Die Fähigkeit zu fliegen hat viele Vorteile – etwa bei der Jagd. Wer den Luftraum beherrscht, kann bodenlebende Kreaturen überrumpeln. Es ist auch die schnellste und effizienteste Art der Fortbewegung. Alles gute Gründe, sich in die Lüfte zu erheben. Aber die Evolution braucht lange, um die Schwerkraft zu überwinden. Vor 500 Millionen Jahren krabbeln Arthropoden als erste Tiere über Land. Spinnen, Tausendfüßler und Skorpione gehören zu den Pionieren. Schnell nehmen die Krabbler das neue Terrain in Besitz – doch der Himmel bleibt leer. Über hundert Millionen Jahre spielt sich das Leben nur am Boden ab. Dann gelingt es einer Tiergruppe, den Luftraum zu erobern, und den Verlauf der Evolution für immer zu verändern. Es sind die Insekten – die ersten flugfähigen Tiere. Über einhundert Millionen Jahre lang sind Insekten die einzigen Flieger am urzeitlichen Himmel. Dann beginnt ein neues Zeitalter. Längst haben Reptilien das Land besiedelt – nun erobern sie auch die Lüfte. Sie bringen die gigantischsten Kreaturen hervor, die jemals am Himmel ihre Kreise gezogen haben. Die Flugsaurier. Leider ist diese beeindruckende Tiergruppe bereits vor etwa 65 Millionen Jahren ausgestorben. Alles Wissen über die ersten fliegenden Wirbeltiere basiert auf Fossilfunden. Bald erscheinen neue Flugkünstler in der Geschichte des Lebens, dank einer revolutionären Erfindung: der Feder. Federn sind modifizierte
Reptilienschuppen. Über unzählige Generationen werden sie schmaler und beginnen auszufransen. Sie dienen zunächst zur Isolation und als Ornamente. Viele männliche Vögel schmücken sich, um die Damenwelt zu beeindrucken – und die Dinosaurier haben das vermutlich auch schon getan. Die Weibchen lassen sich nur mit den prächtigsten Verehrern ein. Durch diese Auswahl fördern sie die Entwicklung anderer Federn. Die werden nicht nur bunter, sondern auch länger und fester. Das ist gut zum Imponieren – aber auch zum Fliegen. In der Geschichte des Lebens wird also nicht ständig alles neu erfunden: Vorhandene Strukturen werden zweckentfremdet und bringen so den Fortschritt. Das Erbe der ersten gefiederten Dinosaurier ist gewaltig. Die Vögel haben die Erde in einem beispiellosen Siegeszug erobert. Heute existieren etwa 9000 Arten – auf allen Kontinenten, in allen Lebensräumen. Doch trotz ihres Erfolgs haben viele Vögel eine Schwäche – sie können nur tagsüber gut sehen. Den nächtlichen Himmel beherrscht eine andere Tiergruppe – Fledermäuse. Sie sind nach den Insekten, Flugsauriern und Vögeln die vierte Tiergruppe, die den echten Flug beherrscht. Auf ihren Schwingen haben sie die ganze Welt erobert. Die bloße Anzahl dieser Überflieger ist der Beweis für ihren Erfolg. Die Kunst zu fliegen ist einer der Meilensteine der Evolution – die Himmelstürmer gehören zu den erfolgreichsten Kreaturen in der Geschichte des Lebens. (Text: ZDFneo)