konsul, muss bei Nacht und Nebel aus Rom flüchten, um Verurteilung und Verbannung zu entkommen.
    Caesar unterwirft gerade Gallien, plant aber schon aus der Ferne die Alleinherrschaft über das Römische Reich. Harris schildert die Verhältnisse dieser Zeit derart präzis und anschaulich, dass sich die Leser als Zeugen fühlen können. Geschichte wird zur Gegenwart. Außerdem, wie immer, Denis Schecks Kommentar zu den Büchern auf der aktuellen „Spiegel“-Bestsellerliste (diesmal: Belletristik), ein Überraschungsgast, der bücherschreibende Musiker Thees Uhlmann („Tomte“), und eine ganz persönliche Empfehlung: Neil Gaimans „American God“. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 29.11.2015Das Erste
  • 30 Min.
    In der nächsten Ausgabe von „Druckfrisch“ trifft Denis Scheck den britischen Schriftsteller Martin Amis, der in seinem neuen KZ-Roman „Interessengebiet“ einen provozierenden Perspektivwechsel vollzieht. Und er trifft Nora Gomringer, die für ihre fulminanten Sprachspiele schon mit vielen Auszeichnungen geehrt wurde, zuletzt in diesem Jahr mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis. Martin Amis: Interessengebiet Noch ein Roman über den Holocaust? Ja, aber einer, wie wir ihn noch nicht gelesen haben. Vor dem Hintergrund der Judenvernichtung in einem Konzentrationslager erzählt Martin Amis eine seltsame Liebesgeschichte. Ein großer blonder Obersturmführer will sich die Frau des KZ-Kommandanten angeln, der sich seinerseits viel zu sensibel und kultiviert fühlt für das tägliche Morden.
    Grundsätzliche Zweifel haben sie aber alle nicht, die Täter in diesem Roman: Die Nazi-Ideologie ist der Horizont ihrer Welt; jenseits davon gibt es nichts. Und wie innerhalb dieses Horizonts die Figuren denken und handeln, das liest sich dann erst recht verstörend. Martin Amis ist mit diesem provozierenden Perspektivwechsel sein bisher bester Roman gelungen. Nora Gomringer: ach du je Schriftstellerin? Das wäre zu einfach. Nora Gomringer muss man nicht nur lesen, man muss sie erleben. Die Lyrikerin, Erzählerin und Essayistin ist erst dann ganz in ihrem Element, wenn sie ihre Texte vorträgt.
    Die Poetry-Slam-Szene in Deutschland hat sie wesentlich mitgeprägt. Ihr lust- und humorvoller Umgang mit der Sprache wechselt mühelos zwischen Tiefgang und Comic. „Laut! Lesen!“ heißt ein neueres Gedicht von ihr. Klarer geht es nicht. Denis Scheck empfiehlt: „Was blüht denn da?“. Ein Klassiker – unentbehrlich für alle, die nicht blind durch die Natur stolpern wollen, beim Sonntagsspaziergang oder „Guerilla Gardening“. Dazu wie immer im Parforceritt: die meistverkauften Bücher der Deutschen und was von ihnen zu halten ist. Denis Scheck kommentiert die aktuelle „Spiegel“-Bestsellerliste (diesmal: Sachbücher). (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 20.12.2015Das Erste
  • 30 Min.
    Denis Scheck spricht mit dem Österreicher Michael Köhlmeier über den Roman „Das Mädchen mit dem Fingerhut“ und mit dem US-Amerikaner Richard Price über seinen Manhattan-Krimi „Die Unantastbaren“. Michael Köhlmeier: Das Mädchen mit dem Fingerhut Ein Flüchtlingsmädchen? Ein Wolfskind? Niemand weiß, woher das Mädchen kommt, das sich Yiza nennt. Plötzlich ist sie da, ein „Onkel“ hat irgendwo abgesetzt. Sie muss ins Heim, haut ab und streunt mit zwei Jungs durch die Vorstädte. Nur einer der Jungen versteht ihre Sprache.
    Und wenn das Wort „Polizei“ fällt, hat man ihr gesagt, dann soll sie laut schreien. Ein Geheimnis umgibt dieses „Mädchen mit dem Fingerhut“, das Michael Köhlmeier bis zuletzt nicht lüftet. Sein neuer Roman hat märchenhafte Züge und ist zugleich eine bittere Geschichte vom kindlichen Elend mitten in einer satten Wohlstandsgesellschaft. Richard Price: Die Unantastbaren „Er war zwar erst 42, aber sein Knitterzellophanblick gepaart mit einer exquisiten Schlaflosenpose hatte ihm schon mal eine Seniorenermäßigung fürs Kino eingebracht.“ Zimperlich ist Richard Price nie, auch nicht mit seinen Helden.
    Billy Graves, Nachtschichtleiter bei der New Yorker Polizei, hat seine wilden Jahre hinter sich. Er trifft sich mit Kollegen von früher – und sie alle haben noch Rechnungen offen: entkommene Gangster, ungesühnte Verbrechen, unerledigte Fälle. Die Dämonen der Vergangenheit holen Billy ein. Ein Stalker bedroht seine Familie, sein Vater wird entführt – und er muss sich erneut fragen, wo die Grenze zwischen Recht und Selbstjustiz verläuft.
    Richard Price, immer noch einer der besten amerikanischen Krimi-Autoren, hat – nach Drehbüchern und Kinovorlagen – wieder einen furiosen, atemlosen Roman geschrieben. Zudem empfiehlt Denis Scheck: Rudyard Kiplings „Das Dschungelbuch“, neu übersetzt von Andreas Nohl. Dazu wie immer im Schnelldurchgang: die meistverkauften Bücher und was von ihnen zu halten ist. Denis Scheck kommentiert die aktuelle „Spiegel“-Bestsellerliste (diesmal: Belletristik). (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 24.01.2016Das Erste
  • 30 Min.
    Thea Dorn: Die Unglückseligen (Knaus) Alter, Vergänglichkeit und Tod – muss das sein? Warum können wir nicht ewig leben? Thea Dorn setzt in ihrem neuen Roman eine Molekularbiologin an ein zentrales Thema, an dem die besten Köpfe in der Spitzenforschung bislang gescheitert sind: Unsterblichkeit! Warum ist das menschliche Leben spätestens mit 120 zu Ende? Die Wissenschaftlerin Johanna Mawet ist bereit, sich mit Tod und Teufel einzulassen, um diese Grenze überschreiten zu können. Thea Dorn führt die Lesenden mit sicherer Hand nicht nur durch die unüberschaubaren Wirren der Molekularbiologie und Physik, sondern auch der Geschichte, der Literatur und der Philosophie.
    Abbas Khider: „Ohrfeige“ (Hanser) Über den Verlust von Heimat, ein Leben in der Fremde, Ausländerparagraphen und Behördenwillkür. In „Ohrfeige“ erzählt Abbas Khider gleichzeitig ernüchternd und humorvoll vom alltäglichen Wahnsinn in deutschen Asylbewerberheimen. Sein Romanheld Karim Mensy landet nach einer lebensgefährlichen Flucht aus dem Irak nicht im ersehnten Frankreich, sondern in der bayerischen Provinz.
    Die deutsche Bürokratie macht ihm das Leben zur Hölle. In verschiedenen Asylantenheimen erlebt er Apathie, Aggression, Kriminalität. Und schließlich wird sein Asylantrag nach 3jähriger Wartezeit wegen der Vertreibung des irakischen Diktators Saddam Husseins abgelehnt: „Alles, was ich erreicht habe, ist ein gigantisches Nichts. Der einzige, der sich freut, ist mein Schlepper Abu Salwan“. Als Druckfrisch-Stargast empfiehlt der Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk, derzeit auf Lesereise mit seinem neuen Roman „Diese Fremdheit in mir“ (Hanser), sein Lieblingsbuch: Die große, doch unglückliche Liebesgeschichte „Anna Karenina“ von Leo Tolstoi aus dem Jahre 1877/​78 Denis Schecks persönliche Empfehlung in dieser Woche: Die Lebenserinnerungen des 1829 in der Eifel geborenen deutschen radikaldemokratischen Revolutionärs Carl Schurz, der als Senator in den USA eine grandiose politische Karriere gemacht hat.
    (2 Bände im Wallstein Verlag) Und wie immer der verlässlich kritische Kommentar Denis Schecks zur aktuellen Spiegel-Bestsellerliste ‚Sachbuch‘. (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 21.02.2016Das Erste
  • 30 Min.
    * Alkohol, Sex und Verbrechen: Heinz Strunk trinkt mit Fritz Honka im „Goldenen Handschuh“ (Heinz Strunk: Der goldene Handschuh) Dies ist nun wirklich kein lustiges Buch. Es ist die Geschichte eines Frauenmörders, eines geprügelten, alkoholkranken, verwahrlosten Mannes, der seine Nächte in einer Hamburger Säuferkneipe zubringt, in Gesellschaft von Luden, Kleinkriminellen und Gelegenheitsprostituierten, und der in den Winkeln einer stinkenden Wohnung die Reste seiner Opfer aufbewahrt. Es ist die Geschichte von Fritz Honka. Und diese Geschichte ist wahr.
    Fritz Honka gab es wirklich, er brachte Anfang der 70er-Jahre in Hamburg-Altona vier Frauen um, und Heinz Strunk hat sein trauriges Leben aufgeschrieben. „Die Frau, die reinkommt, zittert vor Kälte und ist ziemlich klein. Wie dreckiger Rasierschaum ergießt sich graues, dünnes Haar über die Rückseite ihres eulenartigen Schädels. Die Kopfhaut ist an mehreren Stellen kahl. Sie steht da wie abgeschaltet, den Blick ins Leere gerichtet, vereist und ausdruckslos. Sie könnte fünfzig sein oder siebzig. Wie Soldaten-Norbert hat sie auch diesen eigentümlichen Gesichtsausdruck der Kriegsgeneration: uralt.
    Ein unbestimmbares, vorsintflutliches Alter. ( …) Man vermag sich schon nicht mehr vorzustellen, wie die früher mal ausgesehen hat, als Frau.“ Heinz Strunk hat Honkas Leben gründlich recherchiert, hat bisher unter Verschluss befindliche Prozessakten eingesehen, im „Goldenen Handschuh“, Honkas Lieblingskneipe, die es immer noch gibt, mit den Pennern Fako gesoffen, Fanta mit Korn. Deshalb ist sein Buch so bestürzend realistisch. Strunk zeichnet Honka, den Täter, und seine Opfer, die Frauen, illusionslos genau, als vergessene Gespenster der Bundesrepublik, die am Rand des Todes durch schimmlige Kammern torkeln.
    Das so großartige wie wirklich verstörende an diesem Buch aber ist, dass wir beim Lesen die ganze Zeit das Gefühl nicht los werden, das alles hätte doch auch etwas mit uns und unserem Leben heute zu tun. Heinz Strunk, 1962 in Hamburg geboren, heißt eigentlich Mathias Halfpape und wurde zuerst als Musiker und Schauspieler bekannt, 2004 mit dem Titel „Fleisch ist mein Gemüse“ auch als Autor. (Text: ARD-alpha)
    Deutsche TV-PremiereSo 03.04.2016Das Erste
  • 30 Min.
    In der nächsten Ausgabe von „Druckfrisch“ trifft Denis Scheck einen der bekanntesten Naturforscher unseres Landes. Mit Josef H. Reichholf spricht er über sein neues Buch und sein Leben für die Natur. Im Gespräch mit der 73-jährigen, französischen Autorin und Historikerin Dominique Manotti geht es um ihren neuen Roman „Schwarzes Gold“ und Korruption in Frankreich. Josef H. Reichholf: Mein Leben für die Natur „Dies ist keine Autobiographie“, schreibt Josef H. Reichholf gleich zu Beginn, der mit diesem Buch nicht von seiner Vita, sondern von seinen Einsichten erzählen möchte.
    Aus der Ökologie, sagt er im Rückblick auf die letzten Jahrzehnte, sei längst eine Öko-Ideologie geworden, die einfach jede Veränderung verteufelt. Naturschutz sei heute oft so überreglementiert, dass einem die Freude an der Natur abhandenkommen kann. Reichholf widerspricht den übereifrigen Naturaposteln, deren Bewahrungswille verkennt, dass Evolution nun mal immer und überall Veränderung bedeutet. Die Beispiele, die Reichholf aus einem reichen Forscherleben beibringt, belegen das: von den Schmetterlingspuppen seiner Kindheit am Inn über abenteuerliche Nistplätze südamerikanischer Vögel bis hin zum Sozialverhalten der Höckerschwäne – immer zeigt sich die Natur viel erfindungsreicher, als wir es uns je vorstellen können.
    Lehrreich, verblüffend und wunderbar anschaulich geschrieben ist dieses Buch. Keine Lebensgeschichte, sondern die Geschichte des Lebens. Dominique Manotti: Schwarzes Gold Wer noch daran zweifelt, dass Krimis die besten Seismographen für die Ungerechtigkeit der Welt sind, der braucht nur ihre Bücher zu lesen.
    Dominique Manotti war 50, als sie ihren ersten Roman schrieb – aber da hatte sie die französische Gesellschaft schon als Historikerin und Gewerkschafterin durchleuchtet, da hatte sie genug gesehen von Korruption, Geheimdiensten, politischen Seilschaften und kriminellen Wirtschaftsbossen. Vielfach preisgekrönt sind ihre Werke, lakonisch und illusionslos ist ihr Stil. Ihr jüngster Krimi führt zurück in die 70-er Jahre. Ölkrise, Drogenhandel, das Ende der legendären „French Connection“ – und mittendrin, in der runtergekommenen Hafenstadt Marseille, ein junger Kommissar.
    Er wühlt sich durch die Machenschaften der großen Ölkonzerne. Im Roman entfaltet sich das Panorama einer finsteren Welt, die schon alle Schatten der heutigen Globalisierung vorwegnimmt. Denis Scheck empfiehlt zudem „Tausendundeine Nacht – Das glückliche Ende“ von Claudia Ott. Dazu wie immer im Schnelldurchgang: die meistverkauften Bücher in Deutschland und was von ihnen zu halten ist. Denis Scheck kommentiert die aktuelle „Spiegel“-Bestsellerliste (diesmal: Sachbuch). (Text: ARD)
    Deutsche TV-PremiereSo 24.04.2016Das Erste
  • 30 Min.
    * André Heller: „Das Buch vom Süden“
    In seinem Romandebüt beschreibt André Heller einen Mann und dessen lebenslange Sehnsucht nach dem Süden. Ein „fleißiger Taugenichts“ ist der knapp nach dem zweiten Weltkrieg in Wien geborene Julian Passauer. Ihn zieht es, so wie seinen Vater, stets nach Süden. Denis Scheck hat André Heller in seinem zweiten Wohnsitz in Marrakesch getroffen, in dem von Heller gestalteten Garten „Anima“. Dort sprachen sie u. a. über das Sehnsuchtsgefühl nach dem Süden, die große Kunst des Gartenbaus und seinen treuesten Helfern bei dieser Sache. „Ich empfinde den Tod als einen meiner interessantesten Mitarbeiter“, erklärt André Heller im Gespräch.
    * Yann Martel: „Die hohen Berge Portugals“
    Yann Martel ist der Autor des Weltbestellers „Schiffbruch mit Tiger“ – vielen bekannt durch die Verfilmung von Regisseur Ang Lee. Auch im neuen Roman ist der kanadische Schriftsteller Yann Martel seinen philosophischen Themen und ausgefallenen Geschichten treu geblieben. Lissabon, Anfang des 20. Jahrhunderts: In einem sogenannten Automobil begibt sich der junge Tomás auf eine abenteuerliche Expedition in die hohen Berge Portugals. Damit beginnt ein tragikomischer Roadtrip, der ein unvorhergesehenes Ende nehmen soll. In der Nähe des Schlosses Elmau hat Denis Scheck mit dem 53-jährigen Schriftsteller über verrückte Geschichten gesprochen, die das Leben schreibt, warum Tiere in seinen Büchern eine so große Rolle spielen und welche Vorteile das Rückwärtsgehen so mit sich bringt..
    Außerdem, wie immer, Denis Schecks Kommentar zu den Büchern auf der aktuellen Spiegel-Bestsellerliste (diesmal Belletristik) und seine persönliche Empfehlung: den aberwitzigen Science-Fiction-Roman „Amalthea“ von Neal Stephenson. (Text: ARD-alpha)
    Deutsche TV-PremiereSo 22.05.2016Das Erste

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