Neben den britischen Eisenbahnstrecken im südlichen Afrika gehört die Yunnan-Bahn in Ostasien zu den ehrgeizigsten und spektakulärsten kolonialen Eisenbahnprojekten des vergangenen Jahrhunderts. Ihre Entstehungsgeschichte ist wie viele Großprojekte jener Zeit von politischem Konkurrenzdenken geprägt. Das Terrain für die Yunnan-Bahn, insbesondere im Nam-Ti-Tal nahe der vietnamesischen Grenze, war denkbar ungeeignet für die Konstruktion einer Bahntrasse. Mindestens 12.000 der insgesamt 60.000 einheimischen Arbeiter und etwa 80 der europäischen Subunternehmer starben während des Baus der Eisenbahn, viele an Malaria. Auf insgesamt 855 Schmalspurkilometern überquert der Zug nicht weniger als 173 Brücken und durchfährt
158 Tunnel. Über 1.900 Höhenmeter überwindet die Yunnan-Bahn auf ihrem Weg von der vietnamesischen Hafenstadt Haiphong bis nach Kunming. Während der letzten Jahre gefährdete der schlechte Zustand des chinesischen Streckenabschnitts zunehmend den Bahnverkehr. Im Jahr 2003 wurde der Personenverkehr auf dem chinesischen Streckenabschnitt aus Sicherheitsgründen eingestellt. Bis 2015 will die chinesische Regierung eine neue Normalspurtrasse von Kunming bis zur vietnamesischen Grenze bauen – und somit eine neue transasiatische Verbindung von Kunming bis nach Singapur schaffen. Damit droht die legendenumwobene Yunnan-Eisenbahn nach rund 100-jähriger Geschichte für immer zu verschwinden. (Text: 3sat)